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 gilt,  bildet  einen  wesentlichen  Punkt  in  ihrer  Erziehung.  Daher  
 richten  sich  die Holländer  im  Verkehr  mit  den  Eingeborenen,  wie  sehr  
 sie  diese  auch  ausbeuten,  streng  nach  den  Regeln  des  herkömmlichen  
 »Adat«   (alter  Brauch),  verletzen  nicht  das  Ehrgefühl  des  Inländers  und  
 geben  sich  auch  im  Umgang  mit  einander  nicht  leicht  eine  Blösse  vor  
 jenem,  für  den  sie  ein  verschlossenes  Buch  bleiben. 
 In  den  Philippinen  ist  es  umgekehrt.  Mit  Ausnahme  derjenigen  
 Beamten,  denen  das  Gesetz  oder  die  bei  jedem  spanischen  Ministerwechsel  
 zum  Durchbruch  kommende  Aemtergier nur  einen  beschränkten  
 Aufenhalt  gestattet,  kehren  wenige  Spanier,  die  einmal  die Kolonie  betreten, 
   in  ihr  Vaterland  heim;  die  Geistlichen  dürfen  nicht,  die  meisten  
 der  übrigen  können  nicht  zurück;  ein  nicht  unbeträchtlicher  T h  eil  b esteht  
 aus  Subalternen,  Soldaten  und  Seeleuten,  politischen  Verbrechern  
 und  politisch  Unbequemen,  deren  sich  das  Mutterland  entledigt,  auch  
 nicht  selten  aus Abenteurern,  denen  die Mittel  zur Rückkehr  fehlen  und  
 wohl  eben  so  sehr  die  L u s t ;  denn wie herrlich  ist  ihr  hiesiges  Leben  im  
 Vergleich  zu  dem,  welches  sie  in  ihrer  Heimat  fuhren  müssten.  Sie  
 kommen  an  ohne  Kenntnisse  des  L an d e s ,  ganz  unvorbereitet;  Manche  
 sind  so  faul',  dass  sie  nie  die  Sprache  lernen,  selbst  wenn  sie  sich  im  
 Lande  verheirathen.  Ihre  Diener  verstehen  Spanisch,  belauschen  die  
 Gespräche  und  Handlungen,  und  kennen  alle  Geheimnisse  ihrer  meist  
 wenig  diskreten  Herren,  während  die  Eingeborenen  diesen  ein  Räthsel  
 bleiben,  das  sie  auch  schon  aus  Dünkel  nicht  zu  entziffern  versuchen. 
 Dass  die  grosse  Zahl  der  hiesigen,  ungebildeten,  über  ihre  Mittel  
 hinaus  lebenden  Spanie r,  die  alle  die  Herrn  spielen  wollen,  gleichviel  
 welche  Stellung  sie  zu  Haus  einnahmen,  das  Ansehn  der  Europäer  sehr  
 beeinträchtigen  muss,  ist  leicht  einzusehn.  Die  relative  Stellung  des  
 Indiers  kann  aber  dabei  nur  gewinnen  und  schwerlich  giebt  es  eine  
 Kolonie,  in  welcher  sich  die  Eingeborenen  im  Ganzen  genommen  behaglicher  
 fühlen  als  in  den  Philippinen.  Sie  haben  Religion,  Sitten  und  
 Gebräuche  ihrer  Herren  angenommen,  und  fühlen  sich,  obwohl  diesen  
 gesetzlich  nicht  gleichgestellt,  doch  nicht  durch  eine  hohe  Schranke  von  
 ihnen  geschieden,  wie  sie,  ganz  abgesehn  von  Java,  die  schroffe  Zurückhaltung  
 der Engländer  zwischen  sich  und  den  Eingeborenen  aufbaut. 
 Die  gleiche  Religion,  der  gemeinschaftliche  Gottesdienst,  das  Zusammenleben  
 mit  den  Einheimischen,  Alles  trägt  dazu  b e i,  den  Europäer  
 dem  Indier  näher  zu  bringen,  wie  auch  das  Vorhandensein  einer  v e r -   
 hältnissmässig  sehr  zahlreichen Mestizenklasse  bezeugt. 
 Spanier  und  Portugiesen  scheinen  in  der That  die  einzigen  Europäer,  
 Hie  in  tropischen  Ländern  Wurzel  schlagen,  sich  mit  Eingeborenen  auf  
 Hie Dauer  fruchtbar  vermischen  können;  wobei  das  Coelibat  der Priester  
 ¡begünstigend  mitwirkt. [28] 
 Den  Mangel  an  E ig en tüm lich k e it,  der  bei  den  Mestizen  aus  ihrer  
 iZwitterstellung  hervorzugehn  scheint,  nimmt  man  auch  an  den  Indiern  
 Lvahr.  Stark  ausgeprägte  nationale  Sitten,  die  man  in  einem  so  fernen  
 Lande  wohl  erwarten  sollte,  sucht  man  vergebens;  immer  von  Neuem  
 merkt man  den  Leuten  an,  dass  Alles  angelernt  und  äusserlich  ist. 
 Wie  der  spanische  Katholizismus  im  Mutterlande  die  hohe  Kultur  
 der  Mauren,  in  Peru  die  der  Inka’s  mit  Gewalt  ausgerottet,  so  hat  er  
 hier,  was  etwa  an  eigenthümlicher  Gesittung  vorhanden  war,  ebenso  
 gründlich  zu  beseitigen  verstanden,  indem  er  sich,  um  schnell  Wurzel  
 |u  schlagen,  den  bestehenden  Formen  und  Missbräuchen  in  fast  unglaublicher  
 Weise  anschmiegte. [29] 
 Die  in  der Kultur  wenig  vorgeschrittenen  Philippiner  nahmen  schnell  
 ■die. Aeusserlichkeiten  der  fremden  Religion  an.  und  zugleich  die Aeusser- 
 28)  Bertilion  (Acclimatement & Acclimatation,  Dict.  encycl.  des  sc.  med.)  schreibt  die  
 ■Fähigkeit  der Spanier,  sich  in  heissen  Ländern  zu  akklimatisiren,  vorzüglich  ihrer  starken  
 ■Vermischung mit  syrischem und  afrikanischem Blut zu :  die  alten Iberer  scheinen aus Chaldaea  
 ■iber Afrika gekommen  zu  sein,  Phoenizier und  Carthager hatten  blühende  Kolonien  in Spa-  
 Baien,  in  neuerer Zeit  haben  die  Mauren  Jahrhunderte  lang  das Land  besessen  und  grossen  
 ■Glanz  entfaltet,  was der Kreuzung förderlich  sein musste.  So  hat  sich zu drei Malen  afrikanisch 
 e s  Blut  reichlich  mit  spanischem  gemischt.  Das heisse  Klima  der  Halbinsel  mag  wohl  
 Buch  dazu  beitragen,  ihre  Bewohner  für  das  Leben  in  den  Tropenländem  geschickt  zu  
 Raachen.  Unvermischten  Indo-Europäern  ist  es  nie  gelungen,  am  Südrande des Mittelmeers  
 « ich   fortzupflanzen, noch weniger in heisseren Ländern. 
 In Martinique,  wo  8— 9000 Weisse von  der Ausbeutung  125,000 Farbiger in Fülle leben,  
 Klimmt die Bevölkerung  trotzdem nicht zu,  sondern  ab.  Die französischen Kreolen haben  die  
 ^Eigenschaft verloren,  sich  im Verhältniss  der  vorhandenen Lebensmittel  zu  erhalten  und  zu  
 Bermehren.  Familien,  die  nicht von Zeit  zu Zeit durch Zuführung neuen  europäischen Blutes  
 Bestärkt werden,  erlöschen  in  drei  bis vier Generationen.  Ebenso  geht  es in  den  englischen  
 Hbitillen,  nicht  aber in den spanischen,  obwohl Klima  und  natürliche Verhältnisse dieselben  
 B n d .  Nach  Ramon  de  la Sagra  ist  die Zahl der Todesfälle  unter den Kreolen geringer,  die  
 i®er  Geburten  grösser als  in  Spanien;  die  Sterblichkeit  bei  der Garnison aber sehr bedeutend,  
 ^■anach  scheint  bei  der  spanischen Rasse  eine  ächte Akklimatisation  durch Auswahl  stattzu-  
 ^■lden:  die ungeeigneten Individuen sterben,  die ändern  gedeihen. 
 [  29)  Ueber  die  in  Amerika  zu  demselben Zweck  angewendeten Mittel  bemerkt  Depons  
 S.  171:  » Man ist von jeher davon überzeugt gewesen,  dass man  der christlichen Religion auf  
 «eine  andre Weise bei  den Indianern Eingang verschaffen könnte,  als wenn man ihre eigenen  
 lleigungen und Gewohnheiten  mit dem Christenthum vermischte;  dies  ist  so weit gegangen,  
 B a s s   sogar  in  früheren Zeiten die Theologen die Frage  aufgeworfen haben,  ob  es wohl  erlaubt  
 ^Bäre. Menschenfleisch  zu essen?  Das  allersonderbarste  aber hierbei  ist,  dass  die Frage wirklich  
 zu Gunsten der Anthropophagen  entschieden worden  ist.«