so darf man sie nicht für Leiter in dem Sinne an-
sehen, worin man von Leitern der Wärme und der
Electricität spricht. Wäre selbst ein ununterbrochener
Fortgang einzelner Markfasern vom Gehirn zu den
äussern Theilen dargethan, so liessen sich doch andere
Thatsachen mit der Annahme einer solchen Leitung
nicht reimen. Die beiden Enden eines durchschnittenen
Nerven vereinigen sich wieder bei einer
angemessenen Behandlung, und dieser erhält nach
einiger Zeit wieder das Vermögen, Muskelbewegungen
und Empfindungen zu erregen. Es ist nicht möglich,
dafs hier die Durchschnittsfläche jeder Markfaser sich
gerade der, womit sie vorher zusammenhing, wieder
anfiige.
Es verzweigen sich aber die Nerven nicht blos
in den Organen des bewufsten Lebens. Es bedürfen
auch andere Theile zur Fortdauer ihrer Thätigkeit
eines beständigen, vom Gehirn und Rückenmark ausgehenden
Nerveneinflusses. Der Muskel, der gelähmt
wird, wenn der Nerve desselben durchschnitten ist^
gehorcht auch den Befehlen des Willens nicht mehr,
wenn die Arterien dessofben unterbunden sind, und
diese Gefäfse sind ebenfalls allenthalben von Nervennetzen
umstrickt. Wird der Stamm der Nerven einer
Arterie durchschnitten, so hört das Blut darin für
einige Zeit auf zu fliessen. Das Ströhmen desselben
wird durch die Kraft des Herzens wieder hergestellt.
Dieses hört aber ebenfalls auf zu schlagen und die ganze
Blutmasse geräth in Stockung, wenn das Rückenmark
zerstöhrt wird. Der Blutumlauf kehrt zwar auf einige
Zeit beim Einblasen von Luft in die Lungen zurück,
und durch den aufgehobenen Einflufs des Rückenmarks
wird also zunächst mehr die Thätigkeit der
Werkzeuge des Athemhohlens als die der Blutgefäfse
aufgehoben. Bei den Fischen, wo jene Organe ihre
Nerven nicht vom Rückenmark, sondern vom verlängerten
Mark erhalten, hört deswegen sowohl die
Respiration als der Blutumlauf nach der Zerstöhrung
des Rückenmarks nicht gleich auf. Aber beide
Verrichtungen haben doch immer nur eine kurze Zeit
nach dieser Operation noch ihr Bestehen. Es mufs
also die eine durch die andere bedingt seyn, und
beide müssen unter dem Einflufs des Rückenmarks
stehen, nur das Athemhohlen in höherm Grade als
der Blutumlauf. Nach Durchschneidung des Rückenmarks
in einem der Lendenwirbel dauert der Blutumlauf
bei allen Thieren eine längere Zeit fort. Aber
nicht nur die willkührlichen, sondern auch die un-
willkührlichen Organe, die aus dem untern Theile
des Rückenmarks Nerven empfangen, verliehren nach
dieser Operation ihre Kraft, und bei den höhern Thieren
stockt darnach endlich auch der Blutumlauf.
Es zeigt sich auch eine Herrschaft der Nerven
über einzelne Theile des Systems der Blutgefäfse
bei der Schaamröthe, beim Anschwellen der Ge-
schlechtstheile, der Brustwarzen, des Kammes der
Hähne und bei andern Turgescenzen. Sie kann durch
eine unmittelbare Einwirkung der Nerven auf das Blut
geschehen. Nach der Durchschneidung des herum-
*) F lo u r e n s , Annales des Sciences natur. T. XVIII. p. 271.