bei einer Abflachung der hinteren Partie des Schädels. Wie ich früher nachgewiesen
habe, pflegt einer Verkürzung des Schädels eine c omp e n s a t o r i s c h e
Verbreiterung und umgekehrt zu entsprechen. Es kann wohl kein Zweifel darüber
bestehen, dass eine Abflachung einzelner Schädeltheile an sich eine Verminderung
der Himmasse nicht zur nothwendigen Folge hat, und es stimmt
damit überein die Angabe namhafter Beobachter, dass die Flatheads in der That
keinen Mangel an Intelligenz wahrnehmen lassen.«
Diese Mittheilung hatte das glückliche Ergebniss, die Aufmerksamkeit auf
die so lange vernachlässigte Craniologie jener entfernten Inseln zu lenken. Zunächst
erhielt unsere anthropologische Gesellschaft von dem holländischen Residenten
in Gorontalo auf Celebes, Hrn. R i e d e l die Mittheilung, dass noch
gegenwärtig bei den Bewohnern der Landschaften Buool, Kaidipan und Bolaang-
ltam die Sitte der künstlichen Verunstaltung des Schädels bei den neugebomen
Kindern geübt wird (Zeitschr. für Ethnologie Bd. III. S. 110. Taf. V.). Sodann
besprach Hr. B a r n a r d Da v i s eingehender die Negrito-Schädel. Da mir selbst
inzwischen neues Material zugegangen war, so machte ich in der Sitzung der
Gesellschaft am io . Dezember 1870 folgende weiteren Mittheilungen:
»Die interessanten Mittheilungen aus Celebes, welche uns heute von Hrn.
R i e d e l zugegangen sind, haben dargethan, dass mein erster Bericht über die
Philippinen-Schädel in der Sitzung vom 15. Januar 1870 zu rechter Zeit die
Aufmerksamkeit auf ein Gebiet gelenkt hat, welches gerade in ethnologischer
eziehung die höchste Wichtigkeit hat und welches doch noch so wenig erforscht
ist. Nichts konnte mehr überraschend sein, als dass für eine Weltgegend, aus
der seit länger als zwei Jahrhunderten keine Nachricht über künstliche Verunstaltungen
der Schädel zu uns gelangt ist, durch eine in Europa ausgeführte
cramologische Untersuchung die Thatsache des Fortbestehens einer solchen Sitte
gleichsam erschlossen worden ist. Leider benimmt uns der Brief des Hrn.
R i e d e l alle Aussicht, entsprechende Schädel von Celebes zu erhalten, denn er
besagt, dass die dortige Volkssitte dem zu sehr widerstrebe. Wir werden uns
daher vor der Hand noch an die Philippinen-Schädel halten müssen.
Glücklicherweise habe ich seit der Zeit, wo ich zuerst über die Philippinen
zu sprechen die Ehre hatte, Gelegenheit gehabt, meine Erfahrungen zu vervollständigen.
Zunächst hatte Hr. J a g o r noch eine gewisse Zahl zertrümmerter
Schädel aus einer grossen Höhle von Caramuan auf der Insel Luzon. Dieselben
waren so vielfach zerbröckelt, dass es kaum möglich schien, daraus etwas zu
machen. Es ist mir jedoch gelungen, den grösseren Theil der Stücke wieder
zusammenzusetzen und auf diese Weise wenigstens die vorderen Hälften von drei
Schädeln, mit Einschluss des grössten Theils des Gesichtes, wiederherzustellen.
Dieselben sind von etwas verschiedener Beschaffenheit: zwei (E. 319— 20) sind
mit einer rauhen Kalkschicht überzogen, welche an vielen Punkten durch Eisenbeimischung
bräunlich erscheint; die Knochen selbst sind sehr brüchig, kleben
an der Zunge und sehen auf dem Bruche kreidig aus aus; ein anderer (E. 318)
ist viel glatter, die Knochen selbst sind tief braun geworden, ja am rechten Theil
der Stirn sehen sie vollständig grünlich aus.
Alle drei zeigen sehr deutliche Spuren künstlicher Abplattung. Es ist dadurch
das Vorkommen dieses Gebrauches, welchen wir bis dahin nur von der Insel
Samar kannten, auch für die Insel Luzon dargethan. Am stärksten ist die Abplattung
an den beiden erstgenannten. Bei dem einen (E. 319) ist freilich nur
Vorderkopf vorhanden, indess beginnt die Abflachung sofort hinter den
Superciliarbogen; die Stimhöcker sind fast ganz verschwunden, die Stirn selbst
sehr breit und erst kurz vor der Kranznaht endet die künstlich hergestellte Fläche
mit einer rundlichen Wölbung. Obwohl nicht so stark, so doch ungleich mehr
charakteristisch ist der zweite Schädel (E. 320), bei welchem glücklicherweise
die Basis cranii und der Anfang der Hinterhautsschuppe erhalten sind. Hier
lässt sich deutlich die doppelte Abplattung erkennen: eine ziemlich steile hintere
und eine schräg zurückgehende vordere. Bei dem dritten Schädel (E. 3 18) ist
die Stirn so rundlich gewölbt, dass man ohne Kenntniss der anderen Formen
schwerlich eine Abplattung vermuthen würde, obgleich doch auch hier die Breite
der Stirn und die geringe Prominenz der Stimhöcker sehr auffällig sind. Dagegen
lässt sich am Hinterhaupte, trotzdem dass der Schädelgrund fehlt, eine sehr
starke, steil abfallende Deformation erkennen, welche eine fast winklige Einbiegung
der Seitenwandbeine hervorgebracht hat. Ganz besonders interessant
ist jedoch das Stirnbein eines etwa zweijährigen Kindes, welches aus derselben
Höhle stammt, äusserlich gleichfalls einen gelbbraunen Beschlag zeigt, übrigens
sehr stark an der Zunge klebende Oberflächen besitzt. Innerlich zeigt dasselbe
sogenannte osteophytische Auflagerungen als Zeichen einer inneren Entzündung
und dem entsprechend ist es verhältnissmässig dick. Ganz deutlich lassen sich
die Spuren der Abplattung erkennen. Bis zu den niederen Höckern ist die
Stirn wenig verändert; oberhalb derselben weicht sie aber sofort, fast unter einem
Winkel, zurück, und was besonders charakteristisch ist, kurz vor der Kranznaht
liegt eine stärkere Wölbung, von der aus gegen die Naht zu die Fläche sich
wieder senkt. ,
Ob diese Schädel einer Zeit und einem Stamme angehört haben, wage ich
nicht zu entscheiden. Der erstgenannte zeigt eine solche Uebereinstimmung
mit einem der früher von mir beschriebenen Höhlenschädel aus Lanang (Z 842),
dass ihre Zusammengehörigkeit kaum bezweifelt werden kann. Aehnlich verhält
sich der zweite Schädel von Caramuan (E. 320), der mit einem Schädel aus der
Höhle von Nipa-Nipa (Z. 873) parallel gestellt werden kann. Dagegen gleicht
der dritte Schädel (E. 318) weit mehr den neueren Schädeln aus der grossen
Höhle von Nipa-Nipa, welche Zeichen der Syphilis tragen. Namentlich stimmt
mit diesen die Gesichtsbildung sehr überein. Dasselbe gilt von dem kindlichen
Stirnbein, sowie von einem zarten Unterkiefer (E. 322), der vielleicht zu dem
Schädel E. 318 gehört und der sich durch den colossalen Prognathismus seines
Mittelstückes auszeichnet, während ein anderer, nach Form und Incrustation zu
E. 319 gehöriger Unterkiefer von grösser Stärke ganz wenig prognath ist und
eine ganz andere, weit geräumigere Ausrundung zeigt.
Ich möchte es daher für wahrscheinlich halten, dass auch in der Höhle von
Caramuan längere Zeit hindurch Beerdigungen stattgefunden haben und dass
daselbst neben einander Personen verschiedener Stämme niedergesetzt worden
sind. Was die Form der Abplattung betrifft, so entspricht sie in hohem Grade
einer peruanischen, wie ich später darthun werde; keines der Beispiele erreicht
jedoch die Verhältnisse, welche wir früher an Beispielen aus der Höhle von
Lanang kennen gelernt haben. —
Eine zweite Gruppe von Philippinen-Schädeln wurde mir durch die Güte
des Hm Dr. S c h e t e l i g , der gleichfalls längere Zeit in Asien war, zur Verfügung
gestellt. Es sind dies 8 Schädel, grossentheils gut erhalten, darunter 4
mit Unterkiefern; zu dem einen gehört ein vollständiges Skelet. In Verbindung
mit den von Hm. J a g o r mitgebrachten Schädeln ergiebt diese Sammlung ein
recht bedeutendes Material.