Nach den Mittheilungen des Hrn. S c h e t e l i g stammt der grössere Theil
seiner Schädel, nämlich 5, von Kirchhöfen. Er bemerkt in seinem Briefe, dass
man dort in den spanischen Ländern die Sitte habe, die Gräber alle 3 Jahre zu
leeren, falls nicht die erforderliche Zahl von Seelenmessen gelesen oder die
Kirchhofsteuer jährlich entrichtet werde. Wie es scheint, häuft man dann die
Schädel auf, wie es auch in manchen katholischen Ländern Europas geschieht.
Dann unterliegen sie natürlich manchen atmosphärischen Einflüssen. Hr.
S c h e t e l i g verweist auf diese wegen der Verschiedenheit in dem äusseren Verhalten
der Schädel. Ich hatte namentlich die Frage aufgeworfen, ob nicht einer
dieser Schädel, der äusserlich mit einer weissen, hier und da grünlicher} Incru-
station überzogen ist, gleichfalls aus der Kalkschicht einer Höhle stamme ; er hat
es aber in Abrede gestellt. Vier Schädel sind von ihm im Mai 1867 in Tabaco
(Provinz Albay, Luzon) gesammelt; nach seiner Angabe sind es ganz bestimmt
Bicol-Schädel. Darunter ist ein jugendlicher, wahrscheinlich weiblicher, mit
noch nicht hervorgetretenen Weisheitszähnen und noch offener Synchondrosis
spheno-occipitalis. Ein anderer Schädel, mit einer gut erhaltenen Sutura frontalis,
scheint einem erwachsenen Weibe angehört zu haben. (Es ist der oben erwähnte
incrustirte.) Der fünfte (April 1867) stammt ebenfalls von einem Kirchhofe und
zwar aus Tibi, einem Orte in der Nähe von Tabaco; Hr. S c h e t e l i g erklärt ihn
auch für einen Bicol-Schädel. Sodann finden sich zwei, an der Oberfläche stark
veränderte, sehr leichte und vielfach verletzte Schädel, welche als Cimarronen-
Schädel*) bezeichnet sind, aus der Nähe von Albay; auch sie stammen aus der
Erde. Hr. S c h e t e l i g schreibt sie einer Mischlingsrace von Negritos und Bicols
zu. Endlich der letzte Schädel ist derjenige, welcher das grösste Interesse beansprucht.
insofern er einem Negrito-Häuptling angehört haben soll. Dazu ist
auch das in seinen Haupttheilen erhaltene Skelet vorhanden.
In seinem Vortrage vom 15. Januar hatte Hr. J a g ö r erwähnt, dass im
Innern und an der Nordostküste der Insel Luzon noch ein schwarzer Menschenstamm
von kleiner Statur und mit krausem Haar existirt, der ganz verschieden von
den Küsten Völkern ist, von denen wiederum verschiedene Stämme fTagalen,
Bicols, Bisayos u. s. w.) unterschieden werden. Die ethnologische Stellung je ner
sogenannten Negritos war bis jetzt völlig dunkel geblieben. Gewöhnlich hat
man sie den Papuas zugerechnet. In diesem Sinne hätte sich auch Hr. S empe
r ,Die Philippinen und ihre Bewohner. Würzb. 1869. S. 48) ausgesprochen,
indem er zugleich, eine eingehende Schilderung von ihnen entwarf. Seine Angaben
sowohl, als die in unserer Gesellschaft gemachten Mittheilungen haben
Hrn. B a r n a r d Da v i s Veranlassung gegeben, in dem Journal of Anthropology
(Lond. 1870, Oct.. p. 139) eine kritische Besprechung über die Negrito-Frage
zu veranstalten. Er betont darin mit Recht, dass alle früheren Angaben über
diese Rasse willkürlich gewesen seien, weil man sich nur auf Aeusserlichkeiten
eingelassen habe und daraus allerlei verwandtschafüiche Verhältnisse mit anderen
ostasiatischen und australischen Völkern hergeleitet habe. Er macht auch mir,
und wohl mit Recht, den Vorwurf, dass ich mich von diesem Vorurtheile habe
leiten lassen; ich muss wenigstens anerkennen, dass nach dem, was er selbst
über Negrito-Schädel von Luzon berichtet, und nach dem, was die von Hrn.
S c h e t e l i g mitgebrachten Schädel ergeben, keine Beziehung zwischen den
Schwarzen der Philippinen und denen Melanesiens und Australiens aufrecht er-
*) Der eine trägt die Inschrift Semarrona llamada Omang. der andere Semarron llamado
Baringeag (?).
halten werden kann. Ihre Schädel sind ganz verschieden von einander, und,
wenn sie als massgebend angesehen werden dürfen, so kann auf sonstige verwandt
schaftliche Verhältnisse kein Werth mehr gelegt werden. ,
Diese Frage hat aber ein überaus grosses wissenschaftliches Interesse, da
nach den bisherigen Vorstellungen es in der That nahe lag wie auch Hr.
S emp e r angenommen hat, in den Negritos das Urvolk der Insel zu sehen
welches sich im Innern der Gebirge noch erhalten habe, nachdem es durch eme
spätere Einwanderung von den Küsten mehr und mehr zuruckgedrangt sei. Er
innert man sich, dass auf den benachbarten Inseln anthropoide Affen Vorkommen
die in ganz ähnlicher Weise in die Gebirge zuruckgedrangt sind so kann sich
leicht der Gedanke daran schliessen, dass im Sinne der Descendenztheone gerade
hier eine Uebergangs-Rasse construirt werden dürfe. Allem schon Hr. J ag o r
hat sein Bedenken über jene Auffassung der Negntos ausgedruckt, undlJr.D a v is
schliesst aus den von mir gegebenen Beschreibungen der Hoh en-Schadel dass
eben so viel Grund vorhanden sei, gewisse weisse Stämme welche sich von der
malaischen Rasse unterschieden, mindestens neben den Negntos als autochthon
anzunehmen. . i o „ n r ^ r -
Es scheint mir, dass dies zu weit gegangen ist. Nachdem Hr. J a g o r dar
gethan hat, ein wie weiter Seeverkehr von Alters her zwischen den^sdgruppen
stattgefunden hat, welcher mit den gebrechlichsten Fahrzeugen b ew e r te te^
wurde, so wird man sich dem Gedanken F ö r s t e r s mcht verschliessen können
dass die Wahrscheinlichkeit eines Zurückdrängens der Urbevölkerung in che
Gebirge durch eine eingewanderte Küstenbevölkerung nahe liegt. Mag man
immerhin zwei Aboriginer-Stämme annehmen, so kann dies doch zunächst nur
soviel heissen. dass das Küstenvolk schon vor sehr langer Zeit emgewandert ist
und dass im h i s t o r i s c h e n Sinne beide als Urbevölkerung gelten müssen. Ich
will jedoch zugestehen, dass dies lauter Wahrscheinhchkeitsrechnungen sind,
denen man, ehe man nicht genauere Kenntniss über die Einzelheiten hat, kernen
zu grossen Werth beilegen darf. „ . . . , p . n„ .
Hr. D a v i s hat in seiner Besprechung einen Negnto-Schadel von Panay
auf Luzon abbilden lassen, und er erwähnt, dass er ausserdem noch zwei andere
besitze. Er findet, was übrigens schon d Oma l iu s d H a l l o y (Des races
humaines ou éléments d’ethnographie. Brux. 1869. p. 103.) angenommen a e,
am meisten Uebereinstimmung mit den Schädeln der Andamanen - Insulaner,
jedoch auch Verschiedenheiten genug, um beide Rassen von einander zu trennen.
Seiner Abbildung nach zu urtheilen, hat der von Hrn. S c h e t e l i g mitgebrachte
Schädel in seinem Kopftheile manche Aehnlichkeit mit dem von Hrn. Dav is
erwähnten, aber die Gesichtsbildung erscheint ziemlich verschieden. Der letztere
hat einen starken Unterkiefer und ist sehr bedeutend prognath ; der erstere zeigt,
trotz einer gewissen Verletzung am Oberkiefer, das Gegentheü.
Hier kommt nun freilich die schwierige Frage nach der Reinheit der Race
in Betracht Hr. Dr. S c h e t e l i g theilt mir mit : »Ich habe das Skelet dieses mir
von seinem Stamme verkauften Häuptlings eigenhändig am Abhange des malerischen
ausgestorbenen Vulkans von Buhi, des Arituktuk*) ausgegraben. Der
Stamm ist, wie die meisten der sogenannten Negntostämme, nicht mehr rem
*) Die von Hm. Ja g o r geäusserte Meinung, dass dieser Berg identisch mit dem Vulkan
Yriga sein müsse, der in der Provinz Camarines auf Luzon am See Bugi oder Buhi hegt, ist
später von Hm. S c h e t e l i g bestätigt worden. In einem früheren Briefe nennt Hr. S ch e t e -