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ib B u c h L Kap. 2. §. 12.
das Geheimniss der wunderbaren Verschmelzung des Werdenden
Vergänglichen mit dem Seienden .Ewigen zu ergründen. Darum
sagt Goethe^) so treffend in Bezug auf die Farbenlehre: „So entzückt
uns denn auch in diesem Fall^ wie in den übrigen, am
Plato die heilige Scheu, womit er sich der Natur nähert, die Vorsicht,
womit er sie gleichsam nur umtastet, und bei näherer Bekanntschaft
vor ihr sogleich wieder zurücktritt, jenes Erstaunen,
das, wie er selbst sagt, den Philosophen so gut kleidef Das
ist es aber auch, was oft zwar wie ein zarter Duft das Bild, das
er vor uns aufrollt, nur verschönert, oft aber wie dichter Nebe
eine unergründliche Tiefe zu bedecken scheint.
Es ist eine vom Himmel aus bis zum Menschen fortgesetzte
philosophisch - poetische Kosmogenie, die er dem Pj^thagoreer
T i m ä o s - ) von L o k r o i in den Mund legt, astronomisch-physikalisch
physiologischen Inhalts in der jetzigen Bedeutung dieser
Worte. Die Anatomie, Physiologie und sogar die Pathologie des
Menschen werden ziemlich ausführlich behandelt, die thierische
Schöpfung wird am Schluss mit wenigen Worten abgefertigt, die
vegetabilische ganz übergangen. Nur in wiefern der Mensch der
Pflanzen zu seiner Nahrung bedarf, ist früher von ihnen die Rede,
und hier werden die Grundzüge ihrer Natur gelegentlich angedeutet.
Die Stelle lautet nach Schneiders Uebersetzung also;
„Nachdem aber alle Theile und Gliedmaassen des sterblichen Wesens
zusammengewachsen waren, und die Nothwendigkeit es
mit sich brachte, dass es in Feuer und wehender Luft leben
musste, und es darum von diesen aufgelöst und entleert hin-
1) Goethe's Farbenlehre / / , S, 113.
2) Schleiermacher vollendete seine Uebersetzung des Piaton nicht, weil
er am Timaos verzweifelte. Jetzt haben wir zwei Uebersetzungen desselben:
Piatons Timäus und Kintias^ übersetzt von F, W. Wagner^ Breslau 1841, 8.;
und die zweite sehr viel genauere von K. E. Ch. S chne ide r , im Janus^
Zeitschrift für Geschichte und Literatur der JMedicin^ herausgegeben von Ä. W, E,
Th. Henscheh Band I I , 1847, Heft 3 u. 4.
3) In Henschels Janus II, S, 667 ff,
4) des Menschen.
5) Licht und Wärme behandelt Piatön als Arten des Feuers.
B u c h L Kap. 2. §. 12. 77
schwand bereiteten die Götter ihm eine Hülfe. Denn sie
schufen eine mit der menschlichen verwandte Natur, andere Gestahen
und Empfindungen ihr beimischend, so dass es ein anderes
lebendiges Wesen ist, nämlich die jetzt milden Bäume und Pflanzen
und Samen, die vom Landbau erzogen sich zahm gegen uns verhalten;
ehedem aber gab es bloss die wilden Arten, die älter als
die milden sind. Denn was nur immer Theil am Leben hat, das
alles wird doch mit Recht am richtigsten lebendiges Wesen genannt;
dieses jedoch, wovon wir jetzt sprechen, hat Theil an jener
dritten Art Seele , deren Sitz die Rede zwischen Nabel und
Zwergfell legt, die von Meinung und Ueberlegung und Vernunft
nichts in sich hat, aber angenehme und schmerzhafte Empfindung
mit Begierden. Denn es verhält sich immer leidend gegen alles ; dass
es aber in sich selbst herumgewendet um sich selber, die Bewegung
von aussen her von sich abstossend und der eigenen sich bedienend,
etwas von dem Seinigen zu erkennen, und es sich zu denken geeignet
wäre, hat die Entstehung ihm nicht verliehen. Daher lebt es
1) Also der Nahrung zum Ersatz des Geschwundnen bedurfte.
2) Ausser der unsterblichen giebt Piaton (a. a. O. S. 657) dem Menschen
noch eine andere Seele s terbl icher Art, welche gefährliche und nothwendige
Eindrücke in sich aufnimmt, zuerst Lust, die grösste Lockspeise
des Schlechten, dann Scherz, des Guten Verscheucher, dann auch Zuversicht
und Furcht, zwei thörichte Rathgeber, dann schwer zu besänftigenden Zorn,
dann leicht zu verführende Hofihung; dann vermischten sie dies mit vernunftloser
sinnlicher Wahrnehmung und mit alles versuchender Liebe. —
Diese Seele setzten sie in die Brusthöhle. — WeiL aber das eine in ihr
besserer, das andere schlechterer Art war, so trennten sie die Brusthöhle
wiederum wie im Hause das Gemach der Männer von dem der Frauen, indem
sie das Zwergfell ausspannten. Denn Streitliebendes, welches Theil hat an
Tapferkeit und Zorn u. s. w., setzten sie über das Zwergfell, dem Kopfe
näher. — Aber das nach Speise und Trank begierige der Seele und nach
allem, was ihm die Natur des Leibes zum Bedürfniss macht, dieses verlegten
sie in die Gegend zwischen dem Zwergfell und der bis zum Nabel sich erstreckenden
Grenze, nachdem sie gleichsam eine Krippe diesem ganzen
Räume für die Nahrung des Leibes eingerichtet hatten, und banden dann
jenes dort an wie ein wildes Thier, das aber als nothwendiger Geselle ernährt
werden musste, wenn es jemals ein sterbliches Geschlecht geben sollte
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