
Seit der Zeit dieses Vortrages ist nun das Material noch ungleich mehr angewachsen,
indem Hr. Dr. A.B . Me y e r eine grössere Anzahl von Philippinen-
Schädeln und Skeleten mitgebracht und der Gesellschaft überlassen hat. In der
Sitzung vom 15. Juni 1872 konnte ich über 6 Negrito-Skelete und einen Ygor-
rotenschädel berichten (Correspondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft
1872. No. 8). Eine spätere Sendung brachte hauptsächlich moderne
Schädel von einem Kirchhof bei Manila.
Von diesen Objekten stimmt zunächst der Ygorrotenschädel mit dem durch
Herrn J a g o r überbrachten vom Ysarog (und dem einen Cimarronen-Schädel von
Albay aus der Sammlung des Hrn. S c h e t e l i g ) am meisten überein, obwohl er
in einem noch viel höheren Maasse lang und zugleich schmal ist. Er besitzt einen
Breitenindex von 68,8 bei einem Höhenindex von 73,1, ist also in höchstem
Grade d o l i c h o c e p h a l und zugleich niedrig. Die Verhältnisse der drei
Schädel werden am besten durch eine Zusammenstellung der Zahlen sich ergeben
:
Breitenindex. Höhenindex. Capacität.
Cimarrone vom Ysarog 76,9 76,1 ^ t S
» » Albay 75,4 77,7 1470
Ygorrote (Meyer) 68,8 73,1 1400
Sehr bemerkenswerth sind bei dem letztem Schädel ferner der geringe Prognathismus
des Alveolarrandes, die verhältnissmässig hohen Augenhöhlen, die
hohe Nase mit schmaler Wurzel und der starke Wulst über der letzteren. Giebt
dieser Wulst dem Schädel den Ausdruck einer gewissen Wildheit, so wird diese
gesteigert durch die stark ahstehenden Jochbogen und die bedeutend hinaufgerückten
Plana temporalia, deren Abstand, über den Schädel gemessen, an
der Kranznaht nur 105 Millim. beträgt: also eine colossale Entwickelung der
Kaumuskeln. Es bestätigt sich demnach die Existenz einer wilden dolichoce-
phalen Rasse, welche den Hypsistenocephalen der Inseln Polynesiens und der
Sundagruppe näher steht.
Die Negrito-Schädel sind davon gänzlich verschieden. Ich beschränke
mich darauf, die entsprechenden Zahlen für 4 derselben zu geben i
Breitenindex. Höhenindex. Capacität.
I. 90,6 77> 1310
II. 80,8 75,6 1200
III. 83,8 77,8 1250
IV. 86,7 82,3 1150
Von diesen ist No. II. ein männlicher und, wie mir scheint, verhältnissmässig
typischer Schädel, während vornämlich bei No. I. künstliche Deformation
bemerklich ist. Man sieht hier eine ausgezeichnet brachycephale Rasse,
deren Schädel eine mässige Höhe und durchschnittlich eine geringe Capacität
besitzen. Zugleich sind sie stark prognath, jedoch betrifft die Vorschiebung
mehr die Alveolarfortsätze, während die Ansatzstelle des unteren Nasenstachels
dem grossen Hinterhauptsloche näher liegt, als die Nasenwurzel. Letztere
befindet sich fast senkrecht unter der Nasenwurzel.
Die Zusammengehörigkeit dieser Negritoschädel wird in deutlichster Weise
dargelegt durch ein höchst characteristisches Zeichen, nämlich durch d ie ver mi
t t e l s t F e i lu n g in ein e S ä g en fo rm g e b r a c h t e n Z a h n r e ih e n .
Es sind die Zähne, namentlich die vorderen und von diesen wieder am meisten die
des Oberkiefers s e i t l i c h abgefeilt, so dass sie in scharfe Spitzen, wie Raubthierzähne,
auslaufen, — eine Art der Feilung, welche der bisher bekannten ma