
halten der ßrandsporen haben sich lebhaft in meiner Erinnerung erhalten und
immer wieder die Neigung in mir erweckt, den Sporen bessere Sitten beizubringen,
wenn ich selbst die Versuche unternähme. Ich war von meinen Arbeiten
über Mucor iMucedo und Fenicillium glaucum ganz in Anspruch genommen und
konnte auch in den folgenden Jahren nur durch Exkursionen im Freien meine
Kenntnis Uber die einheimischen Brandpilze erweitern. Drei Jahre später arbeitete
mein Freund Wolfi' ein halbes Jahr bei mir in den Arbeitsräumen des landwirtschaftlichen
Institutes in Berlin, welche mir als Privatdozent an der Universität
vom landwirtschaftlichen Ministerium überlassen waren. Wolff erneute seine Vei*-
suche und wir Beide durchstreiften in weiten Exkursionen die Umgebung von
Berlin, um die möglichen Brandpilzformen aufzufinden und in Kultur zu nehmen.
Ich war inzwischen den Untersuchungen über die Basidiomyceten im III. Bande
d. W. beschäftigt und verfolgte nur als Zuschauer die Beobachtungen und Versuche
von Wolff. Sie verliefen nicht anders wie die voransgegangenen, welche
iu Halle’) ausgeführt waren, nämlich ohne befriedigendes Resultat. Schon damals
keimte iu mir der Gedanke auf, dass hier noch unbekannte Faktoren mitspielen
und dass noch weitere methodische Hülfsmittel bei den Brandpilzen einsetzen
müssten, nm neue I ortschritte zu erreichen. Ich führte inzwischen meine Untersuchungen
Uber parasitisch lebende Pilze ausserhalb der Nährpflanzei] in künstliche
Nährlösungen mit stets verbesserter Kulturmethodik an allen erreichbaren
h ormen aus und berichtete über meine Resultate in Vorträgen bei „den Natur-
forschenden Freunden“ in Berlin 1 8 7 6—1878. Meine Übersiedlung nach Eberswalde,
der Verlust meines linken Auges im folgenden Jahre führte neue Ver-
zügerungeii herbei, b is ic h im J a h r e 1 8 8 1 , von einem längeren Aufenthalte
in Italien genesen ziirückgekehrt, d ie K u ltu r der B r a n d p ilz e in N ä h r lö
su n g en in Angriff nahm und hier Erfolge erzielte, von welchen man sich in
der „damaligen Schulweisheit“ nichts träumen liess. Ich knltivirte alle erreichbaren
Fonnen der Brandpilze mit gleichem Erfolge in Nährlösungen, welche mit
der massenhaften Erzeugung von virulenten Fortpflanzungsformen in Hefen und
in anderen Conidienformen in unbegrenzter Fülle verliefen.®)
Nun war ab e r e r st d r e i s s ig J a h r e n a ch den e r s te n K e im u n g s v
e r su c h e n v on T u la sn e m it den S p o r e n d e r B r a n d p ilz e in b lo s sem
’) Wolff, Brand des Getreides. Halle 1874.
ri Brefeid, Band V, Brandpilze I.
W a s se r , d e r frü h e r von m ir g e a h n t e und la n g e e r s e h n t e W e n d e p
u n k t in d er K e n n tn is d e r B io l o g i e d er B r a n d p ilz e e r r e ic h t und
d ie E x i s t e n z von F r u c h tfo rm e n in s a p r o p h y tis c h e r E rn ä h ru n g n a ch g
ew ie s e n , von w e lc h e n man b is d a h in k e in e A h n u n g g e h a b t h a tte .
J. Kühn, dessen Liebenswürdigkeit ich die stete Versorgung mit frischem Sporenmaterial
der verschiedenen Brandpilze für die laufenden Untersuchungen zu verdanken
hatte, kam extra nach Eberswalde herüber, überzeugte sich von den
neuen Funden und teilte sie in einem langen Aufsätze durcli drei Nummern der
landwirtschaftlichen Presse den Landwirten in der freudig gehobenen Stimmung
mit, welche aus seiner Darstellung wiederklingt.')
J e t z t e r s t w a r d u r ch d ie K u ltu r der B r a n d sp o r e n in N ä h r lö
s u n g e n an S t e l l e d e s e ig e n s in n ig e n S p o r e nm a t e r ia ls , mit w elchem
s ic h m e in F r e u n d W o lf f h e r um g e ä r g e r t h a t t e , e in k e iin k r ä f t ig e s , in
unbegrenzter Fülle verfügbares, virulentes Sporenniaterial für neue Infectionsversuche
gegeben.
Gleich nach meiner Übersiedlung nach Münster b e g a n n ic h im J a h r e
1 8 8 5 m e in e V e r s u c h e z u e r s t m it dem B e u le n b r a n d e d er g r o s s e n
M a isp f la n z e , der phänomenalsten Erscheinung unter den Brandpilzen. Noch
Niemand hatte bisher die Brandsporen dieses Pilzes zur Auskeimung bringen
können, welche jetzt in Nährlösungen wie gehorsame Kinder sofort zur fructi-
ficativen Keimung sich anschickten und in endlos fortsprossenden Conidien, die
pfundeweise herstellbar waren, das unversiegbare und stets verfügbare Material
für neue Infectionsversuche darboten.
Aber — seltsam genug! — versagten alle Versuche, welche ich mit den
Saatkeimlingen des Mais, als dem ersten Versuchsobjekte, einleitete. Eine Anzahl
von ihnen wurden zwar vierzehn Tage nach der Infection brandig und starben
ab, aber aus allen anderen wuchsen völlig gesunde Pflanzen hervor, welche im
1) J. Kühn, „Oskar Brefelds Untersuchungen über die Brandpilze und ihre landw.
Bedeutung“. Deutsche landw. Presse, Verl. von Paul Parey in Berlin. XI. Jahrgang Xr. 11,
12, 13. 1884. Kühn sagt wörtlich, nachdem er den Standpunkt der derzeitigen Erkenntnis
über die Brandpilze und die Brandkrankheiten vorausgeschickt hatte: „Niemand ahnte, dass
unsere Kenntnisse noch eine sehr wesendiche und praktisch höchst bedeutsame Erweiterung
erfahren könnten — es war dem em, Scharfblick Oskar Brefelds Vorbehalten, der Lehre von
den Brandkrankheiten durch eine glänzende Fülle von Entdeckungen eine völlig neue Grundlage
zu geben.“ Der weitere Text in der landw. Presse selbst einzusehen.