dels*) geschrieben hat, die schon von l i i p p o k r a t e s aufgestellte Meinung
wiederholt hat, es könne sich allmählich eine erbliche Fortpflanzung dieser Form
einstellen, und es bedürfe in der Folge der Generationen nicht mehr einer ausgiebigen
Einwirkung, um sie zu erzeugen; sie erhalte sich von selbst auf dem
Wege der Heredität. Dagegen sprechen alle sonstigen Erfahrungen: bei C a t l i n
sind Chinook-Indianer abgebildet aus der neueren Zeit, wo diese Bräuche nicht
mehr herrschen, deren Schädel sich nicht difform zeigt; ja, unter den östlicheren
Stämmen Amerika’s giebt es einzelne, wie die Choctaws, die ursprünglich mitten
in dem jetzt cultivirten Nordamerika gewohnt haben, unter denen früher ähnliche
Sitten herrschten, und in deren Gräbern man noch abgeflachte Schädel gefunden
hat, bei denen jedoch jetzt jede Spur dieser Schädelform geschwunden ist, nachdem
sie die Compression aufgegeben haben. Dazu kommt, dass in manchen Stämmen
die Verunstaltung ein Vorzug der männlichen und zwar der adeligen männlichen
Bevölkerung war und . dass ausser den Sklaven auch die Frauen davon ausgeschlossen
waren, — ein Umstand, welcher der Vererbungstheorie keineswegs
günstig ist. Man darf daher nirgends annehmen, dass sich diese Difformität von
selber fortgepflanzt hat, und es wird überall, wo man sie antrifft, die Frage aufgeworfen
werden müssen: giebt es Schädel, aus welchen man die ursprüngliche
Form erkennen kann ?
Für die Erörterung dieser Frage an den Philippihen-Schädeln ist ein Umstand
von besonderem Nutzen. Ausser dem Eingangs erwähnten Muster-Schädel
gehören noch 4 andere demselben Fundorte an. Sie sind sämmtlich in der Höhle
bei Lanang unter Verhältnissen gefunden, welche ein grosses Alter andeuten.
Ich erwähne zuerst einen ringsum mit starken Kalkmassen incrustirten und dadurch
colössal vergrösserten Schädel, welcher ein ganz formidables Aussehen
darbietet und als richtiger fossiler Schädel erscheint. Trotz der Kalkmassen, die
ihn umhüllen, kann man sehr wohl erkennen, dass er wesentlich derselben abgeplatteten
Form angehört oder ihr jedenfalls sehr nahe steht. An einem dritten
Schädel dagegen ist keine Spur jener künstlichen Form vorhanden, so dass
.durchaus kein Zweifel darüber bestehen kann, dass er niemals einem Druckverfahren
unterlegen hat, und da er an derselben’Stelle mit den anderen gefunden
worden ist, so ist meiner Meinung nach auf dies Verhältniss ein grösser Werth
zu legen. Endlich die letzten beiden Schädel, obwohl sie deutliche Spuren der
Abplattung an sich tragen, zeigen dieselbe doch in abnehmendem Maasse, so
dass man, wenn man einen nach dem ändern mit jenem ersten vergleicht, eine
ziemlich regelmässige Stufenfolge der Verunstaltung'erkennt. Ich habe von diesen
letzteren Schädeln den Kalküberzug grossentheils abgesprengt, worauf sich ergab,
dass man schon auf eine mehr natürliche Form gelangt, welche weit davon entfernt
is t, eine augenfällige Aehnlichkeit mit den Chinook-Köpfen darzubieten;
freilich der schnelle und ebene Abfall des Hinterhauptes deutet immer noch darauf
hin, dass eine künstliche Einwirkung stattgefunden hat (Taf. I, flg. 1— 2).
Noch wichtiger ist es, dass aus einer anderen und zwar aus einer von der
eben erwähnten ziemlich entfernten Lokalität, nämlich aus der von Herrn J a g ö r
(Zeitschrift für Ethnologie I. S. 80) beschriebenen Felsklippe von Nipa-Nipa,
welche in der Strasse zwischen Samar und Leyte gelegen ist, zwei andere Schädel
(Taf. I, flg. 5— 6) von ihm mitgebracht worden sind, von denen der eine
dieselbe Verunstaltung, wie die besprochenen, in hohem Maasse darbietet (flg. 6).
*) L. A. Go s s e , Essai sur les déformations artificielles du crâne. Annal, d’hygiène publique
et de méd. légale. Paris 1855. Juill.
Ich erwähne nur aus der Mittheilung des Herrn J a g o r , dass vom Meere aus
eine Art Thor in die Klippe hineingeht, durch welches man in eine innere Bucht
gelangt, die von steilen Felswänden umgeben ist; an einer der letzteren befindet
sich hoch über dem Meere die schwer zugängliche Höhle, aus welcher die Schädel
genommen sind.
Auch an diesen beiden Schädeln aus der Höhle von Nipa-Nipa zeigt sich
eine entschiedene Differenz: an dem einen bemerken wir eine positive Abplattung,
einen steilen Abfall von den Tubera parietalia nach unten, wie er niemals an
einem natürlichen Schädel vorkommt (Taf. I, fig. 5), und von unmittelbar derselben
Lokalität rührt ein anderer Schädel von übrigens ganz ähnlicher Färbung
und Beschaffenheit der Knochen her, der vielleicht einer leichten Abplattung
unterlegen hat, worauf eine gewisse Verschiebung nach der einen Seite hin
deutet, der aber im Uebrigen ganz offenbar dem gewöhnlichen oder ursprünglichen
Zustande sich nähert (Taf. I, fig. 6). I
Auf diese Weise kann man, wie mir scheint, seinen Weg von den künstlich
erzeugten zu den ursprünglichen Verhältnissen zurückfinden, und es ist möglich,
zu Schädelformen zu gelangen, bei welchen man wenigstens annähernd richtig
gewisse Verhältnisszahlen aufstellen kann, welche zur Vergleichung mit anderen
Befunden dienen dürfen. Unsere Zuversicht in die Richtigkeit der Schlussfolgerungen
ist um so grösser, als die Zahlen beider Beobachtungsreihen sich gegenseitig
controliren.
Für diejenigen, welche nicht Anatomen sind, bemerke ich, dass es in neuerer
Zeit Gebrauch geworden ist, die ethnologisch wichtigsten Maassverhältnisse des
Schädels zunächst in der Weise zu bestimmen, das man Verhältnisszahlen zwischen
Länge, Breite und Höhe des Schädels sucht, in der Art dass die Länge =
100 gesetzt und Breite und Höhe darnach reducirt werden. Der Kürze wegen
kann man die gefundene procentische Zahl für die Breite als Breitenindex; diejenige
für die Höhe als Höhenindex bezeichnen. Das Verhältniss von Höhe zu
Breite wird gleichfalls auf eine Breite von 100 berechnet und die Zahl für die
Höhe als Breitenhöhenindex aufgeführt. Thut man dies nun an den am wenigsten
difformen Schädeln der'Philippinen, so kommt man immer noch auf einen
Breitenindex, welcher nach den bisher bekannten Erfahrungen für die ostasiatische
Inselbevölkerung ganz unerhört ist. Bei dem einen relativ normalen Schädel
aus der Höhle von Nipa-Nipa beträgt der Breitenindex 89,1, der Höhenindex
78,9, der Breitenhöhenindex 88,5; bei dem einen Lanang - Schädel ist der
Breitenindex 80,1, der Höhenindex 77,8, der Breitenhöhenindex 97,1. Solche
Breitenverhältnisse sind überall ungewöhnlich; z. B. die äusserste Grenze der
Breitenverhältnisse in Europa finden wir bei den Lappen, wo sie zwischen 82
und 83 schwankt.
Es ergiebt sich zunächst aus diesen Verhältnissen in ganz unzweifelhafter
Weise, dass diese in ausgezeichnetem Sinne b r a c h y c e p h a l e Bevölkerung, die
doch, wie es scheint, einer lange vergangenen*) Zeit angehört, nichts zu thun
hat mit den Negritos, insofern diese, soviel bis jetzt angenommen wird, mit den
Melanesiern in Beziehung stehen, welche sich alle auszeichnen durch die rela*)
Da seit T h e v e n o t kein neuerer Autor von der Flathead-Mode auf den Philippinen
spricht, so wird man diese Schädel mindestens nicht hinter das 16. Jahrhundert verlegen. Die
Kalldncrustation könnte sich in einigen Jahrhunderten ganz wohl gebildet haben, doch ist es
auch denkbar, dass nach ihrer Bildung die Schädel beliebig lange unverändert bleiben, und
dass sie dennoch einer sehr viel älteren Zeit angehören.