SIEBENUNDZWANZIGSTES KAPITEL
KURZER ABRISS DER GESCHICHTE. — SCHLUSSBETRACHTUNGEN.
T ^ V e Philippinen wurden von Magellan am 16. März 1521, dem S. La zarus
Tage entdeckt,!164] aber erst 1564, nachdem mehrere frühere
Versuche fehlgeschlagen, gelang es Legaspi, der mit fünf Schiffen von Neu-
Spanien auslief, den Archipel für Philipp II. in Besitz zu nehmen. Der
Entdecker hatte die Inseln nach dem heiligen Lazarus getauft, dieser Name
wurde indessen nicht gebräuchlich; die Spanier nannten sie hartnäckig die
westlichen, i s l a s d e l p o n i e n t e (s. S . 2), die Portugiesen i s l a s del
Or ient e ; Legaspi gab ihnen ihren gegenwärtigen Namen zu Ehren Philipps
II., der ihnen seinerseits den später wieder verschollenen Titel Neu-
Castilien beilegte.[165] Zunächst nahm Legaspi Cebu, dann Panay in Besitz,
erst sechs Jahre später (157!) eroberte er Manila, damals ein von Palissa-
den umgebenes D o r f und begann sofort den Bau einer befestigten Stadt.
Die Unterwerfung der übrigen Gebiete geschah so schnell, dass sie bei L e -
gaspis T od e (Aug. 1572) im Wesentlichen vollendet war. Zahlreiche wilde
Stämme im Innern, die Muhamedaner-Staaten Mindanaos und der S u -
lugruppe haben bis heut ihre Unabhängigkeit bewahrt. Der Charakter
der Bevölkerung sowohl als ihre politischen Einrichtungen begünstigten die
Besitznahme. Es gab kein mächtiges Reich, keine alte Dynastie, keine
einflussreiche Priesterkaste zu überwältigen, keine nationalstolzen Ueber-
lieferungen zu unterdrücken. Die Eingeborenen waren Heiden oder seit
Kurzem oberflächlich zum Islam bekehrt und lebten unter vielen kleinen
Häuptlingen, die mit grösser Willkür herrschten, einander befehdeten und
164) Ara 27. April fiel Magellan, von einem vergifteten Pfeil getroffen, auf der kleinen Insel
Mactan, vor dem Hafen von Cebu. Sein Lieutenant Sebastian -de Elcano umschiffte das
Kap der guten Hoffnung, brachte am 6. September 1522 eines der fünf Schiffe, mit denen
Magellan 1519 aus San Lucar ausgelaufen, und 18 Mann, darunter Pigafetta, nach demselben
Hafen zurück und vollendete so die erste Weltreise, in 3 Jahren weniger 14 Tagen.
165) Morga f. 5. Nach späteren Schriftstellern sollen sie schon von Villalobos 1543
also benannt worden sein.
leicht überwunden wurden. Eine solche Gemeinschaft hiess B a r a n g a y ,
sie bildet noch h eu t, wenn auch in sehr veränderter Form, die Grundlage
der Gemeindeverfassung.
Die Spanier beschränkten die Gewalt der eingeborenen Häuptlinge,
hoben die Sklaverei auf und verwandelten den Erbadel in einen Dienstadel;
sie führten aber alle diese Veränderungen mit Vorsicht, sehr allmälig aus.[166]
Die alten Gebräuche sofern sie nicht gegen das natürliche Recht verstiessen,
blieben zunächst bestehn und hatten bei Prozessen Gesetzeskraft; in Kriminalsachen
galt spanisches Recht. Heut haben die Cabezas de Barangay
ausser dem Titel Don und der Befreiung von. Kopfsteuer und Frohnden
keine Vorrechte; sie sind, abgesehn von Ausnahmen, zu unbesoldeten,
aber mit ihrem Privätvermögen haftbaren Steuereinnehmern geworden, —
eine Maasregel, deren Klugheit bezweifelt werden m a g ; denn abgesehn davon,
dass sie die Häuptlinge zu Unterschleifen und Erpressungen verleitet,
entfremdet sie der Regierung eine Klasse von Eingeborenen, die eine Stütze
ihrer Macht sein könnte.
166) Nach Morga (f. 140 v.) gab es in jenen Inseln weder Könige noch Herren, sondern in
jeder Insel und Provinz viele Vornehme, deren Anhänger und Unterthanen m Quartiere ;Bar-
rios) und Familien eingetheilt waren. Solchen Häuptlingen wurden Abgaben von der Ernte
(Buiz) und Frohnden geleistet, ihre Verwandten aber waren von den Leistungen der Plebejer
(Timauas) befreit. Die Häuptlingschaften waren erblich, der Adel ging auch auf die Frauen
über. Zeichnete sich ein Häuptling besonders aus, so folgten ihm die Uebrigen, behielten
aber die Herrschaft über ihre durch besondere Beamte verwaltete B a r a n g a y s .
Ueber das unter den Eingeborenen bestehende System, der Sklaverei berichtet Morga
(f_ , 4 I_' abgekürzt): Die Bewohner dieser Inseln zerfallen in drei Klassen: Adelige, Timauas
oder Plebejer, und Sklaven der Adeligen und der Timauas. Es giebt verschiedene Arten von
Sklaven, einige in ganzer Sklaverei (Saguiguilires); sie dienen im Hause, ihre Kinder des-
gleichen. Andre bewohnen mit ihren Familien eigene Häuser und leisten ihrem Herrn Dienste
zur Saat- und -Erntezeit, auch als Ruderknechte und beim Hausbau etc. Sie müssen kommen
so oft sie gerufen werden, und diese Dienste leisten ohne Bezahlung oder Entschädigung, sie
heissen Namamahayes, ihre Verpflichtungen gehn auf ihre Nachkommen über. Von diesen
Saguiguilires und Namamahayes sind einige Vollsklaven, andre Halbsklaven und andere
Viertelsklaven.
Wenn nämlich der Vater oder die Mutter frei war, so wird der einzige Sohn halb frei und
halb Sklave; bei mehreren Söhnen erbt der erste den Stand des Vaters, der zweite den der
Mutter, bei unpaarigen Kindern, ist das letzte halb frei und halb Sklave; die Nachkommen
solcher Halbsklaven mit einem oder einer Freien sind Viertelsklaven. Die Halbsklaven,
gleichviel ob Saguiguilires oder Namamahayes, dienen ihrem Herrn einen um den ändern Monat.
Halb- und -Viertelsklaven können auf Grund des freien Theiles, der in ihnen ist, ihren
Herrn zwingen sie für einen festgesetzten Preis frei zu lassen. Vollsklaven haben dieses Recht
nicht. Ein Namamahaya gilt halb so viel als ein Saguiguilir. Alle Sklaven sind Eingeborene.
f. 143 v . : Eine Sklavin, die von ihrem Herrn Kinder hatte, wurde dadurch frei sammt diesen
Kindern. Letztere galten aber nicht für wohlgeboren, nahmen nicht an der. Erbschaft
Theil, auch die Vorrechte des Adels, falls der Vater diesem Stande angehörte, gingen nicht auf
sie über.