
Ausdruck in der P'orderung, die einzelne Spore zum Ausgang der Kultur zu
machen und sie ohne Beimischung fremder Pilzkeime und geschützt gegen die
Invasion von Keimen aus der Luft, zur vollendeten Höhe der Entwicklung zn
fördern nnd die sämtlichen Formbildungen und P'ruchtformen zur Ausbildung zu
bringen, welche dem Pkitwicklungsgange der einzelnen Pilze angehöreu. Die
Gewinnung reinen Sporenmaterials, die Isolierung der einzelnen Sporen, ihre
Reinkultur gegen das Eindringen fremder Pilzkeiine in gesicherter Art diirch-
zutühreii, ist für die einzelnen Pilzformen so weit als möglich angegeben, unter
Ausführung der weiteren kultur-methodischen Hülfsmittel, durch welche es gelingen
kann, den Höhepunkt der Entwicklung nnd die Ausbildung der höchsten
Fruchtform zu erreichen.
Hier kommt die Kenntnis der vergleichenden Morphologie und das Verständnis
der Biologie der Pilze zur Herrschaft. Ohne beide ist es unmöglich,
die jeweilige Fragestellung für die Untersuchung der einzelnen Formen richtig
zu fassen und die Kulturen erfolgreich durchzuführen.
In diesem Sinne kann das vorliegende Buch nicht hloss als ein mykolo-
gisches Practicum zur Ausführung von Pilzkulturen gelten; es umfasst zugleich
auch darüber hinaus die Grundzüge der Biologie und der vergleichenden Morphologie
der Pilze in einheitlicher und übersichtlicher Darlegung, soweit sie für
die Pilzkulturen in Betracht kommen. Die ergänzenden Illustrationen finden sich
in den vorausgegangenen 13 Bänden d. W. Sie sind in kürzerer Fonn zusammengestellt
in der vergleichenden Morphologie der Fadenpilze von Franz von Tavel
bei Gustav Fischer in Jena 1892.
Es gereicht dem Inhalte des Buches nicht zum Nachteil, dass es mir
möglich war, eine ganze Reihe von einzelnen und wichtigen Untersuchungen, die
bisher noch nicht zur Veröffentlichung gekommen sind, als Material für eine
geschlossene Behandlung hier heranzuziehen. Ebenso ist es mir aus meiner langen
Erfahrung möglich geworden, die derzeitigen, noch bestehenden Lücken in unserer
Kenntnis scharf zu bezeichnen und die Stellen genau anzugeben, an welchen
weitere Untersuchungen sich anschliessen müssen und zugleich die Wege anzudeuten,
in welchen die nächsten Ziele am besten und wahr-scheinlichsten oiTeicht
werden können.
I. Die Keimung der Pilzsporen und ihre
erfolgreiche Kultur.
Für biologische Untersucimngen auf dem Gebiete der l.klzkunde sind die
Sjioreii der Pilze der natürlicliste und naheliegendste Ausgang.spunkt. Mit der
Keimung der Pilz.sporen und mit ilirer erfolgreichen Kultur in den geeigneten
Ntilirmedien treten die Formbildungen und die morpliologiscben Charaktere in
vegetativer und in fructificativer Beziehung in natürlicher Folge von selbst in
die Erscheinung, durch welche die verscliiedenen Lilzformen ausgezeichnet sind.
l£s handelt sich nur darum, zunächst die Keimung der Sporen .sicher zu erreichen
und dann im Laufe ihrer weiteren Kultur die volle und normale Entwickelung
zu ermöglichen, wie sie in der Natur stattfindet, und alle Stöi'iingeii fernzulialteii,
welche während der Dauer der Kultur zu Irrtüniei-n die Veranlassung geben kcinnen.
Die biolof^ische liigenart der Pilzsjioren und ilire natürliehe Verbreitung.
Die Pilze sind in der Erzeugung ihrer Sporen von ausserordentlicliei- Fruchtbarkeit.
Diese Fruchtbarkeit wird erinöglicbt durcli die Kleiiilieit der Sporen,
durch den geringen Stoffaufwand, der für die einzelne Spore in Verwendung
kommt. In beiden JMamenten, in der Fruchtbarkeit an Sporen und in der Kleinheit
der Sporen an sich, sind die natürlichen Hülfsmittel gegeben für die leichte
Vertriebbarkeit und für die weite Verbreitung der Pilz.S])oren.
Das Medium, in welchem die Sporen der zuniei.st terrestrisch lebenden
Pilze verbreitet werden, ist die atmosphärische Luft. Die Sporen .selb.st sind mit
Bewegungsorganen nicht ausgestattet, sie werden vertrieben durch die Bewegungen
der Luft, und hierfür sind sie durch ihre Kleinheit und Leichtigkeit besonders
angepasst. Sie werden von dem leisesten Windhauche bewegt, und schon bei
der Entleerung der Sporen grösser Frucbtkörper der Pilze, z. B. der IMorcheln
und der Becherpilze, kann mau sich mit blossem Auge von dem Aufwirbeln
U te fo ld , Bütnii, Untorsnclmngon. XIV. ^