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 Ohne  diesen  kleinen  Dampfer  würde  man  in Hongkong,  in  dessen  
 Hafen  sich  die  Schiffe  aller Nationen  drängen,  kaum  vermuthen  können,  
 dass  in  -so  grösser Nähe  ein  Inselstaat  lie g t ,  der  durch  glückliche  Gliederung  
 und  Fruchtbarkeit mehr  als  irgend  ein  andrer  begünstigt  scheint. 
 Obgleich  die  Philippinen  Spanien  gehören,  so  findet  doch  zwischen  
 beiden  Ländern  fast  kein  Handel  statt.  Die Verbindung mit  dem Mutterlande  
 war  früher  der A r t ,  dass  die  Ankunft  eines  Schiffes  mit  der  spanischen  
 Post  durch  Tedeum  und  Glockenläuten  für  die Vollbringung  einer  so  
 gewaltigen  Reise  gefeiert  wurde.  Bis  Portugal  an  Spanien  fiel,  war  den  
 Philippinen  der W e g   um  Afrika  verschlossen.  Wie  es  mit  der U e b e r -   
 1 a n d  r e i s e   stand,  zeigt  der  Umstand,  dass  zwei  Augustiner,  die  1603  
 dem  Könige  eine wichtige  Botschaft  bringen  sollten,  und  daher  den  kürzeren  
 W e g   über Go a ,  die  Türkei  und  Italien  gewählt  hatten,  Madrid  erst  
 nach  drei  Jahren  erreichten.*) 
 Die  bisher  den Kaufleuten  durch  hohe Differenzialzölle  aufgezwungene  
 spanische  F lag ge  beförderte,  trotz  des  Schutzzolles  für  nationale  Produkte,  
 fast  nur  ausländische Waaren  nach  der  Kolonie  und  die  Erzeugnisse  der  
 letzteren  nach  fremden Häfen.  Der  Verkehr mit  Spanien  beschränkte  sich  
 auf  den  Transport  von  Beamten  und  Geistlichen  und  deren  gewohnten  
 Lebensbedürfnissen,  namentlich Nahrungsmitteln,  Wein,  andren  Flüssigkeiten  
 (Caldos)  und,  einige  französische  Romane  ausgenommen,  entsetzlich  
 geistlosen  Büche rn:  Geschichten  von Heiligen  und  Aehnlichem. 
 Die  B ay   von Manila  ist  gross  genug  um  alle  Flotten  Europa’s  aufzunehmen; 
   sie  gilt  für  eine  der  schönsten  der Welt.  Der Anblick  des  Landes  
 entspricht  a b e r ,  wenn man,   wie  der Verfasser,  gegen Ende  der  trocknen  
 Jahreszeit  ankommt,  durchaus  nicht  den  begeisterten  Schilderungen mancher  
 Reisenden.  Das  kreisrunde,  fünf  Provinzen  begrenzende  Wasserbecken  
 von  fast  120  Seemeilen  Umfang  ist  in  der  Gegend  Manila’s  von  
 flachen Ufern  umgeben,  hinter welchen  sich  ein  eben  so  flaches Gestadeland  
 ausbreitet.  Die  karge Vegetation  war  von  der  Sonne, verdorrt,  nur  
 einige  Bambusbüsche  und  Arecapalmen,  in  der  Ferne  die  blauen  Berge  
 von  San  Mateo  unterbrachen  die  Einförmigkeit.  Zur  Regenzeit,  wenn  
 unzählige,  die  Ebene  durchschneidende  Kanäle  aus  ihren  Ufern  treten,  
 bilden  sich  grosse  zusammenhängende  Wasserbecken,  bald  darauf  verwandelt  
 sich Alles  in  ein  üppig  grünendes  Reisfeld. 
 *)  Zuniga, Mavers I.  225.  
 giere nach  China betrug  1868:  441  Europäer,  3048  Chinesen,  zusammen  3489.  Nach Manila 
 330 Europäer,  4664  Chinesen,  zusammen  4994.  Der  Fahrpreis  ist  80 Doll,  für  Europäer,  
 20 Doll,  für Chinesen. 
 ERDBEBEN. 5 
 Manila  liegt  zu  beiden  Seiten  des  Päsig.  Die  eigentliche  Stadt  von  
 Mauern  und Wällen  umschlossen,  mit  niedrigen  Ziegeldächern  und  einigen  
 Thürmen,  sah  1859  vom  Meere  aus  einer  alterthümlichen  europäischen  
 Festung’ ähnlich.  Vier  Jahre  später  wurde  sie  durch  ein  Erdbeben  zum  
 grössten  Theil  zerstört. 
 Am  3.  Juni  1863,   als  ganz  Manila  mit  den  Vorbereitungen  zum  
 Frohnleichnamsfeste  beschäftigt  war,   bebte  nach  einem  T a g e   drückender  
 Hitze  um  7  Uhr  und  31  Minuten  Abends  plötzlich  die E rd e ,  die  festesten  
 Gebäude  bewegten  sich,  die  Mauern  barsten,  die  Balken  brachen;  das  
 furchtbare Geräusch  dauerte  eine  halbe Minute.  Dieser  Zeitraum war  hinreichend, 
   um  die  ganze  Stadt  in  ein  Ruinenfeld  zu  verwandeln,  und  hun-  
 derte  von  Einwohnern  lebendig  zu  begraben.  Nach  einem mir mitgetheil-  
 ten  Briefe  des  General-Guvernörs  wurden  der  Palast,  die Kathedrale,  die  
 Kasernen  und  alle  öffentlichen  Gebäude Manila’s  völlig  zertrümmert;  die  
 wenigen  stehen  gebliebenen  Privathäuser  drohten  einzustürzen.  Spätere  
 Berichte  geben  400  Todte,  2000  Verwundete  an  und  schätzen  den  Verlust  
 auf 8  Millionen  Doll.  46  öffentliche  und  570 Privat-Gebäude waren  eingestürzt, 
   28  öffentliche  und  528  private waren  dem Umsturz  nahe,  alle  stehen  
 gebliebenen Häuser mehr  oder weniger  beschädigt. 
 Um  dieselbe  Zeit  fand  in Cavite,  dem Kriegshafen  der  Philippinen,  ein  
 40  Sekunden  anhaltendes  Erdbeben  statt,  das  viele  Gebäude  umwarf. 
 Drei  Jahre  nach  diesem  Ereignisse  findet  der  Herzog  von  Alengon  
 (Lugon  et Mindanao,  Paris  1870  S .  38)  noch  überall  dessen  Spuren.  Drei  
 Seiten  des  Hauptplatzes  der  Stadt,  auf  denen  sich  früher  der  Palast,  die  
 Kathedrale,  das  Stadthaus  erhoben,  lagen  da  als  Schutthaufen  mit  Gesträuch  
 bewachsen.  Alle   grossen  öffentlichen  Gebäude  waren  »vorläufig«  
 durch Holzbauten  ersetzt,  man  dachte  aber  nicht  daran,  etwas  Bleibendes  
 zu  schaffen. 
 Manila  ist  sehr häufigen  Erdbeben  ausgesetzt;  am  verhängnissvollsten  
 waren  die  von  1601,  1610  (30.  Nov.),  1645  (30.  Nov.),  1658  (20.  A u g .) ,  
 1675,  1699,  1796,  1824,  1852,  1863.  —   1645  kamen  600 Personen  um*),  
 nach  Ändern  sogar  3000,**)  die  unter  den  Trümmern  ihrer  Häuser  b e - .  
 graben wurden.  Von   allen  öffentlichen  Gebäuden  blieben  nur  das Kloster,  
 die Kirche  der  Augustiner  und  die  der  Jesuiten  stehen. 
 Kleine  Erdstösse,  welche  plötzlich  alle Hängelampen  in  Schwingung  
 versetzen,  finden  sehr  oft  statt  und  bleiben  gewöhnlich  unbeachtet.  Die 
 *)  Zuniga XVIII, M.  Velarde  f.  139.  
 **)  Capt.  Salmon,  Goch.  S.  33.