
Die jetzt aufgeklärte Thatsache, dass aus gebeiztem Saatgute beim Weizen
und bei der Gerste gleichwohl brandige Pflanzen hervorgehen, ist an sicli nicht
neu. Sie ist den praktischen Laiidwirthen durch die Erfahrung längst bekannt.
Man kam aber nicht auf die richtige Spur zur Erklärung der Thatsache. Man
lenkte die weiteren Untersuchungen in ein falsches Geleise ein, indem man immer
wieder annalim, dass die Form der Beizung unzureichend und nnvollkommen
gewesen sei, wenn die Erfdirung ergab, dass aus gebeiztem Getreide brandige
Pflanzen hervorgehen. Die verschiedenen Angaben über neue ßeizungsmethüden
und ihre Wirksamkeit sind die natürliche Folge gewesen, welche dieser irrige
Gedankengaiig hervorgerufeii hatte. Wäre man nicht so einseitig in der ßeur-
theilimg der Erscheinungen vorgegangen, so hätte man sich die Frage gerade
nach der entgegengesetzten Seite stellen müssen, nämlich dahin, ob wir über die
Ai't, wie die Infection durch die Brandpilze erfolgt, schon genügend unterrichtet
sind, und ob die Annahme eine zuti’eifende ist, dass die Infection allein auf die
Keimlinge des jungen Saatgutes beschränkt bleibt.
Von dieser Annahme, dass die Infection nur an den jungen Keimlingen erfolgen
könne, gehen die bis in die neueste Zeit fortgesetzten Untersuchungen über Brandinfectionen
aus. Die in den verschiedenen Versuchen erzielten Procentsätze an brandigen Pflanzen sind
anf vorausgegangene Blütheninfectionen zurückzufiiiiren. Die Infectionskeime sind in dem
Saatgute schon vorhanden gewesen, welches man durch angeschüttelte Sporen inficirt zu
haben glaubte, wie z .B . in den von O t to R o s e in Rostock angestellten Versuchen, über die
er in seiner Inaugiiral-Dissertatiou, Rostock 1903 „Der Flugbrand der Sommergetreidesaaten
und Massnahmen zur Bekämpfung dieses Pilzes in der laudwirthschaftlicheii Praxis“ berichtet
hat. Wir haben die Versuche mit verschiedenen Weizen- und Gerstensorten ndederholt und
zwar mit denjenigen Sorten, welche bei R o s e die höchsten und niedi-igsten %-Sätze an brandigen
Aehren ergeben hatten. Das aus derselben Quelle bezogene Saatmaterial wurde einmal mit
Sporen angeschüttelt, das andere Mal desinfieirt und Ende März direct ins freie Land ausgesät.
Die Resultate sind, wie aus der nachfolgenden Tabelle über die mit Gerstensorten
angestellten Versuche ersichtlich ist, in beiden Fällen ganz die gleichen geblieben. Die
Temperatur war in den ersten drei Wochen nach der Aussaat durchschnittlich noch etwas
niedi-iger, als bei den R o s e ’scben Frühsaaten. Wodurch die verschiedenen Resultate R o s e ’s
bei Früh- und Spät-Saaten bedingt sind, darüber werden unsere späteren Arbeiten Aufschluss
bringen.
Gersten Sorte
Brandige
in
gebeizte
Saat
Stauden
mit Brand
gemengte
Saat
Gersten Sorte
Brandige
in
Stauden
%
mit Brand
' gemengte
gebeizte i
Saat
Saat
1. Bestehorn’s 0,5 0,5 14. Nackte, grosse zweizeilige 0 0
2. Bestehorn’s Kaiser 0 0 16. Nackte, dreigabl. Neapel 0 0
3. Chevalier 3 3 17. Oderbrucher 0,5 0,50
6. Golden Drop 0 ! 0 19. Probsteier 0 0
5. Griechische, seehszeilige 0 : 0 18. Phönix V. Thillau 0 0
7. Hanna 0 ^ 0,5 20. Reis oder Fächer 0 0
8. Imperial, lockere 0 ; 0 21. Schwarze Gerste 0 0
9. Imper., verb, ungleich4.
Erfurter, weisse 0 0
zeilige 2 0 10. Kallina 0,5 0,5
12. Mandschurei 0 0 15. Nackte, dreigabl.-drei11.
Mälirische 1 1 zeilige 2 2,50
13. Nackte, kleine blaue 0 0
IMit zwingender Notwendigkeit wiesen die Erfahrungen, dass der Fhigbrand
ans den Getreidefeldern trotz der Beizung nicht verschwindet, darauf hin, dass
neben der Infection der jungen Keimlinge noch eine andere Infectionsform bei
unseren Brandpilzen bestehen müsse, aus welcher eine Erklärung dafür abgeleitet
werden konnte, dass aus gebeizten Samenkörnern brandige Pflanzen hervorgehen.
Erst jetzt ist die Sache aufgeklärt und in so natürlicher und einfacher Weise,
dass es jeden Landwirth interessiren muss, zu erfahren, dass die brandigen Individuen
eines Feldes die unmittelbaren Infectionsherde sind, von welchen die
Krankheitskeime in der Blüthezeit auf die gesunden Pflanzen direct übertragen
werden.
Aber diese Aufklärung für die Landwirthe würde nur eine einseitige nnd
wenig befriedigende sein, wenn es nicht auch möglich wäre, an Stelle der Unfehlbarkeit
der Beizung des Geti-eides, die bisher allgemein als wirksam angenommen
wurde, eine andere Art der Bekämpfung der ßranderscheiiiungen einzusetzen.
Und welcher Art kann das neue Schutzmittel zur Abwehr des Brandes
sein? Offenbar kein anderes als das, dass man fortan nur mit gesundem Saatgut
von brandfreien Feldern entnommen, den Acker beschickt, und dass man so die
Bekämpfting des Brandes nicht positiv, sondern negativ zu erreichen sucht. Es
ist kaum durchfühi'bar, dass man die brandigen Pflanzen eines Ifeldes ausreisst,
um die Blütheninfection zu verhindern. Es kann nur so geschehen, dass man