Dieser scharfsichtige Zergliederer fand dagegen, dafs
bei den winterschlafenden Säugthieren die Carotis des
Gehirns durch die Trommelhöhle verläuft und zwischen
den beiden Schenkeln des Steigbügels durchgeht. Aber
hiermit verhält es sich auf diese Weise nicht blos bei
den lethargischen Arten. Ein ähnlicher Verlauf ist der
Carotis des Maulwurfs und Eichhörnchens eigen, die
man nicht zu diesen Thieren rechnen kann, und von
denen Gattungen, unter welchen lethargische Arten
begriffen ind, besitzen diese Structur auch die übrigen
Arten, die keinen Winterschlaf halten.
Gäbe es Eigentümlichkeiten in der Organisation
der lethargischen Säugthiere, wovon die Erstarrung
derselben abhinge, so müfste sich etwas Analoges
davon auch bei allen kaltblütigen Thieren finden,
die den Winter hindurch schlafen. Zu diesen gehören
aber die verschiedensten Arten, die weder mit einander,
noch mit den Säugthieren etwas Weiteres als überhaupt
den thierischen Bau gemein haben. Manche dieser
Thiere sind noch empfindlicher gegen den erstarrenden
Einflufs der Kälte, und werden bei noch hohem
Graden der Temperatur lethargisch als die meisten
Säugthiere. In Paraguay fallen alle Vipern und in
dem wärmsten Theil von Louisiana die Crocodile bei
der dortigen geringen Winterkälte in einen Winterschlaf.
*) Bei uns begeben sich die mehresten überwinternden
Insecten und Schnecken schon lange vor
*) A za ra Voyages dans I’Amérique méridion. T. I. p. 333.
De Ia C o u d r en iè r e in L ieh ten b e rg ’s Magazin f. das Neueste
aus der Physik und Naturgeschichte. ß. 3. St. 1. S. 91.
dem Eintritt der Wiuterkälte in ihre Schlupfwinkel.
Selbst eine Art der kaltblütigen Thiere, die das Meer
bewohnet, worin doch kein grofser Wechsel der Temperatur
in den verschiedenen Jahreszeiten statt findet,
der Syngnathus Hippocampus soll, nach Rusconi ,
einen Winterschlaf halten. *)
Die Symptome dieses Schlafs sind bei den kaltblütigen
Thieren im Allgemeinen von ähnlicher Art
wie bei den warmblütigen. Doch giebt es auch bei
ihnen wie bei diesen darin Abänderungen. Die Crocodile
von Louisiana verliehren gleich alles Empfindungsvermögen,
sobald die Kälte eintritt. Sie sind
aber dann noch nicht gleich erstarrt. Ihr Fleisch bleibt
noch weich und ihre Pfoten sind noch biegsam. An
warmen Tagen erwachen sie zuweilen auf einige Zeit,
und bei gelinder Witterung liegen sie blos in einem
leichten Schlummer. Bei gröfserer Kälte aber sind sie
so unempfindlich, dafs man sie zerfleischen kann,
ohne dafs sie ein Lebenszeichen von sich geben.
Uebermäfsige Kälte tödtet sie.**) An erstarrten Fröschen
will G o e z e * ***) beobachtet haben, dafs das
Blut in den Adern weifs und durchsichtig ist, sich
aber beim Erwachen dieser Thiere aus dem Winterschlafe
allmählig wieder röthet. Von den winterschlafenden
Insecten können manche, besonders einige
Raupen, wenn sie einmal erstarrt sind, unbeschützt
einem hohen Grad der Kälte ausgesetzt seyn, ohne
*3 M e ck e l’ s Archiv für Physiol. B. 5. S. 368.
IP De la Coudreniere a. a. O.
***) Der Naturforscher. St. 30, S. 111.