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wohnlichen Jahreszeit*). Also auch Zierpf lanzen, auf welche
die Römer sonst wenig Werth legten, trieb man jetzt. Ja noch
weit später, nach Alexander Severus, der 235 starb, zu einer Zeit,
da die eigentliche Landwdrthschaft mehr und mehr dem Verfall
entgegeneilte, werden wir in Gargi l ius Martialis noch einen
ausgezeichneten Schriftsteller über Gartenbau finden.
Ich bin dem Zeitalter, bei dem wir stehen, vorausgeeilt, um
die Thatsachen nicht zu sehr zu vereinzeln. Auf Botanik haben
sie so unmittelbar freilich keinen Bezug; wir werden aber auch
noch zu der Zeit kommen, in welcher die Physiologie der Pflanzen
der Gar t enkuns t ihre schönsten Eroberungen schuldig ward.
Zweites Kapitel.
Marcus Vitmvius Pollio der ArcMtekt.
§. 56.
S e i n Werk.
Auch zu dem mir früher wenig bekannten Werke dieses
Mannes führte mich meine botanische Aehrenlese auf altrömischem
Boden mit sehr geringer Erwartung, und zu desto grösserer Befriedigung.
In zehn kurze Bücher, die noch dazu manche Abschweifung
enthalten, drängt er die Theorie seiner Kunst zusammen. Jedem
Buch voran geht eine an den Kaiser gerichtete Einleitung, worin
er irgend einen würdigen oder ergötzlichen Gedanken entwickelt,
und bald lockerer bald inniger mit dem Gegenstande des Buchs
oder seiner Persönlichkeit in Beziehung setzt. Im Anfang des
e r s t e n Buchs verlangt er vom Architekten eine äusserst vielseitige
sowohl wissenschaftliche als technische Ausbildung, und
kommt dann auf die Kennzeichen der Salubrität der Gegend, in
1) C apii olini Verus imperator, cap. 5: corona.^;, lemniacis aureis interposilis,
et alieni temporis floribus.
B u c h IV. Kap. 2. §. 56.
der man sich anbauen will, wozu er unterandern auch gesunde
Viehweide rechnet. Dabei erzählt er, freilich etwas ernster, als
wir dergleichen lesen können, von zwei Ortschaften auf Kreta,
durch einen Fluss getrennt, Gnoson und Gortyna: das Vieh,
welches auf der Seite von Gnoson an dem Flusse weide, sei gesund;
dem auf der andern Seite weidenden fehle die Milz. Dadurch
aufmerksam gemacht, hätten die Aerzte an der Seite von
Gortyna ein Kraut entdeckt, dessen Genuss die Milz verkleinere,
und welches die Kretenser daher As p 1 e n i on nennten. Offenbar
die Erfindung eines Grammatikers, welcher sich den Namen
der Pflanze aus (mrjv, Milz, und dem a privativum zusammengesetzt
dachte, da dies a doch nur euphonistisch die Aussprache
der drei folgenden Consonanten erleichtern sollte, und die Bedeutung
des Namens einfach Milzkraut ist.
Gehaltreicher für uns ist das zwei t e Buch, von der Naturbeschaflfenheit
der Baumaterialien. Nach Entwickelung des muthmasslichen
allmäligen Ueberpngs des Menschengeschlechts vom
Bau kunstloser Hütten zu immer künsthcheren Gebäuden folgt
eine kurze Musterung der philosophischen Meinungen über die
Natur der Körper und ihre elementaren Bestandtheile von Thaies
bis auf Demokritos, den Vitruvius auch an andern Orten sehr
hoch zu stellen scheint, und dessen unächte Schriften er von den
ächten, wie wir schon früher i) sahen, nicht gehörig unterscheidet.
Leicht möglich, dass aus dieser Quelle die Geschichte vom Asplenion
floss. Mit dem neunten Kapi tel kommt er endlich zum
B a u h o l z . Es soll vom Herbst bis zum Frühling gefällt werden,
bevor es seine besten Kräfte bei der Laub- und Fruchtbildung
zugesetzt. Denn wie das schwangere Weib alle Nahrung der Frucht
zuwende, so auch die Pflanze; erst im Herbst sorgten die Wurzeln
aufs neue für den Stamm und gäben ihm seine frühere
Festigkeit wieder. - Doch nicht auf einmal soll man den Baum
fallen, sondern ihn erst von Einer Seite bis aufs Mark anhauen,
damit der Saft ausfliesse, und nachdem er ausgetrocknet, ihn ganz
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