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112 Buch II. Kap. 1. §. 16.
Habenden zu einer gewissen Gestalt oder zu einem andern Zweck
der Art. Der Mensch erzeugt einen Menschen und die Pflanze
eine Pflanze aus dem Stoff, der jedem derselben zum Grunde liegt.
Der Zeit nach muss also nothwendi^ die Materie und die Erzeugimg
das erste sein, dem Begriff nach aber das Wesen und
die Form eines jeden.
54. Organe sind auch die Theile der Pflanzen, aber ganz
einfache, z. B. das Blatt die Bedeckung der Fruclithülle, diese die
der Frucht, die Wurzeln ein Analogon des Mundes, denn beide
nehmen die Nahrung ein.
55. Weil die Natur der Pflanzen stetig ist, so hat sie nicht
vielerlei nicht homöomere Theile. Denn zu wenigen Functionen
bedarf sie nur weniger Organe. Deshalb müssen sie für sich betrachtet
werden nach ihrer Eigenthümlichkeit.
56. So glauben Avir das Zusammengesetzte zu kennen, wenn
Avir wissen, aus was und aus wie vielem es besteht. Ferner wenn
sich em Theil eines Körpers um irgend ein Maass vergrössert
oder verkleinert, so muss das nothwendig auch der Körper thun.
Theil aber nenne ich etwas von dem, in was das vorhandene
Ganze zerlegt wird. Wenn nun ein Thier oder eine Pflanze der
Grösse oder Kleinheit nach unmöglich ein ganz unbestimmtes
Maass haben kann, so ist klar, dass das auch keiner ihrer Theile
haben kann; denn mit dem Ganzen verhält es sich, wie mit den
Theilen. Dergleichen Theile des Thiers sind Fleisch und Knochen,
der Pflanze die Früchte.
57. OflTenbar ist das Entstehende durchaus unvollendet und
seinem Princip nachstrebend (gV d.Q^ijv lov), so dass, was zuletzt
wird, der Natur nach zuerst ist. Endzweck aber alles dessen, was
entsteht, ist der Trieb (die freie Ortsbewegung; vergl. die Anmerkung
zu Nr. 13). Daher sind zwar Einige wegen Mangel an
54) De animalih. I I , cap. 1. pag. 412 b.
55) De partib. animal. I I , cap. 10. pag. 655 a, 656 b.
56) Fhysic. .ausciiltat. I , cap. 4. pag. 187 b.
57) Ibid. VIII, cap. 7. pag. 261 a.
Buch II. Kap. 1. §. 16. 113
Organen ganz bewegungslos, wie die Pflanzen und viele Gattungen
der Thiere; in den Vollendeten aber waltet der Trieb.
58. Offenbar walten in den Thieren alle diese Arten; ich
meine die, wozu das Hechts und Links gehört, doch in einigen
nur einige, in den Pflanzen nur das Oben und Unten Denn
von diesen dreien, — ich meine vom Oben und Unten, Vorn und
Hinten, Rechts und Links, — ist jedes gleichsam ein Princip.
Denn der Vernunft gemäss walten diese Gegensätze sämmtlich in
den vollendeten Körpern; das Oben aber ist das Princip der
Länge, das Rechts das der Breite, das Vorn das der Tiefe.' Doch
anders verhält es sich hinsichtlich der Bewegung. Iiier nenne ich
Principe, von wo aus die Bewegungen bei denen, die sie haben,
anfangen. Vom Oben aber ist das Wachsthum, vom Rechts die
Ortsbewegung, vom Vorn die sinnliche Wahrnehmung; denn vorn
nenne ich das, wo sich die Sinneswerkzeuge befinden. Daher
muss man nicht an jedem Körper das Oben und Unten, Rechts
und Links, Vorn und Hinten suchen; sondern nur bei den beseelten,
die ein Princip der Bewegung haben. Denn bei keinem
der Unbeseelten sehen wir, woher sie ein Princip der Bewegung
haben sollten Auch ist das Oben und Unten allem Beseelten,
sowohl den Thieren wie den Pflanzen gemeinsam; das Kechts und
Links aber waltet nicht bei den Pflanzen.
59. Von den sechs Verschiedenheiten, die den Lebendigen
vorzukommen pflegen, dem Oben, dem Unten, dem Vorn, dem
Hinten, dem Rechts und dem Links, kommt das Oben und Unten
allen Lebendigen zu, nicht bloss den Thieren, sondern auch den
Pflanzen. Es unterscheidet sich aber an sich selbst, und nicht
bloss nach der Stellung gegen Erde und Himmel, Denn von wo
die Verbreitung der Nahrung und das Wachsthum ausgehen, das
ist bei jedem das Oben; und wohin jene zuletzt gelangt, das ist
unten; eins ist Anfang, das andere Ende, Anfang aber das Oben.
will es aber scheinen, als wäre den Pflanzen mehr das Unten
58) De coelo 11^ cap, 2, pag, 284 h.
59) De incessu animaL cap. 4. pag. 705 a. 6.
M e y e r , Gcsch. d. Eotanik. I.
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