Die höchste Stufe der Ausbildung für vielseitige
Feinheit des Gehörs erreichen die Hörwerkzeuge bei
den Säugthieren, und zwar dadurch: dafs der Hörkegel
der vorigen Thiere sich in ein schneckenförmiges Organ
verwandelt; die Verbindung des eiförmigen Fensters
mit dem Trommelfell durch eine Kette von Gehörknöchelchen
geschieht, die durch eigene Muskeln
bewegt werden, und der Schall seinen Zugang zum
Trommelfell durch ein äusseres Ohr hat.
Die Schnecke der Säugthiere enthält nicht, wie
der Hörkegel der Vögel, viele häutige Blätter, sondern
nur eine einzige Lamelle, die sich spiralförmig um
eine knöcherne Spindel windet. Die letztere ist hohl,
und durch sie geht der Nerve der Schnecke in dieselbe
ein, der auf dem Spiralblatt gröfsere und zahlreichere
Ramificationen als in dem Hörkegel der Vögel
bildet. Dieses Blatt ist auswendig häutig, inwendig
knöchern, und theilt die Höhlung der Schnecke in
einen untern und obern Gang, von welchen jener zum
runden Fenster, dieser zum häutigen Labyrinth führt.
Beide Gänge vereinigen sich an der Spitze der Schnecke
über einer kegelförmigen Höhlung, die von dem obern
Ende der Spindel und der obersten Windung des
Spiralblatts gebildet wird, und ein Ueberbleibsel der
Flasche des Hörkegels der Vögel ist. Das eiförmige
Fenster liegt am Vorhofe. Ein Druck auf die Haut
desselben drängt also das Wasser des Labyrinths erst
in den Vorhof, dann in die Botengänge und in den
obern Schneckengang, durch diesen in den untern Canal
der Schnecke und so gegen die Haut des runden Fensters.
Die Bogengänge sind bei den Säugthieren kürzer
als bei den Vögeln. Es giebt in der Bildung derselben
gewifs auch bei jenen, wie bei diesen, Verschiedenheiten
nach der Verschiedenheit der Familien, worüber
es aber noch an Beobachtungen fehlt. Dafs nicht ihre
Länge und Weite im Allgemeinen sich auf die Charactere
der verschiedenen Ordnungen beziehen, bew eisen Scar-
p a ’s *) Untersuchungen über das Verhältnifs jener
Theile zur Schnecke und der Weite des ovalen Fensters
zu der des runden bei mehrern Säugthieren, nach
welchen in Betreff desselben auf der einen Seite der
Hase, der Maulwurf und die Fledermaus, auf der
andern die Katze und der Hund, zwischen beiden das
Pferd, die Maus und der Igel, und in der Nähe der
Katze und des Hundes das Schwein und das Kalb
stehen, also verwandte Arten verschieden und verschiedene
verwandt sind.
Das eiförmige Fenster ist bei den Säugthieren mit
dem Trommelfell in der Regel durch drei Gehörknöchelchen
verbunden: den Steigbügel, Ambos und
Hammer. Ausnahmen machen auf der einen Seite der
Goldmaulwurf (Chrysochlorus capensis), der zwischen
dem Ambos und Hammer noch einen besondern, keulenförmigen
Knochen hat;**) auf der andern die Schnabel-
thiere (Ornithorynchus), die nur zwei Gehörknöchelchen
von ähnlicher Gestalt, wTie der Columella und dem Deckel
des eiförmigen Fensters der Vögel eigen ist, besitzen.***)
*>): De structura fenestrae rotundae etc. anat. obs. p. 94 sq. §. 9 sq.
Rudolphi’s Grundrifs der Physiol. B. 8. Abth. 1. S. 130.
***) Home, Philos. Transact. Y. 1808. p. 79. 355.