236 ABERGLAUBE.
zeit baut er mit Hülfe seiner Verwandten und Freunde das Haus für die
neu zu gründende Familie.
Ehebruch ist häufig, Eifersucht selten und fuhrt nie zu Gewaltthätig^
keiten; der Beleidigte geht mit dem Schuldigen gewöhnlich zum Pfarrer,
der mit einer Strafpredigt für den Einen und Trostworten für den Anderen
Alles wieder in’s Geleise bringt. Ehefrauen sind leichter zugänglich als
Mädchen, aber auch diesen wird die Aussicht auf Verheirathung durch
Fehltritte im ledigen Stande kaum geschmälert. Mädchen unter väterlicher
Gewalt werden in der Regel streng gehalten, schon um die Dienstzeit des
Freiers zu verlängern. Der äussere Schein wird bei den Bisayern noch
mehr gewahrt als bei den Bicols und Tagalen. Auch hier herrscht die irr-
thümliche Ansicht, dass die Zahl der Frauen die der Männer übersteige
(vergl. S . 45). Mütter von 12 Jahren kommen vor, aber selten. Frauen
gebären 12 bis 13 Kinder; es sterben indessen viele derselben, und F a milien
mit mehr als 6 oder 8 Kindern sind äusserst selten.
E s herrscht viel Aberglauben. Ausser dem katholischen Marienbildchen,
das jede Indierin an einer Schnur um den Hals trägt, haben Viele auch
heidnische Amulete. Ich hatte Gelegenheit, ein solches zu untersuchen;
das einem sehr kühnen Verbrecher abgenommen worden war. Es bestand
aus einem Unzenfläschchen, vollgestopft mit feinen, anscheinend in Oel gebratenen
Wurzelfasern, war von den heidnischen Stämmen bereitet und
hatte die Eigenschaft, den Besitzer stark und muthig zu machen. Die G e -
fangennehmung des Letztem war sehr schwierig; sobald ihm aber das
Fläschchen entrissen w a r , gab er allen Widerstand auf und liess sich binden.
Fast in jedem grössern D o r f giebt es eine oder mehrere Asü än-Fami-
lien , die allgemein gefürchtet und gemieden, wie Ausgestossene behandelt
werden und sich nur untereinander verheirathen können. Sie stehen im
Rufe, Menschenfresser zu sein. Vielleicht stammen sie von solchen ab? !
Der Glaube ist sehr allgemein und festgewurzelt. Darüber zur Rede gestellt
antworteten alte einsichtsvolle Indier, sie glaubten allerdings nicht,
dass die Asuänen jetzt noch Menschen frässen, aber ahne Zweifel hätten
hre Vorfahren es gethan.[)3°]
A lte Legenden, Traditionen, Lieder sollen nicht vorhanden sein. Bei
ihren Tänzen singen sie zw a r ; es sind aber Improvisationen ohne Geist,
130) Eigentliche Menschenfresser werden in den Philippinen von den alten Schriftstellern
nicht erwähnt. Pigafetta (S. 127) hat gehört, dass an einem Fluss, am Cap Benuian (N.-Spitze
von Mindanao), Leute wohnen, die von ihren gefangenen Feinden nur das Herz und zwar mit
Zitronensaft essen. Dr. Semper (Philippinen 62) fand denselben Brauch mit Ausnahme des
Zitronensaftes an der Ostküste von Mindanao.
GÖTZENBILDER. 237
meist obszön. Denkmäler früherer Zivilisation haben sich nicht erhalten.
»Tempel besassen die alten Pintados, nicht, jeder machte sich seine A n i-
tos im Hause selbst, ohne besondere Feierlichkeit.« (Morga f. 145 v.).
Pigafetta (S. 92) erwähnt zwar, dass der König von Cebu, als er Christ geworden,
viele am Seestrande erbaute Tempel zerstören lieSs, es mögen indessen
wohl nur Bauten sehr vergänglicher A r t gewesen sein. Bei gewissen
Gelegenheiten feierten die Bisayer ein grosses Fest P a n d o t , bei
welchem sie ihre Götter in eigens erbauten mit Blumen und Lampen geschmückten
Laubhütten verehrten. Sie nannten diese Hütten Simba oder
Simbahan (so heissen jetzt die Kirchen) »und dies ist das einzige, was sie haben,
das einer Kirche oder einem Tempel ähnlich sieht«. (Informe l. 1. 17) .
Nach Gemelli Careri, (S. 449) beteten sie auch einige besondere, ihnen
von ihren Vorfahren hinterlassene, von den Bisayern D a v a t a (Divata),
von den Tagalen A n i t o genannte Götter an ['=>']; es gab auch einen S e e -
Anito und einen für das Haus, um die Kinder zu behüten. Unter diese
Anitos wurden ihre Grossväter und Urgrossväter versetzt, die sie in allen
Nöthen anriefen (s. S. 210), zu ihrem Gedächtniss bewahrten sie kleine
hässliche Bildsäulen von Stein, Holz, Gold und Elfenbein, welche sie L i e h e
oder L a r a v a n nannten. Auch zählten sie zu ihren Göttern Alle, di.e durch
das Schwert umkamen, vom Blitz getödtet, oder von Krokodilen gefressen
• wurden und glaubten, dass ihre Seelen gen Himmel stiegen auf einem Bo-,
gen, den sie B a i an g a s nannten. Pigafetta (S. 92) beschreibt die von ihm
gesehenen Idole folgendermaassen: »Sie sind von H o lz , konkav oder
hohl ohne Hintertheile, ihre Arme sind geöffnet, auch die Beine, die Fusse
nach oben gekehrt. Sie haben sehr grosse Gesichter mit vier gewaltigen
Zähnen, Eberstosszähnen ähnlich, und sind ganz bemalt. [,32]
131) Der Anito kommt bei den Völkern des malayischen Archipels als Antu vor, der
Anito der Philippinen ist aber wesentlich ein Schutzgeist, der malayische Antu mehr dämom-
scher Art.
i 3z) Mir sind dergleichen Götzenbilder nie vor Augen gekommen. Die m Bastian und
Hartmann’s Zeitschrift für Ethnologie B. I. Tafel VIII. abgebildeten »Idole aus den Philippinen
« deren Originale sich im Berliner ethnographischen Museum befinden, sind zwar in den
Philippinen erworben, gehören aber nach A. W. Franks unzweifelhaft den Salomons-Inseln
an. Im Katalog des Prager Museums Abth. I I -V I I I S. 46 sind aufgeführt: vier hölzerne
Götzenköpfe von den Philippinen, welche der böhmische Naturforscher Thaddäus Hanke, der im
Aufträge des Königs von Spanien im Jahre 1817 die Südseeinseln bereiste, mitgebracht hat.
Die auf meinen Wünsch von der Direktion des Museums gütigst hergestellten Photographien
entsprechen aber durchaus nicht obiger Beschreibung, deuten vielmehr auf die Westküste von
Amerika, das Hauptfeld der Thätigkeit Hänke’s. Auch die aus seinen nachgelassenen Papieren
hervorgegangenen Reliquiae botanicae geben keinen Aufschluss über die Herkunft je-
ner Idole.