
Gegenwärtig sendet die Regierung Rechtskundige als Alkalden in die
Philippinen, die etwas besser besoldet sind, und nicht Handel treiben dürfen.
Ueberhaupt ist die Regierung bemüht den Einfluss der Curas zu
mindern, den der Zivilbehörden zu vermehren, was ihr indessen nur sehr
unvollkommen gelingen wird, wenn sie nicht die Amtsdauer der Alkalden
verlängert und letztere so stellt, dass sie nicht in Versuchung kommen
Nebenverdienste zu machen. [57]
Ich finde in Huc*) eine Stelle über die Folgen des schnellen Beamtenwechsels
in China, die manche zu beherzigende Winke enthält:
. . . »Weil die Magistratur nicht mehr Personen anvertraut wird, die Freunde,
der Gerechtigkeit sind, sieht man dies ehemals so blühende und wohl regierte
Reich von Tag zu Tag verfallen und einer furchtbaren, vielleicht nahen Auflösung
entgegeneilen.
Wenn wir die Ursachen dieser allgemeinen Zersetzung, dieser Verderbniss
aufsuchen, die sichtlich alle Klassen der chinesischen Gesellschaft auflöst, so
glauben wir sie in einer wichtigen Abänderung des alten Regierungssystems zu
finden, welche die Mantschu-Dynastie eingefiihrt hat. Es wurde bestimmt, dass
kein Mandarin sein Amt länger als drei Jahre an demselben Ort ausüben dürfe,
und dass Niemand in seiner eigenen Provinz Beamter sein könne. Man erräth
leicht den Gedanken, der ein solches Gesetz ersann. Sobald die Mantschu-Tar-
taren sahen, dass sie Herren des Reichs waren, erschraken sie über ihre geringe
Zahl, die in dieser unzähligen Menge von Chinesen wie verloren war . . . Das
Ansehn, welches die hohen Beamten in den Provinzen genossen, konnte ihnen
grossen Einfluss geben um das Volk aufzureizen . . .
Die Magistratspersonen, die nur einige Jahre auf demselben Posten verbleiben
dürfen, leben darin wie Fremde, ohne sich um die Bedürfnisse der von
ihnen regierten Bevölkerung zu kümmern, kein einziges Band verknüpft sie mit
derselben, ihre ganze Sorge besteht darin, so viel Geld als möglich zusammen
zu schlagen, um später an einem ändern Orte dasselbe Geschäft von neuem zu
beginnen, bis sie endlich in ihre Heimat zurückkehren und ein Vermögen gemessen
können, das sie nach und nach in den verschiedenen Provinzen erpresst
haben . . . Sie sind ja nur Vorübergehende — was schadet es? morgen ziehen
sie an das andre Ende des Reichs, wo sie das Schreien der von ihnen geplünderten
Opfer nicht mehr hören. . . So sind die Mandarinen selbstsüchtig und
gegen das Gemeinwohl gleichgültig geworden. Der Urgrundsatz der Monarchie
ist vernichtet, denn der Magistrat ist nicht mehr ein Familienvater, der inmitten
seiner Kinder lebt, sondern ein Marodör, der ankommt, ohne dass man weiss
woher, und wieder abzieht, niemand weiss wohin? Daher stockt alles . . . man
sieht nicht mehr, wie ehedem, jene grossen Unternehmungen . . Heut wird nicht
nur nichts Aehnliches ausgeführt, man lässt die Werke früherer Dynastien gänzlich
*) Chine I, 360.
57) Die Alkaldien zerfallen in 3 Rangstufen: entrada, ascenso, termino. (R. O. 31 März 1837
Tit. I, 1.) In jeder dient der Alkade 3 Jahre. (Tit. n , Art. 11, 12, i j ) Niemand darf unter
irgend einem Vorwand in der Magistratur der Provinzen von Asien länger als 10 Jahre dienen.
(Art. 16.)
verfallen . . . Der vorübergehende Mandarin sagt sich: Wozu soll ich unternehmen
was ich doch nicht vollenden kann ? warum sollte ich säen, damit ein
Andrer ernte? . . . Die Mandarinen sind niemals mit den Angelegenheiten der
Oertlichkeit vertraut. Am häufigsten sehn sie sich plötzlich inmitten einer Bevölkerung
versetzt, deren Sprache sie nicht verstehn. Wenn die Mandarine in
ihrem Mandarinat ankommen, so finden sie dort fest angesessene Dolmetscher
vor, subalterne Beamte, die, weil sie mit den Angelegenheiten der Oertlichkeit
vertraut sind, ihre Dienste unentbehrlich zu machen wissen; sie sind im Grunde
die eigentlichen Verwalter. «
In den Philippinen is t . letzteres Amt unentbehrlich, da der Alkalde
nie die Landessprache versteht; zum Glück für Spanien muss es in wichtigen
Angelegenheiten der eingeborene Schreiber meist mit dem Cura
theilen, der in vielen Fällen die eigentliche Behörde ist. E r kennt den
Charakter der Insassen, und alle ihre Angelegenheiten, wobei ihm der
intime Verkehr mit den Frauen sehr zu Statten kommt. Wie mir 1867
ein höher Beamter in Madrid mittheilte, lag damals dem Minister ein
Antrag zur Erwägung v o r , wodurch die Beschränkung der Amtsdauer
auf drei Jahre aufgehoben werden sollte. [58] Die ihr zu Grunde liegende
Furcht, dass der Beamte in einer entfernten Provinz zu mächtig, sein
Einfluss dem Mutterlande gefährlich werden könne, passt nicht mehr
in die heutigen Verhältnisse. Die Verkehrserleichterungen haben die frühere
Abgeschlossenheit der fernen Provinzen aufgehoben. Die neuen Zollgesetze,
die wachsende Nachfrage nach Kolonialprodukten, das den Fremden
gewährte Niederlassungsrecht müssen eine bedeutende Steigerung des
Landbaus, des Handels und einen entsprechenden Zuzug von Weissen
und Chinesen zur Folge haben. Dann wird an Stelle jener Bedenken die
Nothwendigkeit treten, das Ansehn und den Einfluss der Beamten zu heben,
durch Verminderung ihrer Z ah l, sorgfältige Wahl der Personen, Beförderung
nach Fähigkeit und Leistung, angemessene Besoldung und langen
Verbleib in einer Stelle. Voraussichtlich werden besonders die Beziehungen
mit Californien und Australien lebhaft werden. Au s diesen freien Ländern
werden freie Ideen eindringen. Der Wohlstand der Mestizen wird
beträchtlich zunehmen, um so ungeduldiger werden sie die wirkliche oder
eingebildete Zurücksetzung der Regierung, den Hochmuth ungebildeter
Spanier ertragen. Dann wird das Mutterland ernstlich zu erwägen haben,
58) Das Gesetz rührt aus der frühesten Zeit der Kolonisation Amerika’s her, daneben bestanden
noch eine Anzahl argwöhnischer Vorkehrungen, um zu verhindern, dass die höheren
Beamten in ein freundschaftliches Verhältniss zu den Kolonisten träten. Weder sie noch ihre
Söhne durften in der Kolonie heirathen, liegende Gründe erwerben etc. vergl. Kottenkamp
l , 5°9-