
Frontalansichten der Bisayerinnen leicht wieder; dazu kommt die charakteristische
Bildung der Stirn- und Nasengegend, die von der kaukasischen gänzlich verschieden
ist, insofern die stärkste Wölbung der Stim gerade da liegt, wo bei
uns eine flache Vertiefung (Glabella) besteht; endlich sind die ungewöhnliche
Niedrigkeit der Nase und der stark prognathe Zustand der Kiefer überall deutlich
zu erkennen. Wenn man die Profile mit einander vergleicht, so ist so viel Aehn-
lichkeit vorhanden, wie man überhaupt zwischen einem Schädel und einem lebendigen
Gesichte nur erwarten kann.
Auch diese Schädel besitzen eine ungewöhnliche Breite ; sie haben im Mittel
gerechnet einen Breitenindex von 83,3 bei einer Höhe von 76,5, ein nach den
Messungen von Da v i s und S c h e t e l i g auch bei Bisayos-Schädeln gefundenes
Verhältniss, welches sonst noch von keiner ändern hinterasiatischen Bevölkerung
bekannt ist. Noch weniger findet es sich bei der Bevölkerung der polynesischen
Inseln; in Australien, Neukaledonien, Neuseeland, Tahiti treten ganz andere
Stammeseigenthümlichkeiten hervor, so dass dieser Theil der Bevölkerung der
Philippinen als ein ganz eigenthümlicher und charakteristischer erscheint. Ich
bemerke zu ihrer Charakteristik noch, dass sie eine Höhlung von durchschnittlich
1282 Cub.-Cm. Inhalt besitzen, dass der Breitenhöhenindex ihrer Orbitae 94,7,
der Höhenbreitenindex ihrer Nasen 41,3 und der Breitenhöhenindex ihrer Schädel
überhaupt 91,7 beträgt. Auch ist erwähnenswerth, dass weder an diesen
Schädeln, noch an den übrigen etwas von künstlicher Feilung der Zähne zu bemerken
ist, die doch sonst bei Malaien so häufig vorkommt und die auch auf den
Philippinen von T h e v e n o t noch erwähnt wird. Nur an einzelnen zeigen die
Zähne die Betelfarbung.
Ich verzichte auf die weiteren Details der Schädelfrage; ich will nur noch
auf ein besonders wichtiges Verhältniss hinweisen. Wenn es sich feststellen lassen
sollte , dass innerhalb des Gebietes der malaischen Rasse eine in so eminentem
Grade brachycephalische Bevölkerung an einer verhältnissmässig gut gegen fremde
Einwanderung geschützten Stelle sich lange erhalten hat, während nicht bloss
auf den benachbarten Inseln Bomeo, Java, Sumatra) eine sich mehr den Do-
lichocephalen annähernde Bevölkerung vorkommt, sondern auch dicht daneben
im Innern von Luzon noch jetzt nicht civilisirte, dolichocephalische Stämme leben,
wie der beschriebene Cimarronen-Schädel zu beweisen scheint, so würde
man anerkennen müssen, dass in einer und derselben Rasse die äussersten
Schwankungen der Schädelformen Vorkommen, und es würde damit ein sehr erheblicher
Einwand gegeben sein gegen die Bemühungen, ganzen Rassen durch
die Aufstellung der Breitenindices ihre Stelle anzuweisen; es würde vielmehr auf
das Unzweideutigste dargethan sein, dass nur durch eine grössere Menge von
Vergleichungszahlen die ethnologische Position eines Schädels gefunden werden
kann.
Es sind endlich noch zwei Schädel zu erwähnen, welche von den bisher besprochenen
wesentlich verschieden sind. Der eine ist in der zweiten Höhle von
Nipa-Nipa immittelbar bei einem Holzsarge gefunden worden, weichten Herr
J a g o r mitgebracht h a t, und in welchem noch ein zum Theil mit mumificirten
Resten von Weichtheilen und Fetzen zerfallender Bekleidung bedecktes, jedoch
schädelloses Skelet liegt*). Dieser Schädel zeichnet sich durch eine grössere
Längenentwicklung aus, aber nichtsdestoweniger beträgt sein Breitenindex 80,2
(bei einem Höhenindex von 76); er schliesst sich auch sonst in vielfacher Be*)
Schädel und Skelet gehören jedoch offenbar nicht zusammen.
ziehung, namentlich wegen seiner beträchtlichen Capacität von i 45° Cub.-Cm.,
der zuerst besprochenen Gruppe an. Der andere Schädel ist ungewöhnlich klein,
seine Capacität beträgt nur 1160 Cub.-Cm. Er ist nebst anderen Knochen in
'einem Walde auf Samar, 1 Legua landeinwärts vonBorangan, ausgegraben worden
und von unbekannter Abkunft. Manches trennt ihn in seiner Entwicklung
von den anderen Schädeln, aber auch sein Breitenindex beträgt 79,3 bei einem
Höhenindex von 75,7.
Diese ziemlich grosse Reihe untereinander verschiedener Schädel hat jedoch,
von dem Cimarronen abgesehen, in sich eine nähere Beziehung, als sie
zu irgend einer der benachbarten Rassen hat, und wenngleich die einzelnen
Gruppen wieder so viele Differenzen haben, dass ich wohl geneigt b in , anzunehmen.
dass die Stämme, von welchen sie stammen, unter sehr verschiedenen
Verhältnissen gelebt haben müssen, so wird man doch nicht umhin können,
sie einer grösseren Familie zuzurechnen. Von den beiden Hauptgruppen der
Höhlenschädel kann man sagen, dass die aus der zweiten Nipa-Nipa -Höhle,
welche durchweg geringere Dimensionen haben, den Eindruck einer zarteren,
sesshaften und mehr civilisirten Bevölkerung machen, während an den Schädeln
aus der ersten Nipa-Nipa— und denen aus der Lanang—Höhle sich eine grosse
Energie, eine gewisse Massenhaftigkeit und Kräftigkeit der Entwicklung zeigt,
welche einem mehr wilden Volke anzugehören scheint.
Was die Grössenverhältnisse betrifft, so zeigt der erste Blick, dass die Schädel
der letzteren Gruppe bei ihrer grossen Breite auch eine relativ grosse Höhe
haben. Auch die künstliche Verunstaltung hebt dies Verhältniss nicht ganz auf,
denn selbst der am stärksten abgeplattete Schädel hat bei einem Breitenindex
von 94,8 noch immer einen Höhenindex von 80. Dies begründet einen wesentlichen
Unterschied von den Chinook-Schädeln. Mit dieser Grösse hängt zusammen
die beträchtliche Capacität der Philippinen-Flachköpfe. Die m der
That makrocephalen Schädel von Lanang besitzen eine durchschnittliche Capacität
von 1510 Cub.-Cm., die aus der ersten Höhle von Nipa-Nipa von 1380,
während die mehr runden Schädel aus der zweiten Höhle von Nipa-Nipa, wie
erwähnt, im Durchschnitt nur 1282 Cub.-Cm. fassen. Es sind dies Grössen-
Differenzen, deren Bedeutung nicht unterschätzt werden darf.
Ich will für diesmal nicht genauer darauf eingehen, inwiefern die künstlichen
Veränderungen des Schädels einen Einfluss auf das Gehirn haben. Ganz kurz
erwähne ich, dass derselbe Herr G o s s e , welcher die schon erwähnte Monographie
geschrieben hat, die Meinung vertritt, welche sich hauptsächlich auf
tahitische Tradition stützt, dass es möglich sei, durch die Gestaltung des Schädels
den psychischen Eigenschaften eines Individuums eine ganz bestimmte
Richtung zu geben. Es wird nämlich erzählt, dass man auf Tahiti zwei Arten
von Deformation des Schädels erzeugt habe; den Kriegern habe man die Stim
eingedrückt, dagegen, wie sich ein Redner in der anthropologischen Gesellschaft
zu Paris ausdrückte, den Senatoren das Hinterhaupt. Herr G o s s e erklärt dies
so, dass man beabsichtigt habe, bei den Kriegern die energischen Eigenschaften
des hinteren, bei den Staatsmännern die mehr intellektuellen Eigenschaften des
vorderen Abschnitts des Gehirns ganz besonders zur Ausbildung zu bringen, und
er ist ernsthaft der Meinung, dass dieser Versuch als Muster für moderne Pädagogik
empfehlenswerth sei. Ich kann dieser Ansicht nicht beistimmen, insofern
die Erfahrung ergiebt, dass auch das Gehirn so gut wie der Schädel dislocirt
werden kann, dass also das Vorderhim sich zurückschiebt, wenn die Stim zurückgedrängt
wird, und ebenso die hinteren Theile des Gehirns sich vorschieben