274 Blich III. Kap. 3. §. 35. Buch III. Kap. 3. 36. 275
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So bleibt denn für das Auftauchen der orphisehen Sondernaturen
nur die Eegierungsperiode des zweiten Ptolemäos
P h i l a d e l p h o s übrig, die Zeit, worin die Bibliomanie jener Fürsten
in frischer Blüthe stand, den Preis seltener und alter Handschriften
zu unmässiger Höhe steigerte, und, von grammatischer
Kritik noch Avenig begleitet, der Fälschung Thür und Thor öffnete;
die Zeit des Zusammentreffens attischer Ueberfeinerung, die
für sich schon so leicht aus Unglauben in Aberglauben umschlägt,
mit Aegyptens alt geheimnissvollem Tempeldienst und mit des
Hofes orientalischer Genusssucht: grade die rechte Zeit, der rechte
Boden für das neue Griftkraut.
Erhalten hat sich wenig von den orphischen und archelaischen
Sondernaturen, die Pflanzen Betreffendes gar nichts, ihren Geist
zu verrathen mehr als genug. — „Pfeile, ohne die Erde zu berühren
aus dem Körper gezogen, und unter das Bette gelegt, erweckten
Liebe, sagen Orpheus und Archelaos; sogar Epilepsie
heilte der Genuss von Fleisch wilder Thiere, erlegt mit derselben
Waffe, womit ein Mensch umgebracht worden.^)" — Mehr der
Art, hoffe ich, erlassen mir meine Leser. Auch ein Gedicht über
G i f t m i s c h e r e i verfasst zu haben, beschuldigt Galenos den Orpheus.
„Die Zubereitung zusammengesetzter Gifte zu lehren,
sagt er 2), scheint mir unrecht, wiewohl Viele Vorschriften dazu
gegeben haben, wie O r p h e u s der Theologe und der neuere Bol
o s M e n d e s i o s (so lese ich mit Keinesius statt Horos Mendesios)
und Heliodoros Athenäos der tragische Dichter und
A r a t o s und einige Andere/^ Er rühmt die schönen Verse, während
er den Inhalt streng tadelt. Unter Aratos können wir nur
den berühmten Sänger der Sternbilder verstehen, der etwa 270
V. Chr. am Hofe des Antigonos Gonatas blühete; jeder andere
musste von diesem durch einen Zusatz unterschieden werden. Den
Bolos Mendesios werden wir bald näher kennen lernen: er
1) XXVIIl, cap. 4 secL 6\
2) Galen i opp. ed. Kühn XIV, pag. 144.
3) Si ohaei florileg, serm, 242,
scheint unter Ptolemäos VH Physkon oder einem seiner nächsten
Vorgänger gelebt zu haben. Der Tragiker Hel iodoros kommt
nicht weiter vor^); doch erhielt uns Stobäos sechzehn Hexameter
aus den italiänischen Sehenswürdigkeiten 2) eines nicht näher bezeichneten
Hel iodoros , die mit den sieben Hexametern jenes
Tragikers bei Galenos in der Sprache übereinstimmen, und medicinischen
Inhalts sind. Vorausgesetzt, sie hätten denselben Verasser,
so könnte derselbe nicht jünger sein als Cicero (f 64 v, Chr);
denn sie enthalten die Beschreibung des Gebrauchs und der "Wirksamkeit
einer Heilquelle am Möns Gaurus, die nach Plinius^) erst
kurz nach Cicero's Tode entsprungen sein soll. Nur die Stellung
vor Aratos, welche Galenos sein em Heliodoros giebt, begünstigt
unsere Voraussetzung nicht. Doch wie dem sei, und zugegeben,
dass unter den Gedichten dör drei von Galenos Genannten das
angeblich orphische das älteste war, so könnte es demungeachtet
füglich erst zur Zeit des zweiten Ptolemäos Philadelpho«, also
gleichzeitig mit den angeblich orphischen Sondernaturen, entstanden
sein.
§. 36.
P s e u d o - P y t h a g o r a s .
Schriebe ich Geschichte der Magie, so hätte ich nach Plinius
hier noch eine lange Keihe von Magikern anzuführen, bis ich
1) G a l e n o s cltirt seine ^Arrolviixa 7r{)og Niy.o^iayov, und theilt einige
Verse daraus mit, worin der Dichter schwört, die Verfertigung der Gifte
nicht aus böser Absicht zu lehren, sondern seine Hände rein zum Himmel zu
erheben. Fabricius (hihi, qraec. XJIl^ pag. 175) scheint das aus Missverständniss
auf körperliche Reinlichkeit zu beziehen. Er iiisst den Heliodoros
aber auch A n t i d o t a geschrieben haben. Davon sagt Galenos kein Wort.
Mir Bohemen ^AnokvrrAcc Mittel zu bedeuten, wodurch man sein Leben endigen
und sich von allem Uebel erlösen konnte: also zum schmerzl
o s e n Selbst morde.
2) Ex Ileliodori spectacuUs lialicis , heisst der Titel in der gesnerschen
Ausgabe. Es war also nicht, wie C h o u l a n t {Haadb. d. Bücherk. d. alt.Med.
S. 68) sagt, ,,ein Gedicht über Heilung von Krankheiten oder über Heilmittel.*'
3) riin. Iii st, nat. X X X J , cap, 2 sect. S.
4) Flinius XXX, cap. 1 sect. 2.
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