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B u c h II. Kap. 1. §. 14. B u c h II. Kap. 1. §. 14. 87
Angabe des Gellius dass Aristoteles für die Bücher des Philosophen
Speusippos allein drei Talente, etwa 4050 Thaler, bezahlt
habe. Doch nicht bloss mit Gelde, viel wirksamer noch auf andere
Weise soll Alexandros die naturwissenschaftlichen Forschungen
seines Lehrers und Freundes unterstützt haben. Einige tausend
Personen, erzählt Plinius 2), waren beauftragt ihm aus ganz
Griechenland und Asien, so weit sich des Königs Macht erstreckte,
alles MerkAvürdige, was ihnen die Jagd der Fisch- und Vogelfang
darböte, oder was sich in den königlichen Menagerien Heerden
Bienenhäusern Fischteichen und Vogelhäusern zeigte, zu übersenden.
Darauf gestützt, suchte und fand man bei Aristoteles
Nachrichten über asiatische Thiere, die, wie man sich einbildete,
nur durch Alexandros an ihn gelangt sein könnten. Allein nach
Alexander von Humboldt 3) ist „der Glaube an eine unmittelbare
Bereicherung des aristotelischen zoologischen Wissens durch die
Heerzüge des Makedoniers durch ernste neuere Untersuchungen,
wo nicht gänzlich verschwunden, doch wenigstens sehr schwankend
geworden," und „die Geschenke von acht hundert Talenten und
die Beköstigung so vieler tausend Sammler, Aufseher von Fischteichen
und Vogelhütten, sind wohl nur für TJebertreibungen und
missverstandene Traditionen des Plinius, Athenäos und Aelianos
zu halten."
Im Jahr 336 v. Chr. bestieg Alexandros den Thron, und vermuthlich
schon das Jahr darauf, also noch vor dem asiatischen
Feldzuge, kehrte Aristoteles nach Athen zurück, und eröfFnete
dort seine sogenannte peripatetische Schule im Lykeion; und in
diese Lebensperiode des Stageiriten setzen wir mit Stahr, zwar
nicht die grossen naturhistorischen, doch die philosophischen
Werke desselben. Aber das schöne Verhältniss zu Alexandros
blieb in dieser Zeit nicht ungetrübt. Eine Verschwörung gegen
des Königs Leben ward entdeckt, ein Verdacht der Mitschuld fiel
1) Gellius III, cap. 17.
2) PI in. hist. natur. VIII, cap. 16. sect. II.
3) Hu mholdt Kosmos II, S. 191. f . nebst den dazu gehörigen Anmerkungen,
auf Kallisthenes, des Aristoteles Vetter, der, um die Geschichte
des Feldzugs zu schreiben i), den König begleitete. Dieser
Hess ihn ergreifen und mit sich fortschleppen, bis er im tiefsten
Elende umkam. Auch auf Aristoteles soll sich sein Verdacht erstreckt,
auch dessen Tod soll er in der ersten Aufwallung beschlossen
haben; doch bekräftigt keine beglaubigte Thatsache des Königs
Ungnade gegen den einst so hoch gefeierten Lehrer. Nur
der zarte Duft, der auf ihrem gegenseitigen Verhältniss ruhete, ist
verwischt.
Den Welteroberer ereilte schon in seinem drei und dreissigsten
Jahre, 323 v. Chr., zu Babylon der Tod. Nun erst wagte die
antimakedonische Partei in Athen den Aristoteles der Gottlosigkeit
anzuklagen. Ob er in Folge dieser gefährlichen Anklage
nach Chalkis entfloh, oder sich in Voraussicht solches Sturmes
schon früher dahin zurückgezogen hatte, was Stahr wahrscheinlicher
findet, ist zweifelhaft. Hier war er sicher für seine Person,
und durch die Entfernung seiner Bildsäule aus dem Tempel des
delphischen Apollon entehrten die Athener nicht ihn, sondern sich
selbst. Allein ein innerer Wurm nagte längst an seinem Leben.
Noch in demselben Jahre, dem drei und sechzigsten seines Alters
beschloss er seine ewig denkwürdige Laufbahn; und ich schliesse
diesen dürftigen Abriss derselben mit Schlossers2) Worten: „Aristoteles
und Alexandros umfassten beide im Geist die ganze Welt
und ihre Wissenschaften, beide wollten sie ganz bezwingen, ganz
umgestalten. Mit Aristoteles war das Schicksal, Alexandros konnte
seinen Plan nicht durchführen."
1) Einen K a l l i s thene s nennt auch Epiphanios zu Anfang des ersten
Buchs contra haereses in einer Liste von Schriftstellern über die Pflanzen
oder vielmehr Arzneimittellehre. Dass der Aristoteliker gemeint sei, scheint
mir nicht bloss zweifelhaft, sondern sehr unwahrscheinlich, da die Schriftsteller
chronologisch geordnet sind, und Kallisthenes erst hinter dem König
Mithridates steht. Entgegengesetzter Meinung sind freilich Haller hihi, hotan.
I,p. 38., Sprengel Gesch. d. Arzneik. I, (vierte Aufl.) und selbst Humboldt
Kosmos II, S. 193.
%) Schlosser universalhistorische Uehersieht der Geschichte der alten Welt
und ihrer Cultur. Thl, i, Abtheil. III, S. 321.
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