
Zur StickstofEassimilation.’)
Es ist bei der Bllltheiiinfeetion des Flngbrandes der Gerste und des Weizens
angefllhrt worden, dass es uns gelungen ist, Frucbtkörner zu ernten, welche nach
ihrer Aussaat eine Totalinfection an allen Versuchspflanzen ergaben. Ebenso ist
auch bei dem Brand der Mohrenhirse, der Kispenhirse und der Kolbenhirse eine
Totalinfection aller Versuchspflanzen en’eicht worden, wenn hier nur die Saatkeimlinge
mit genügender Vorsicht durch den Pulverisator inflcirt wurden. Wir
verfügen demnach bei den hier genannten Nährpflanzen dev Brandpilze über ein
Ausgangsmaterial, welches mit voller Sicherheit zu der Ausbildung brandiger
Pflanzen ftihit.
Es ist nun in diesem Material die Möglichkeit gegeben, eine physiologische
Frage von besonderem Interesse, nämlich die Frage nach einer etwaigen Assimilation
des fceien Stickstoft’s durch Fadenpilze, welche parasitisch in ihren Nährpflanzen
leben, zur Entscheidung zu bringen. Diese Frage ist von Wichtigkeit
geworden durch die vorzüglichen Untersuchungen von H e l l r i e g e l , welche den
Beweis erbrachten, dass Ijupinen und andere Leguminosen ohne gebundenen Stick-
stoft’ resp. Stickstoffverbindungen im Boden leben können und den freien Stickstoff
der Atmosphäre zu assimilireii vennögen, wenn sie von ])arasitischen Pilzen
bewohnt werden. Es i.st H e l l r i e g e l gelungen, die genannten Leguminosen
in reinem Glassand, der mit Mineralsalzen in Lösungen versehen und ohne
gebundenen Stickstoff geblieben w^ar, zur vollen Entwicklung zu bringen, wenn
bestimmte Formen von Bakterien, Rhizobien, die Wurzeln der Nährpflanze befallen
und hier knollenaitige Anschwellungen herheiführen konnten.
Die glücklichen Resultate aus den Culturen von H e l l r i e g e l haben nun
die Frage nahe gelegt, ob nicht andere parasitisch lebende Pilze in ihren Nährpflanzen
die gleiche Assimilation des freien Stickstoffs veranlassen können. Eine
Reihe von Erscheinungen, z. B. Mycorhizen, die allgemein verbreitet auf den
Wurzeln der verschiedensten Pflanzen Vorkommen, waren einer Deutung in
diesem Sinne günstig. Es sind auch Versuche mit vieljährigen, baumartigen
Pflanzen angestellt worden, bei welchen man glaubte nachweisen zu können,
’) Eine vorläufige Mittheilung über diesen Gegenstand ist bereits in einem Vortrage
in der Schles. Gesellschaft fiii- vaterländische Cultm* am 15. November 1900 veröffentlicht
worden.
dass die an den Wurzeln lebenden Mycorhizen eine Assimilation des freien Stickstoffes
veranlassen können. Das Versuchsmaterial in perennirendeii, langsam
wachsenden Pflanzen, die ungebundenen Stickstofl' as.siniilieren .sollen, ist aber flir
die Entscheidung unserer Frage nach der Assimilation des freien Stickstoffes
nicht günstig, ln der Länge der Zeit schleichen sich bei den Versuchen mit
pereimirenden Pflanzen nnvermeidliche Fehlerquellen ein, welche für einen wissenschaftlich
gesicherten Erfolg keine Gewähr bieten. Es können die Versuche
dieser Art nur mit schnell wachsenden und grossen einjährigen Pflanzen erfolgreich
ausgeführt werden, welche von den zugehörigen parasitischen Pilzen von
dem Keime aus bis zu dem Endpunkte der Entwicklung durchwachsen wei-den
und zu einer möglichst üppigen Entwicklung gelangen. Bei den Versuchsobjecteii
dieser Art ist die Voraussetzung, dass die saprophytisch lebenden Parasiten dieser
Pflanzen nicht die geringste Schädigung veranlassen, und da.ss ein Verhältni.ss der
Parasiten zu den Nährpflanzen besteht, wie wir es bei den Leguminosen mit
ihren Rhizobien vorflnden. Versuchsobjecte der erforderlichen und gewünschten
Art sind nun in geradezu idealer Ausbildung in unseren einjährigen grossen
Getreideformen gegeben, welche von Brandiulzen befallen und bewohnt werden.
In einer Vegetationsperiode erreicht eine Pflanze ihre volle Grösse und Ausgestaltung.
Die Parasiten dringen in den ersten Keimanlageii in die Pflanze ein,
wachsen mit ihrer Ausgestaltung in diesen fort, bis sie zumeist am Ende der
Entwicklung in den Blüthen zur Bildung der Brandlager übergehen. Die Anpassung
zwischen Parasit und Nährpflanze ist hier die möglichst ausgebildete.
Von irgend einer Krankheitserscheiuung ist im Laufe der ganzen Entwicklung
der Nährpflanze bis zu ihrer vollen Ausbildung nichts zu sehen. Ja es wiederholen
sich sogar die Erscheinungen stetig, dass die von den Pilzen befallenen
Nährpflanzen sich schneller und üppiger entwickeln wie die gesunden, und da.ss
die Brandlager schon in ihnen zur Erscheinung kommen, wenn eben die Blütheii-
stäiide bei gesunden Pflanzen hervorzutreteii beginnen. Man wird unwillkürlich
versucht zu glauben, dass der in den befallenen Nährpflanzen lebende Parasit auf
schnelle und volle Entwicklung einen günstigen Einfluss ausüben könnte. Diese
äusseren Umstände fordern gleichsam dazu heraus, diese Versuchspflanzen als
Objecte zu wählen für die Entscheidung der Frage, ob die parasitisch in ihren
Nährpflanzen lebenden Fadenpilze, hier speziell die Brandpilze, in Verbindung
mit diesen den freien Stickstofl' zu assimiliren vermögen und hierdurch eine
üppigere Ernälinmg der Nährpflanze zu veranlassen im Stande sind.