
dene Art der Abplattung, welche wir constatirt haben. Während die Höhlenschädel
von Lanang und Caramuan eine vordere und hintere Abplattung erfahren
haben, zeigen die modernen Kirchhofsschädel eine seitliche, so dass die Beschreibung
von T h é v e n o t im Ganzen weit mehr für sie zutrifft.
Ich habe noch zu erwähnen, dass Hr. Davi s in Beziehung auf das Alter
der Funde, die ich früher besprochen habe, einen Zweifel aufgeworfen hat, der
dahin führen würde, die fraglichen Schädel um ein Jahrhundert jünger zu machen.
Ich hatte nämlich angenommen, dass die Flachschädel spätestens dem Ende
des 16. Jahrhunderts angehören möchten. Ich war dabei auf die einzige Nachricht
über künstliche Verunstaltung des Schädels, welche uns noch erhalten ist,
die von T h é veno t*) zurückgegangen. Hr. Davi s sagt nun, dass das Buch
von Th é v e n o t zwischen 1663 und 1672 erschienen sei, und er folgert daraus,
dass die Schädel erst aus dem Ende des .17. Jahrhunderts stammten. Ich muss
hier allerdings einen Fehler zugestehen : ich war verleitet dadurch, dass ein
sonst sehr zuverlässiger Autor, Gos se (Annales d’hygiène publique et de médecine
légale. 1855. Juill. p. 375.) folgendes Citât giebt: Relations de divers
voyages curieux, par' Melchisédec Thévenot. Nouvelle édition, 2 vol. in-fol.,
Paris 1591. Ich habe mich nun überzeugt, dass Mel chi s ede k Th é v e n o t
(f 1692) erst gegen 1620 geboren, das Citat von Gosse also offenbar falsch
ist. Indessen folgt daraus doch noch keineswegs, dass die fragliche Beobachtung
erst der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts angehört. Thévenot giebt in
seinem grossen Sammelwerk den Bericht eines Geistlichen, der 18 Jahre auf den
Philippinen gelebt hatte. Letzterer spricht an einer Stelle davon, dass » vor drei
Jahren die Einnahme der Insel Mindanao durch Don Sebastian Hurtado de
Corcuera erfolgt sei « (p. 3.) Diese Einnahme muss nach einem folgenden Berichte
(p. 15) um das Jahr 1636 geschehen sein: és ergiebt sich slso, dass der
Geistliche in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts Schrieb. Damit stimmt
auch die Bemerkung am Schlüsse der Relation, wonach dieselbe die Ueber-
setzung einer 1638 in Mexico gedruckten spanischen Schrift ist. Nun findet sich
aber darin ausser der Angabe, dass die Leute ihren Kindern die Köpfe verdrückten,
noch der andere Gebrauch erwähnt, dass sie die Zähne feilten und mit
schwarzem und glänzendem oder feuerfarbenem Firniss färbten**), und da keiner
der von Hm. J a g o r mitgebrachten Schädel diese Zeichen darbot, so hatte ich
geschlossen, dass die Leichen beigesetzt sein müssten zu einer Zeit, als diese
noch jetzt auf den benachbarten Inseln sehr verbreitete Sitte noch nicht bestand.
Denn es schien mir weniger wahrscheinlich, dass die Leute eine derartige Sitte
schnell aufgegeben haben sollten, als dass dieselbe erst später von den benach-
*-)' Die Stelle steht in Relations de divers voyages curieux, Paris 1664, II., und zwar in
der Relation des Isles Philipines, faite par un religieux qui y a demeuré 18 ans, p. 6. Es
heisst daselbst: ils auoient accoustumé dans quelques-unes de ces Isles, de mettre entre-deux
ais la teste de leurs enfans, quand ils venoient au monde, et la pressoient ainsi, afin qu’elle
ne demeura pas ronde, mais qu’elle s’estendit en long; ils luy applatissoient aussi le front,
croyant que c’estoit un trait de beauté de l’auoir ainsi.
**) Pour ce qui est des dents, elles (les femmes) imitent en tout les hommes : ils se les
liment dès leur plus tendre jeunesse, les vns les rendent par là esgales, les autres les affilent
en pointes, en leur donnant la figure d’une scie, et ils couvrent d’un vernis noir et lustré, ou
de couleur de feu, et ainsi leurs dents deuiennent noires ou rouges comme du vermillon; et
dans le rang d’en haut, ils font vne petite ouuerture qu’ils remplissent d’ôr,, qui brille d’avantage
sur le fond noir ou rouge de ces vernis.
barten Malaien importirt worden sei. Indess muss ich zugestehen, dass auch
diese Argumente zweifelhafter Natur sind, und nachdem wir durch Hrn. Ki e d e 1
erfahren haben, dass auf einer benachbarten Insel die Deformirung der Schädel
noch heute betrieben wird, so liegt die Frage nahe, ob nicht auch die Lanang
Schädel einer neueren Zeit angehören, als ich angenommen hatte. Immerhin is
es bemerkenswert!!, dass jene starke Abplattung, wie sie sich bei den Schädeln
aus der Höhle von Lanang findet, unter der ganzen Reihe der übrigen Schädel
nicht wiederkehrt, und wenn man dazu die übrigen, sehr bemerkenswerthen Charaktere
der Lanang-Schädel nimmt, so halte ich es immer noc ur se r wa
scheinlich, dass sie ein hohes Alter haben. f
Zum Schlüsse will ich noch auf einen Punkt aufmerksam machen, worauf
ich bei einer späteren Besprechung der Peruanerschädel noch zuruckkommen
werde. Es findet sich nämlich bei dem Mädchen-Schädel von Tabaco der auch
deutliche Zeichen der seitlichen Abplattung darbietet, jenes grosse Schalt Stuck
zwischen den Scheitelbeinen und der Hinterhauptsschuppe (Os epactale) vor,
welches man mit dem Namen Os incae belegt hat. Dasselbe ist fast vollkommen
dreieckig und misst an der Basis 115, an den Schenkeln 76 7 1 im- Ç
urgire dieses Vorkommen deshalb, weil in der neueren Zeit durch Gosse (Bull,
de lasoc. d’anthropol. de Paris 1860, Vol. I. p. 549- Mémoires de lameme
soc. T. I. p. 165) und J a c q u a r t (Bullet. 1865. T. VI. p. 720) der Bedeu
tung dieses Knochens meiner Meinung nach etwas zu wenig Werth beigelegt
worden ist. Man hat sich bemüht zu zeigen, dass diese Trennung m einer einfachen
Entwicklungs-Hemmung beruhe, weil in einer früheren Zeit des Fötal
lebens diese Trennung stets vorhanden sei. Allem daraus folgt meiner Meinung
nach nichts Erhebliches für die Bedeutung eines solchen Vorkommens nach der
Geburt. Ich habe in der letzten Zeit eine grosse Anzahl von Schädeln neuge-
bomer Kinder maceriren lassen; es war kein einziger darunter, bei welchem
eine solche Trennung noch existirte. Diese ist eine solche Rarität, dass jedesmal,
wo sie vorkommt, die Frage nach der Ursache derselben aufgeworfen werden
muss. Nun ist es doch nicht gering anzuschlagen, dass unter 8 Philippinen
Schädeln sich einer mit einem solchen Beine befindet. Noch bedeutungsvoller
wird dieser Fund dadurch, dass auch unter den von Hrn. Ja gor mitgebrachten
16 Schädeln ein gleicher ist und zwar einer aus. der zweiten Hohle von Nipa-
Nipa auf Samar (Z. 865). Er gehört einem erwachsenen, kräftigen Manne an.
Der Zwischenknochen ist 50 Millim. hoch, an der Basis 115, an den Schenkeln
2 c 28 Millim. lang, reicht bis dicht über die Protuberantia oceipitalis externa
und ist hier durch eine starke Zackennaht abgesetzt. Was aber noch merkwürdiger
ist, der einzige Negrito- oder Aita-Schädel von Manila, der sich in der
anthropologischen Gallerie des Jardin des Plantes zu Paris befindet, besitzt nach
J a c q u a r t gleichfalls ein Os epactale.
Das Alles mag Zufall sein, aber es wäre doch ein sonderbarer Zufall. So
hat man auch Zweifel über die Bedeutung des Os incae bei den Peruanern aufgestellt
Wir haben neulich aus Peru zwei alte Schädel bekommen ; emer davon
hat das Schaltbein in vollster Ausbildung. Nirgends sonst, soweit es uns bekannt
ist, zeigt sich dasselbe in einer solchen Häufigkeit, und ich möchte daher wohl
annehmen, dass hier eine ethnologische Eigenthümlichkeit hervortritt, die nicht
als eine gewöhnliche und nichtssagende Erscheinung aufgefasst werden darf. Es
wird ein Gegenstand unserer späteren Betrachtung sein, wie dieses Vorkommen
zu erklären ist und ob daraus irgend welche Aufschlüsse in Bezug auf die Völker