Der Geschmack.
Wie durch den Geruch die in der Luft aufgelösten
Materien, so werden durch den Geschmack die, welche
das Wasser aufgelöst enthält, erkannt. Beide Sinne
sind nahe mit einander verwandt, und dieser ist sehr
abhängig von jenem. Manche riechbare Substanzen
haben den, ihnen eigentümlichen Geschmack nur dann,
wenn sie beim Schmecken zugleich auf die Geruchswerkzeuge
wirken. Im Finstern und bei verstopfter
Nase soll Campher wie gepfeffertes Brod, und Asa
foetida wie Campher schmecken.*) Der Geschmack
ist aber auch abhängig vom Gesichtsinn. Selbst guten
Weinkennern ist es nicht immer möglich, in der
Finsternifs weissen und rothen französischen Wein blos
am Geschmack von einander zu unterscheiden. Es
hängt auch kein Sinn so sehr von der Stimmung aller
übrigen Organe, besonders der VerdauungsWerkzeuge,
ab als der des Geschmacks. Die Qualität seiner Em*)
Nach Versuchen R o u s s e a u ’s (Journal universel des sc.
medic. T. XXXI. 1813. p. 231) und C h e v r e u l’s (Journ. de Physiol.
par Magen die. T. IV. p. 127). Rou sseau hat aus den seinigen
sehr unrichtig den viel zu allgemeinen Schlufs gezogen: dafs die
innern Theile des Mundes beim Schmecken nur eine untergeordnete
Rolle haben und blos für die mechanische Einwirkung der schmeckbaren
Substanzen empfänglich sind, wenn nicht das Geruchsorgan
mit ihnen zu gleicher Zeit wirkt. Nicht riechbare Substanzen von
sehr verschiedenem Geschmack, z. B. eine Zuckerauflösung und ein
Quassiendecoct, lassen sich auch bei verstopfter Nase blos durch
Schmecken leicht von einander unterscheiden. Richtiger ist Chev
r e u l’s Eintheilung der Substanzen, die eiue Empfindung im Munde
erregen, in solche, die blos auf das Getast, auf das Getast und den
Geruch, auf das Getast und den Geschmack, oder auch auf alle
drei Sinne zugleich wirken.
pfänglichkeit für Eindrücke wird ferner durch eine
angeerbte Stimmung und durch Gewohnheit bestimmt.
Aus diesen Ursachen spieen Esquimaux von einem bis
dahin unbekannten Stamm, die J. R o fs auf seiner Entdeckungsreise
fand, Zwieback und gesalzenes Fleisch
mit Eckel wieder aus. *)
Der Geschmack ist deswegen mehr subjectiv als
alle übrige Sinne. Er verschafft Empfindungen, die
oft blos angenehm oder unangenehm sind, ohne Auf-
schlufs über die Qualität der äussern Ursachen, wodurch
sie erregt werden, zu geben. Darum ist bei den
Thieren nicht so sehr dieser Sinn, als vielmehr der
Geruch, das Gesicht oder das Getast erster Wächter
bei der Aufnahme der Speise und des Tranks, und
da, wo er es auch zu seyn scheint, wird doch, wie
wir unten zeigen werden, das Schmecken durch Riechen
vermittelt. Nur bei dem Menschen ist er es mehr als bei
den Thieren. Aber dieser besitzt auch das Vermögen,
das den mehresten der letztem fehlt, das durch den
Geschmack Geprüfte gleich wieder durch willkührliche
Bewegungen der Zunge und der Muskeln des Mundes
auswerfen zu können, wenn es ihm nicht angemessen ist.
Die meisten Thiere rühren entweder das ihren übrigen
Sinnen Widrige gar nicht an, oder lassen es aus den
Seiten des Mundes wieder fallen. Das Letztere thun
z. B. die Enten, Gänse und Schwäne.**)
Die allgemeinen Bedingungen des Geschmacks sind:
*) j. R o fs ’s Entdeckungsreise, uni Baffins-Bay anszuforschen,
übersetzt von Nemnicli. Leipzig. 1820. S. 46.
**) Fab er a. a. O. S. 301.