SEERÄUBER,
Mannschaft ist gänzlich ungeübt im Gebrauch der Feuerwaffen, und hat
solche Furcht vor den Moros, dass sie, wenn nur die geringste Hoffnung
zur Flucht vorhanden, mit allen Kräften das Land zu erreichen sucht um davon
zu laufen. Die Küstenorte, ohne andre Waffen als hölzerne Piken,,
waren den Seeräubern völlig preisgegeben, die in Catanduänes, Biri, und
mehreren kleinen Inseln festen Stand gefasst hatten und ungestraft Schiffe
kaperten oder am Lande Menschen raubten. Fast täglich wurden neue
Räubereien und Mordthaten aus den Stranddörfern gemeldet. Die während
des Raubzuges zum Rudern verwendeten Gefangenen werden schliesslich
als Sklaven verkauft. Bei der Theilung sollen je zwei dem Dato, der die
Schiffe ausgerüstet, einer der Mannschaft zufallen. Zwar sind die Küstenfahrer
in diesen Gewässern grösstentheils mit Geschützen versehn, doch
liegen diese gewöhnlich im Schiffsraum, da Niemand an Bord damit umzugehn
weiss. Sind die Kanonen auf Deck befestigt, so fehlen dieKugeln oder
das Pulver, aber der Kapitän verspricht es das nächste Mal besser einzurichten.*)
Der Alkalde berichtete die Thaten der Seeräuber mit jeder Post
nach Manila, wies auf die grossen dem Handel zugefligten Verluste, und
auf die Pflicht der Regierung ihre Unterthanen zu schützen, um so mehr,
als diesen keine Feuerwaffen gestattet sind.[87] Von den Bisaya-Inseln
ertönten dieselben Hülferufe. Die Regierung war aber machtlos gegen das
Uebel. Wurden die Klagen gar zu laut, so sandte sie in die am meisten
heimgesuchten Gewässer ein Dampfboot, das fast nie einen Seeräuber zu
sehn bekam, obgleich diese dicht vor und hinter ihm ihr Wesen trieben.
In der Hauptstadt Samars traf ich später einen Regierungsdampfer, der
seit vierzehn Tagen vergeblich gegen Piraten kreuzte; denn diese, gewöhnlich
schon durch ihre Spione gewarnt, sehn den Rauch des Dampfbootes
früh genug, um mit ihren flachen Kähnen zu entschlüpfen. Die Offiziere
wussten von vornherein, dass ihre Fahrt schwerlich ändern Erfolg haben
*) Die reichbeladene Nao machte es eben so. s. S. 16.
96) Nach E. Bemaldez (Guerra al Sur) betrug die Zahl der innerhalb 30 Jahren geraubten
und getödteten Spanier und Indier 20,000.
97) Auszug aus einem Brief des Alkalden an den Generalkapitän 20. Juni 60:
Seit 10 Tagen liegen zehn Seeräuberboote ungestört auf der Insel S. Miguel, 2 Leguas
von Tabaco, und unterbrechen den Verkehr mit der Insel Catanduanes und dem östlichen Theil
von Albay . . sie haben viele Räubereien begangen, 6 Menschen fortgeschleppt . . Es ist
ihnen nichts anzuhaben, da es den Dörfern gänzlich an Feuerwaffen fehlt; die beiden einzigen
Fahtas sind in der San Bernardino-Strasse durch Stürme zurückgehalten.
Brief vom 25. Juni: Ausser den obigen Seeräuberbooten sind 4 grosse Pancos und 4
kleine Vintas in der Bernardino - Strasse erschienen . . . ihre Besatzung beträgt 4J0 bis 500
Mann, sie haben . . . zusammen 16 Menschen getödtet, 10 geraubt, 1 Schiff gekapert.
STIlASSENUÄUBEtt. IG]
würde, als den geschädigten Provinzen zu zeigen, dass ihr Nothschrei nicht
unbeachtet b lie b .M
Es waren indessen damals schon 20 kleine Dampfkanonenboote von
getingem lie fg a n g in England bestellt und ihrer Vollendung nahe, sie
wurden in Stücken um das Kap transportirt, die ersten beiden trafen bald
darauf in Manila ein, die übrigen folgten, und es gelang ihnen den Archipel
a u f einige Zeit von dieser schweren Plage fast zu befreien [«“], wenigstens
von den ächten Moros, die jährlich aus der Solosee meist von der Insel
Tavi-tavi kamen, im Mai nach den Bisayas gelangten, und dann ihre Raubzüge
im Archipel fortsetzten, bis der Wechsel des Monsun im Oktober oder
Novembei sie zur Rückkehr zwang. [lü8] In den Philippinen erhielten sie
neuen Zuwachs durch Vagabunden, Desertöre, entlassene Sträflinge,
uiiniite Spieler. Aus denselben Elementen werden auch die Banden von
Strassenräubern (Tulisänes) gespeist, die zuweilen sehr zahlreich auftreten
und Streiche von ausserordentlicher Keckheit ausführen. Nicht lange vor
meiner Ankunft waren sie in eine Vorstadt Manila’s eingefallen und hatten
in den Strassen mit dem Militär gekämpft. Ein Theil des letzteren pflegt
legelmässig durch den Dienst gegen Tulisänes in Anspruch genommen zu
98) Zu Chamissos Zeit war es schlimmer: »Die Expeditionen auf bewaffneten Booten,
die von Manila aus geschickt werden um gegen den Feind (die Seeräuber) zu kreuzen, . . .
fröhnen nur dem Schleichhandel und Christen und Mauren weichen dabei einander aus mit
gleichem Fleiss ,(v. Ch. Bemerkungen und Ansichten S. 73). Mas fl. IV. 43) berichtet dasselbe
nach Notizen aus dem General-Sekretariat in Manila und fügt hinzu, dass die Kreuzer
sogar die ihnen anvertrauten königl. Waffen und Munitionen verkauften, wovon viel in die
Hände der Mohren gelangte. Die Alkalden sollten die Befehlshaber der Kreuzer, diese die
Alkalden überwachen, sie machten aber gewöhnlich gemeinschaftliche Sache. — Lapörouse
erzählt sogar (II. S. 357), dass die Alkalden eine sehr grosse Anzahl der von den Seeräubern
(in den Philippinen) gemachten Sklaven kauften , so dass diese nicht nach Batavia gebracht
zu werden brauchten, wo sie viel weniger galten.
99) Nach dem Diario de Manila 14. März 1866 hat die Seeräuberei zwar abgenommen,
aber nicht aufgehört. Paragua, Calamianes, Mindoro, Mindanao, die Bisayas, haben noch
darunter zu leiden. Häufig werden auch Räubereien und Menschenraub von Handelsprauen
ausgeführt, wenn die Gelegenheit günstig. Solche Gelegenheitspiraten sind am .schwersten
auszurotten. Nach meinen neuesten Berichten ist die Seeräuberei wieder im Zunehmen.
100) Die Spanier versuchten die Eroberung der Suluinseln 1628, 1629, 1637, 1731, 1746.
Später haben häufig Expeditionen stattgefunden, um Repressalien zu üben. Auch im Oktober
1871 wurde eine grosse Expedition gegen Sulu ausgesandt, um die in neuer Zeit wieder
sehr überhand nehmende Seeräuberei zu bändigen, fein'oder zwei Jahre vorher hatten sich die
Piraten bis in die Nähe von Manila gewagt). Im April dieses Jahres (1872) kehrte die Flotte
aber wiederum unverrichteter Sache nach Manila zurück. Die Spanier hatten zu dieser Unternehmung
fast die ganze Seemacht der Kolonie, vierzehn Schiffe, meist Kanonendampfer
Aufgeboten; sie bombardirten die Hauptstadt, ohne besonderen Schaden anzurichten, die
Moros zogen sich in’s Innere zurück und erwarteten die Spanier, die indessen nicht zu landen