
melanesisch, sondern beträchtlich mit Bicol-Elementen versetzt. Doch haben die
Leute noch sehr krauses Haar, das keine Eigenthümlichkeit der Malaien bildet.«
Hr. D a v i s giebt über die Herkunft seiner Negritos-Schädel nichts Genaueres
an. Es ist das um so mehr zu bedauern, als dieselben unter sich verschieden
sind. Zwei davon sind dolichocephal und einer brachycephal, so dass der eigentliche
Rassen-Typus schwer gefolgert werden kann. Hr. D a v i s selbst schwankt
daher über die Bedeutung der Form. Es liegt auf der Hand, dass, wenn es sich
* um einen exquisit dolichocephalen Typus handelte, die Aehnlichkeit mit den
übrigen schwarzen Rassen gross sein würde.
Was nun den Schädel von Arituktuk (oder Yriga) betrifft, so gehört er einem
ausgewachsenen, aber wahrscheinlich jüngeren Manne an. Es fand sich freilich
an dem zugehörigen Skelet, dass die Knorpelfuge zwischen dem Handgriffe des
Brustbeins und dem Körper desselben noch offen war, allein dies war die einzige
Stelle, welche sich so verhielt. Ausserdem war ein mit beträchtlicher Verkürzung
(um 3,5 Centim.) geheilter Knochenbruch am rechten Oberschenkel vorhanden.
Nicht unwahrscheinlich trägt der überaus zarte und gracile Knochenbau einen
Theil der Schuld an der Fraktur. Die Knochen sind nämlich durchweg wenig ausgebildet*)
und von nahezu kindlichem Aussehen. Zugleich zeigen einzelne
leichte Krümmungen, jedenfalls stärkere, als wir sonst zu sehen gewohnt sind,
so dass mancher, namentlich der französischen Ethnologen, auf eine rachitische
Form derselben zurückzugehen geneigt sein möchte. Ich will in dieser Beziehung
besonders darauf aufmerksam machen, dass bei den Debatten über die prähistorische
Bevölkerung Frankreichs vor allen anderen Knochen das Schienbein die
Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Auch bei der Negrito-Tibia hat die seitlich
comprimirte Form ihrer oberen Hälfte etwas sehr Auffälliges. Der Knochen
ist hier' fast so platt, wie eine Säbelscheide; er hat eine hintere Crista, welche
beinahe so beschaffen ist, wie sonst die vordere. Dagegen ist die Fossa supra-
condyloidea humeri undurchbohrt. Besonders abweichend von den bekannten
Formen ist die Gestalt des vorderen Randes des Darmbeines; hier. steht die
Spina ant. inferior so stark nach innen (hinten) und die über ihr liegende Incisura
iliaca minor ist so beträchtlich, dass dadurch eine ganz specifische Bildung entsteht.
Der Schädel besitzt dem entsprechend eine nur mässige Capacität; er hat
nur 1350 Ccm. Gehalt, immerhin genug, um ihn von den Australierschädeln zu
trennen. Seine Gestalt ist eine ziemlich gleichmässig rundliche: die Stirn ist
voll, der Scheitel hoch gewölbt, die Schläfengegend ausgelegt, die Hinterhauptsschuppe
stark gerundet. An letzterer findet sich rechts ein besonderer Processus
paracondyloideus mit überknorpelter Gelenkfläche; da der Atlas leider fehlt,
so lässt sich nicht genau sagen, in welcher Weise die Verbindung mit dem Querfortsatze
des Atlas stattgefunden hat. Bei der Messung hat der Schädel sich als
wesentlich brachycephal ergeben; der Breiten-Index beträgt 83,4 bei einem
Höhen-Index von 77,1 o (Höhe zu Breite = 93,2: 100). Obwohl er sich in
diesen Verhältnissen den früher von mir vorgelegten Philippinen - Schädeln,
namentlich den jüngeren aus der Höhle von Nipa-Nipa nähert, so bietet er doch
Manches dar, was ihn von jenen unterscheidet. Insbesondere ist die Bildung
des Gesichtsskelets höchst abweichend; nur einer der früheren Schädel (Z. 865)
steht ihm näher. Ich erwähne hier vor Allem die ungewöhnliche Zartheit der
Knochen des Gesichts, die selbst, wenn man eine jugendliche Entwicklung an*)
Das Os femoris ist 38 Centim. lang, die Tibia 30,5, das Os humeri 27, der Radius 21.
nehmen wollte sehr auffällig sein würde. Wenn man jedoch die Zähne^vergleicht,
so wdebT sich eine sehr merkliche Abschleifung der Schneide- und Mahlzahne,
welche beweist, dass das Individuum nicht im Jugendalter gewesen ist Ausser
dem sind die Synchondrosis spheno-occipitalis vollständig, der untere Abschnitt
d e i Sutura coronaria links und die unteren Abschnitte der Sutura lambdoides
beiderseits verknöchert; der Processus styloides rechts hat eme ungewöhnliche
Länge und Stärke; alle Muskelinsertionen sind durch tiefe Unebenheiten Gruben
und Vorsprünge bezeichnet; die Superciliargegend ist durch dicke und porose
Wülste ausgezeichnet, welche über der Nase Zusammengehen. Nimmt man zu
diesen anatomischen Merkmalen die Angabe des Hrn. S c h e te l i g , dass der
Mann ein Häuptling gewesen sei, so wird kein Zweifel bleiben können, das dieser
Schädel einem vollkommen ausgewachsenen Individuum angehorte. Keiner von
den anderen Schädeln hat eine so verkümmerte Gesichtsbfidung wie dieser sie
erinnert fast an die von mir beschriebene Physiognomie des Lappengesichts.
Die ganze Höhe (Nasenwurzel bis Kinn) beträgt nur 103 Millim., die Hohe der
Nase 46, die mediane Höhe des Unterkiefers 25, der Maxillar-Durchmesser 60.
Nur die Orbita (37,4 breit und 34,6 hoch) ist stark entwicket und ihre mehr
quer-viereckige Gestalt unterscheidet sie wesentlich von den Augenhöhlen aller
anderen Philippinen-Schädel. Dem entsprechend ist auch die Nasenwurzel schmal,
der Nasenrücken scharf vortretend und scheinbar eine Adlernase.andeutend.
Der Oberkiefer hat leider in der Mitte des Alveolarrandes einen kleinen Defect,
trotzdem kann man ziemlich sicher erkennen, das nur em sehr geringer Prognathismus
des Oberkiefers vorhanden war. Am Unterkieferfehitderselbeganzlic^
Dies ist wohl der grösste Unterschied von den vorliegenden Bicol-Schadeln. Es
ist weiterhin in der Schädelbildung dieses Mannes auffallend, so wenig Ueber
einstimmung mit den gewöhnlichen Verhältnissen der wilden Rassen zu finden:
d k Plana semicircularia reichen nicht weit hinauf, die obere Wölbung zwischen
den Ansätzen der Schläfenmuskeln ist sehr gross, die Jochbeine treten nicht sehr
stark hervor, der Kieferast ist von geringer Stärke. Es lasst sichdaher nicht ver
kennen, dass die ganze Form den äusseren Verhältnissen nach nichts Wildes
an sich trägt, und wenn man hinzunimmt, dass auch die Lange der Schädel
knochen ziemlich gute Verhältnisse daxbietet, so muss man sagen, dass die Scha
delform sich deutlich den civilisirten annähert. Schon aus diesem Grunde muss
eine mögliche Verwandtschaft mit der australischen Rasse entschieden abgelehnt
werden. Andererseits ist es gewiss bemerkenswerth, dass in Beziehung auf die
Zartheit der Gesichtsbildung wohl die jüngeren Schädel aus der Nipa-Nipa-Hohle
eine gewisse Uebereinstimmung darbieten, aber keineswegs die Kirdihofsschadel
von Tabaco und Tibi. Bei allen diesen ist das Gesichtsskelet sehr stark ent
wickelt, namentlich die Jochbeine sehr vorspringend, der Oberkiefer und die
Nasenwurzel breit, das Gesicht hoch und vor allen Dingen ein überaus starker
Prognathismus des Ober- und Unterkiefers, so dass besonders am Oberkiefer
der Alveolarfortsatz sich fast der horizontalen Stellung nähert. Selbst der jugend
liehe im Ganzen sehr zarte und kleine Schädel von Tabaco zeigt in Beziehung
auf die Gesichtsbildung die grösste Differenz, und namentlich die vorsprmgenden
Zähne bilden den geraden Gegensatz gegenüber den Verhälttnssen bei dem
Arituktuk-Schädel. Bei den Bicols ist in der That eine affenartige Construction
der Fresswerkzeuge vorhanden. ^ .._____
Im Uebrigen bilden diese Kirchhofs-Schädel eme vortreffliche Ergänzung
d e s v o n H r n . J a g o r mitgebrachten Materials, insofern sie uns die Osteologie
der neueren Bevölkerung kennen lehren. Alle fünf bieten unter sich einegrosse
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J a g o r , Philippinen.