
DRITTES KAPITEL
MANILA. — LEBEN IN DER STADT UND IN DEN VORSTÄDTEN. — HAHNENKÄMPFE.
— TRACHTEN DER VERSCHIEDENEN KLASSEN.
Die eigentliche Stadt Manila i hauptsächlich von Spaniern, Kreolen und
zu ihnen in unmittelbarer Beziehung stehenden Einheimischen und
Chinesen bewohnt, [22] liegt, von Mauern und breiten Gräben umschlossen,
am linken, südlichen Ufer des Päsig, eine Seite dem Meere zukehrend; ein
heisser, öder O r t , voll K lö s te r , S tifter, K a sernen, Regierungsgebäude.
Rücksicht auf Sicherheit, nicht auf Annehmlichkeit, war bei der Gründung
maassgebend. Manila erinnert an spanische Provinzialstädte und ist nach
Goa die älteste Stadt in Indien. Die P'remden wohnen auf der Nordseite
des Flusses, inBinöndo, dem1 Sitz des G ro s s -u n d Kleinhandels, oder in
den freundlichen angrenzenden Dörfern, die ein zusammenhängendes Ganze
bilden. Die Gesammtbevölkerung wird, wohl mit Uebertreibung, auf
200,000 geschätzt. Eine hübsche, alte, steinerne Brücke von zehn Bogen,
22) 1855: 586 Spanier aus Europa, 1378 Kreolen, 6323 Indier und Mestizen, 332 Chinesen,
2 Hamburger, 1 Portugiese, 1 Afrikaner. (Com. centr. de Estadistica. Heft I.)
in neuer Zeit auch eine eiserne Hängebrücke, verbinden die beiden Ufer
des Flusses. [2S]
Zwischen den Bewohnern von Manila und Binöndo findet sehr
wenig Verkehr statt. Das Leben in der eigentlichen Stadt soll nicht angenehm
sein: Stolz, Neid, Stellenjägerei, Kastenhass sind an der T agesordnung
; die Spanier halten sich für besser als ihre K reo len , welche wiederum
jenen vorwerfen, dass sie nur in die Kolonie kommen, um sich satt
zu essen, ebenso herrscht Hass und Neid zwischen Weissen und Mestizen.
Aehnliche Verhältnisse bestehn zwar in allen spanischen Kolonien und
liegen im Wesen der spanischen Kolonialpolitik, die immer bestrebt war,
die verschiedenen Rassen uud Stände feindlich zu trennen, aus Furcht, dass
ihr Bündniss die Herrschaft des fernen Mutterlandes gefährde.*)
In Manila aber werden diese Zustände durch den Umstand gesteigert,
dass die Klasse der durch grossen Grundbesitz an das Land gefesselten
Pflanzer bisher fast gänzlich fehlte. Erst jetzt scheint die steigende Nachfrage
nach den Landesprodukten allmälig einen erfreulichen Umschwung
in dieser Beziehung herbeizuführen. Wie aber der einem Glücksspiel vergleichbare
Naohandel, früher die einzige Quelle des Reichthums, auf die
spanische Bevölkerung wirkte, schildert treffend Murillo Velarde (p. 272) :
»Die Spanier, die hierher kommen, betrachten diese Inseln nicht wie
eine Heimath, sondern wie ein Wirthshaus. Heirathen sie, so geschieht
es zufällig; wo giebt es eine Familie, die Generationen überdauerte? . .
Der Vater sammelt Sch ätze, der Sohn vergeudet, der Enkel bettelt. Die
grössten Kapitalien sind nicht beständiger als die Wog en des Meeres,
auf denen sie sich gründen.«
Auch unter "den Ausländern in Binöndo herrscht durchaus nicht so
viel Geselligkeit als in englischen oder holländischen Kolonien, und fast
kein Umgang mit den Spaniern, welche die Fremden beneiden und deren
im Lande gemachten Erwerb fast wie einen an ihnen,- den Eigenthümern,
begangenen Raub betrachten. Dabei ist das Leben sehr theuer, theurer
als in Singapore und Batavia. Bei Vielen scheinen die Ausgaben in
grossem Missverhältniss zu ihrem amtlichen Gehalt zu stehn.
Die zum Theil sehr geräumigen Häuser sind düster und hässlich,
mit Rücksicht auf das Klima schlecht ventilirt; statt luftiger Jalousien
schwere Schiebefenster, welche das Licht nicht durch Glas, sondern durch
*) Vergl. Roscher’s Kolonien.'
23) Das Erdbeben von 1863 zerstörte die alte Brücke, sie wird jetzt wieder hergestellt;
die Pfeiler sind vollendet, das eiserne Gerüst soll demnächst aus Europa eintreffen (April 1872).