
2 Q ß t o d t e n h ö h l e n
In Guiuan schiffte ich mich auf einem unangenehm schwankenden,
offenen, nur mit einem drei mal drei Fuss grossen Sonnendach versehenen
Boote nach Tacloban, der Häuptstadt von L e y te , ein. Ein Windstoss
brachte uns in einige Gefahr, sonst hatten wir fortwährend Windstille, sö
dass die ganze Strecke rudernd zurückgelegt werden musste. Die Fahrt
War für die durch kein Dach geschützte Mannschaft sehr ermüdend (Wärme
in der Sonne 350 R ., des Wassers 250 R.) und dauerte 31 Stunden, mit kleinen
Unterbrechungen für die Malzeiten; denn die Leute kürzten freiwillig
die Pausen ab, um bald nach Tacloban zu kommen, das in lebhaftem V e r kehr
mit Manila steht und für die an der unzugänglichen Ostküste lebenden
Männer den Reiz einer üppigen Hauptstadt hatte. E s ist fraglich, ob
das Meer irgendwo eine Stelle von so eigenthümlicher Schönheit bespült,
als die enge Strasse, die Samar von L e y te trennt. Nach Westen hm ist
sie von steilen Tuffbänken eingefasst, die keine Mangrove-Sümpfe an ihrem
Rande dulden. Dort tritt der hohe Urwald in seiner ganzen Erhabenheit
unmittelbar an den Strand, nur stellenweis von Kokoshainen unterbrochen,
in deren scharf gezeichneten Schatten einzelne Hütten liegen. Die dem
Meer zugekehrten steileren Hügel und viele kleine Felseninseln sind mit
Kastellen aus Korallenblöcken gekrönt. Am ösdichen Eingang der Enge
besteht die Südküste von Samar aus weissem, marmorartigen, wenn auch
sehr jungem K a lk , der an Vielen Stellen steile Klippen bildet.['«] Bei
Nipa-Nipa, einem kleinen Weiler 2 Leguas O. von Basey, setzen sie im
Meere fort, in einer Reihe malerischer, über hundert Fuss hoher Felsen, die
oben domförmig abgerundet, dicht bewachsen, an der Basis ringsum vom
Seewasser b en a g t, wie riesige Pilze aus der Fluth hervorragen. E s weht
über dieser Oertlichkeit ein eigenthümlicher Zauberhauch, dessen Wirkung
auf den eingeborenen Schiffer um so mächtiger sein muss, wenn er den
draussen vom Nordost gepeitschten Wog en glücklich entronnen, plötzlich
diesen geschützten stillen Ort erreicht. Kein W u n d e r , dass die fromme
Einbildungskraft die Stätte mit Geistern bevölkerte.
In den Höhlen dieser Felsen setzten die alten Pintados die Leichname
ihrer Helden und Aeltesten bei in wohlverschlossenen S ä rg en , umgeben
Grunde um so mehr glänzt« ’Thévenot, Religieux 54)- Ein König aus Mindanao, der Magellan
auf Massana besucht: »in ogni dente haveva tre machie d’oro, che parevano fosseno
legati con oro«, woraus Ramusio gemacht hat: in ciascun dito avea tre anelli d’oro. (Pigafetta
S. 66). Vergl. auch Carlettì Viaggi I. 153.
114) In einer dieser Klippen, 60 Fuss über dem Meer, fanden sich Muschelbänke : Ostrea,
pinna chama . . nach Dr. v. M. : O. denticolata Bron., O. cornu copiae Chemn., O. rosacea
Desh.. Chama sulfurea Reeve, Pinna nigrina Lam.f?).
von den Gegenständen, die ihnen im Leben am werthvollsten waren. Auch
Sklaven wurden bei ihrem Begräbniss geopfert, damit es ihnen in der
Schattenwelt nicht an Bedienung fehle.[lt5] (Die zahlreichen S ä rg e , G e -
Felsen im Meer bei Nipa-nipa.
räthschaften, Waffen) und Geschmeide, welche diese Höhlen enthielten,
waren durch Aberglauben geschützt Jahrhunderte lang unangetastet geblieben.
Kein Nachen wagte vorüber zu fahren, ohne ein aus der heidnischen
Zeit fortgeerbtes religiöses Zeremoniell gegen die Höhlengeister
zu beobachten, die in dem Rufe standen, Unterlassungen durch Sturm und
Schiffbruch zu bestrafen.
V o r etwa 30 Jahren beschloss ein eifriger junger Geistlicher, dem diese
heidnischen Gebräuche ein Gräuel waren, sie mit der Wurzel auszurotten.
In mehreren Booten, wohlausgerüstet mit Kreuzen, Fahnen, Heiligenbildern
und allem beim Austreiben der Teufel bewährten A p p a ra t, unternahm er
den Z u g gegen die Geisterfelsen, die unter Musik, Gebeten und Knallfeuer—
werk erklommen wurden. Nachdem zuvor ein ganzer Eimer voll Weihwasser
zur Betäubung der bösen Geister in die Höhle geschleudert worden,
drang der unerschrockene Priester mit gefälltem Kreuze e in , gefolgt von
seinen durch das Beispiel angefeuerten Getreuen. Ein glänzender Sieg belohnte
den wohlangelegten und muthig ausgeführten Plan ; die Särge wurden
115) Im Athenaeum 7. Jan. 71 ist nach Capt. Ullmann eine Todtenfeier (Tiwa) der Dayaks
beschrieben, die in vielen Punkten mit der der alten Bisayer übereinstimmt. Der Sarg wird
vom nächsten männlichen Anverwandten aus einem Baumstamme ausgehöhlt, so eng, dass
der Leichnam hineingepresst werden muss, damit nicht bald darauf ein andres Familienglied
sterbe, um die Lücke zu füllen. Es werden möglichst viele Habseligkeiten auf den Todten
gehäuft, um seinen Reichthum darzuthun. und sein Ansehn in der Geisterstadt zu erhöhen,
unter den Sarg wird ein Gefass mit Reis, eines mit Wasser gestellt.
Eine der Hauptfeierlichkeiten des T iw a bestand vormals (auch jetzt noch an einigen
Orten) in Menschenopfern. Wo die holländische Regierung gebietet, können solche nicht statt-
fmden, es werden aber zuweilen Büffel oder Schweine auf grausame Weise getödtet, mit deren
Blut die Hohepriesterin Stirn, Brust und Arme des Familienhauptes bemalt. Aehnliche Opfer
von Sklaven oder Schweinen mit eigenthümlichen Zeremonien durch Priesterinnen (Catalona'sj
fanden bei den alten Philippinern statt, (s. Informe I. 2. 16.)