VI V o r r e d e .
d
oft der aus der näheren rückwärts in die entferntere Zeit; das
wäre für die Geschichte ein Krebsgang. Und wenn irgendwo, so
ist bei Untersuchungen der Art jedes Urtheil, wenn es Gewicht
haben soll, zu motiviren; in der Geschichte fehlt es dazu an Raum.
Ueberhaupt gehört die Erklärung der Pflanzen der Alten gar nicht
in die Geschichte ihrer Botanik, sondern sollte ihr billig vorausgehen,
gleich wie man den Text jedes Schriftstellers, den man
als historische Quelle benutzen will, erst gehörig verstehen muss,
bevor man ihn benutzt. In dieser Ueberzeugung habe ich die
Interpretation der Pflanzennamen alter Schriftsteller so viel wie
möglich vermieden, wo sie jedoch nicht zu umgehen war, die
Gründe meiner Meinung gewissenhaft dargelegt.
Lange Jahre trug ich mich mit dem Gedanken eine Geschichte
der Botanik zu schreiben, richtete auf diesen Zweck meine Studien,
und verschaffte mir nicht ohne Opfer manches wichtige und seltene
Werk. Was mir an Apparat und Gelehrsamkeit noch abgeht,
um das mir vorgesteckte Ziel zu erreichen, empfinde ich um
so tiefer, je weiter ich fortschreite. Aber ich überzeuge mich auch
immer mehr, dass ein vollständiger Apparat, eine genügende Gelehrsamkeit
unerreichbar sind. In der That ist die Geschichte
jeder Wissenschaft eben so unergründlich wie sie selbst, Sie muss
wiederholt von verschiedenen Gesichtspunkten aus geschrieben und
umgeschrieben werden, um sich allraälig ihrer Idee zu nähern. Die
der Botanik, so weit sie fertig ist, dieser ihrer Idee um ein Kleines
näher gebracht zu haben, bin ich mir bewusst, und darf es
ohne Anmassung aussprechen. Dass ein Anderer diese meine
Studien einst brauchbar finde, und zum wahren Kunstwerk verarbeite,
ist mein lebhaftester Wunsch, und wäre mein höchster Lohn.
K ö n i g s b e r g den 5. Juli 1854.
E. Meyer.
I n h a l t .
E r s t e s Buch. Anfänge der Botanik bei den Griechen . . . Seite
§. 1. Die beiden Quellen botanischer Erkenntniss, Empirie
und Speculation
E r s t e s Kapi tel . Empirische Pflanzenkenntniss der Griechen
von Aristoteles bis Theophrastos
§. 3. Muthmassliche Menge der vor ihnen volksthümlich
bekannten Pflanzen
§. 3. Die Rhizotomen, Pharmakopoen und Schriftsteller
über Rhizotomie
§. 4. Die Geoponiker oder Georgiker und andere Schriftsteller
über den Landbau
Z w e i t e s Kapi tel . SpeculativeForschungen der Griechen vor
Aristoteles über die Natur der Pflanze
§. 5. Die philosophischen Schulen der lonier, Pythagoreer,
Eleaten, Sophisten und Sokratiker
§. 6. Die Philosophen vor Empedokles
§. 7. Empedokles Akragantinos
§. 8, Desselben Phytologie
§. Die Philosophen von Anaxagoras bis Hippon . . . „
§. 10. Pseudo-Hippokrates von der Natur des Fötus . . „
§. IL Demokritos Abderita .
§. 12, Piaton
1
1
5
0
8
14
30
30
34
38
46
58
64
70
74