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Den Vögeln liegt für ihre Nachkommen eine
Sorge ob, deren die übrigen Thiere überhoben sind,
die des Brütens. Sie werden dazu durch einen eben
so mächtigen Trieb wie zur Begattung und zum Bau
des Nestes gezogen, während dessen Dauer sie sich
in einem fieberhaften Zustande befinden und ihre
Wärme, besonders am Bauche, erhöhet ist. Bei manchen
Arten tlieilt das Männchen denselben mit dem
Weibchen. Die Dauer des Brütens richtet sich bei
einer und derselben Art nach der Temperatur der
Luft. Bei den verschiedenen Arten steht sie mit der
Gröfse derselben in einem gewissen Verhältnifs. Die
kleinen Singvögel brüten 10 bis 14 Tage, die grofsen
Raub- und Wasservögel 3 bis 4 Wochen. Beim Straus
erstreckt sie sich auf 40 Tage. *) Ist die bestimmte
Zeit des Brütens verstrichen und das Junge im Ei
noch nicht entwickelt, so wird dasselbe meist von
dem Vogel als untauglich verlassen. Doch zuweilen
dauert der Trieb zum Brüten auch über diese Zeit
noch fort, und manche Vögel lassen ihn, wenn er
heftig ist und ihnen die Eier genommen sind, an
leblosen Körpern aus.**)
Die Säugthiere haben eigene Organe, die Brüste,
zur Absonderung und Ausleerung einer Flüssigkeit,
der Milch, womit das Junge nach der Geburt noch
eine Zeitlang ernährt wird. Diese hält in ihrer Mischung
das Mittel zwischen den vegetabilischen und
Man vgl. T ied em a n n ’s Anat. und Naturgesch. der Vögel.
B. 2. S. 137 fg.
F a b e r über das Leben d e r hochnordischen Vögel. H. 2. S. 211.
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animalischen Substanzen und ist dadurch sowohl für
die fleischfressenden als für die sich von Pflanzen
nährenden Säugthiere passend. Der einzige ihrer
nächsten Bestandtheile, der Stickstoff enthält, ist der
käsige. Die übrigen (Butte'r, Milchzucker und Milchsäure)
bestehen blos aus Sauer-, Wasser- und Kohlenstoff.
B e rth o lle t glaubte, aus einigen Versuchen
schliessen zu müssen, dafs auch der Käsestoff einen
weit geringem Gehalt an Stickstoff habe, als die
mehresten der übrigen thierischen Substanzen. *) Mit
dieser Meinung stimmen zwrar die Resultate der von
T h é n a rd und G a y -L u ssa c gemachten Analysen
dieses Stoffs**) nicht überein, nach welchen darin
noch etwas mehr Stickstoff als im Eiweifs und selbst
im Faserstoff befindlich ist. Allein der Käsestoff macht
nicht viel über ein Hunderttel der ganzen Masse der
Milch aus. Wenn er also auch reich an Stickstoff ist,
so bleibt doch die Quantität des letztem in der ganzen
Milch nur sehr gering, weit geringer als z. B. im
Blute, dessen sämmtliche Bestandtheile reich an Azote
sind.
Die absondernden Drüsen der Milch liegen an
der Brust, am Bauche oder an den Weichen. Ihre
Zahl richtet sich einigermaafsen nach der Zahl der I Jungen. Sie ist nie unter zwei, und nicht über vierzehn.
Das Junge nimmt selbstthätig, durch Saugen,
daraus die Milch auf, während die Drüsen der Brüste
Mém. de la Soc. d’Arcueil. T. I. p. 333.
**) Angeführt in B e r z e l iu s ’ s Lehrbuch der Thier-Chemie.
Uebersetzfc von Wöhle r. S. 572.
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