die Fischer ihre Boote ans Land ziehen. Wir sind jetzt bei der Höhle von Artä angelangt. Zweifellos
ist diese Höhle schon den ersten Bewohnern Mallorca’s bekannt gewesen; die zweite Höhle
(Segona Cova) wurde erst 1806 entdeckt. Bis zum Jahre 1860 musste man mit Anwendung von
Stöcken und Körben in dieselbe hinabsteigen, dann wurde sie durch eine Steintreppe zugänglich
gemacht. Die im Distrikt von Capdepera gelegene Höhle heisst zwar Cova de s’ Ermita, doch ist
sie im Lande unter dem Namen Cova de Arta bekannter. Die Beleuchtung geschieht durch
Petroleum-Lampen, die auf Stangen von Führern vorangetragen werden, sowie durch bengalisches
Feuer, welches der Besitzer liefert. Man braucht sich nur an den Bevollmächtigen von Artä zu
wenden, um Führer und Lichter zu erhalten. Einmal im Jahre wird den Bewohnern von Palma
Gelegenheit gegeben, diese Höhle zu besuchen, indem ein mallorquinischer Dampfer eine Lusttour
dorthin unternimmt. Imposant ist der dachförmige Eingang zur Grotte, eine Spitzbogenwölbung
bildend, zu dem die 45 stufige Treppe hinaufführt. Man hat von hier eine prachtvolle Aussicht
auf das Meer und auf die ersten Vorgebirge zur Linken, welche von in grösser Zahl umherfliegenden
Cormoranen belebt werden. Von der Treppe aus gelangt man in den ersten Saal mit prachtvollen
Stalaktit-Säulen; eine weitere Treppe leitet von hier in den zweiten Saal. Einzelne bevorzugte
Punkte der Höhlen haben ihre eigene Namen, welche die Phantasie der Besucher ihnen bei-
gelegt hat. So heisst ein schmaler Gang Quart de ses Criadas; ausserdem giebt es hier einen Infern,
Möwenkopf, Kanzel, Löwe, Cypresse. Wenn man nach oben geht, folgen die Obra fina de Mallorca,
der Bellem, die Balustrade der Font del Bautisme, der Teatro und die Stalaktitenwand der Au-
diencia. Letztere hat auch viele Stellen mit eigenen Namen; so giebt es einen Lehnstuhl und oben
eine Flagge, eine Orgel und zwei weitere Flaggen. Dann kommt zur Rechten ein kugelförmiger
Tropfsteinfelsen, wegen seines Glitzerns die Pedra de Plata genannt. Darauf folgen zwei kleinere,
aus lauter Stalaktiten bestehende Kammern, die dem Gerippe eines sehr grossen Thieres sehr
ähnlich sind. Auf einem ganz schmalen Pfade geht es weiter nach unten. Es folgen säulenförmige
Stalaktite und eine hohle Wölbung. Dieser Raum hat keinen weiteren Ausgang. Von der Pedra
de Plata biegt man links ab und kommt in einen grossen Saal, in welchem die Stalaktite wie die
Blüthen des Blumenkohls aussehen. Auch dieser Saal hat keinen Durchgang. Man biegt rechts
ein und sieht ein prachtvolles Vestibül, dessen Eingang von ganz dünnen und schlanken Säulen
gebildet ist. Weiterhin folgen zwei Pfeiler und ein anderer grösser Saal mit Stalaktit-Wölbung
und -Wänden, aber ohne Durchgang. Eine Steintreppe führt in einen weiteren grossen Saal, der
Aehnlichkeit mit dem Innern eines Doms hat. Es befinden sich hier grosse Felsblöcke und einzelnstehende
Pfeiler. Hierauf kommt eine kleine Halle, und eine schmale Thür, durch welche man
gebückt gehen muss, führt in die sog. Kirche mit sehr hoher Felsenwölbung. Sodann gelangt man
in die Capella del Rose. Eine weitere Treppe führt in einen Saal von riesigen Dimensionen, der
von einem einzigen starken Pfeiler gestützt wird. Von hier kommt man in eine zeltartige Halle
mit vortretenden Stalaktit-Wänden, die sich gegen oben zuspitzen. Links ist ein Saal mit Pfeilern.
In einem zweiten Vestibül mit Stalaktitdach, Columna de Bronzo genannt, ist ein röhrenähnlicher Tropfstein,
der einen eigenthümlichen Klang von sich giebt, wenn auf denselben geschlagen wird. Unweit
davon ist die Mare de Deu del Pilar, und hinter diesen beiden liegt die Sala de sa Font.
Von da ab bildet eine Reihe, theilweise dicht verbundener Stalaktite ein natürliches Gitter, hinten
mit einem schmalen Durchgang versehen. Durch ein kleines Zimmer tritt man weiter in einen
grossen Saal mit Stein Wölbung, grossen herabhängenden Stalaktiten, fächerartigen Wänden und
zahlreichen dünnen Pfeilern. Unter denselben führt der Weg durch mehrere kleine Zimmer, um
einen grossen Pfeiler herum, wieder zurück, und man gelangt dann in einen weiteren grossen Saal
mit Tropfsteinen. Man biegt hierauf links ein, und ein schmaler Durchgang führt in einen grossen,
sehr hoch gewölbten Saal mit Vorhängen. Man muss längere Zeit in der Grotte umher wandeln,
um die seltsamen Gestalten dieser Unterwelt ordentlich in Augenschein zu nehmen, schon eine nur
halb oberflächliche Wanderung nimmt eine volle Stunde in Anspruch. Doch sehnt man sich endlich
aus der warmen dumpfen Atmosphäre heraus, und doppelt erfrischend und belebend erscheint die
Seebrise, wenn man wieder beim Thore angelangt ist.
Wenn wir von der Cova de s’Ermita unsere Schritte gegen die Mitte des Thaies zu lenken,
führt uns von der am Meere gelegenen Cova des Aubardans eine Fahrstrasse an den'Häusern von
Canamel und Artá vorüber zu der Torre de Cañamel, welche aus der Mitte des 15. Jahrhunderts
stammt. Vielleicht ist sie auch auf den Trümmern eines älteren Thurmes errichtet worden. Um
diese Zeit ihrer Errichtung scheint der Bau des Zuckerrohres (Canamel) in jener Gegend eingeführt
worden zu sein. Vielleicht hat der Thurm früher als Zuckerfabrik (Trapitx) gedient. Derselbe ist
■ ein viereckiger Bau mit Wurfluken, welche durch einen Tragstein und zwei Ecksteine an den
Seiten gestützt werden, von denen die an den Ecken stehenden im Winkel vorspringen, und vielen
anderen hervorragenden Tragsteinen an den Seiten. Den Eingang bildet ein Rundbogenthor; die
beiden Rundbogenfenster sind klein, die Zimmer gewölbt; der Saal hat drei Rundbogeneingänge;
es liegen drei Salas neben einander, zu denen eine Wendeltreppe führt. Oben sind wieder Zimmer,
von denen man zu der Thurmterrasse gelangt, von welcher aus die vielen Fensterchen und Wurfluken
zugänglich sind, und in der Mitte derselben erhebt sich ein kleinerer, ebenfalls bedachter Thurm.
Um das ganze Cebäude geht eine Clasta. Gegenüber liegen zwei zerfallene Papiermühlen.
Der Sumpf von Cañamel, in welchem Aale leben, steht mit dem Meere in Verbindung.
Wir kehren nunmehr nach Artá zurück und schlagen zu diesem Behufe den ziemlich guten
Weg nach Son Servera ein. Derselbe führt zunächst an ein paar Windmühlen vorüber; zur Linken
sieht man Capdepera auf den Hügeln liegen, in dem Thale kleine Häuser mit abfallenden Ziegeldächern
und auf dem nahen bewaldeten Hügel das Possessionshaus von Son Catiu. Auf der Einsattelung
angekommen, überschaut man das Thal und Port V e y , welcher als Hafen für Artá betrachtet
werden kann. Auf dem steinigen Boden ist meist Weizen angebaut. Dazwischen stehen
theilweise Mastixgebüsche und weiter oben Oelbaumpflanzungen. Man kommt an einem grösseren
Possessionshause mit niedrigem Thurme und bedachter Terrasse vorbei. In der Nähe stehen eine
Windmühle und ein einfaches Bauernhaus, und der Weg zieht sich nun gegen spitzige, spärlich
mit Gebüsch bewachsene Hügel hin. Nachdem man ein Bachbett überschritten hat, gelangt man
in ein mit Oel- und Feigenbäumen bepflanztes Thal, in welchem einige Norias, kleine Weinberge
und Anpflanzungen von spanischem Pfeffer vorhanden sind. Jetzt erblickt man Son Servera
am Fusse eines Schieferstein-Hügels, während sich auf einer niedrigeren, rechts gelegenen Anhöhe
einige Windmühlen befinden. Es ist ein flacher, unschöner, von einem kleinen Bach durchzogener
Ort mit 1577 Einwohnern. Weinberge, Mandelbäume und kleine Opuntiengärten liegen neben
den 391 einstöckigen Häuschen. Die Kirche steht auf dem Plätzchen de la Yglesia, welche früher
nur ein von Artá abhängiges Oratorium war, und lag an der Stelle der jetzigen Hochaltarkapelle,
welche sich unterhalb des Thurmes befindet. Letzterer wa r zur Vertheidigung gegen die Mauren
erbaut worden und ist jetzt Glockenthurm. Im Jahre 1861 hatte die Kirche schon die Länge der
drei ersten Kapellen, und 1763 wurde eine weitere Kapelle angebaut. Im Jahre 1823 gab man
ihr die jetzige Gestalt, wo auch zugleich die Empore erbaut wurde. Die Kirche, Sn Juan
Bautista geweiht, hat einen Seiteneingang, einen alten viereckigen, bedachten Thurm mit zwei
Spitzbogenfenstern auf jeder Seite. Das Innere weist ein Tonnengewölbe und fünf Seitenkapellen
mit Altären auf. Ueber dem Eingänge ist eine Empore mit Orgel, und darunter befinden- sich
ebenfalls zwei Kapellen. Der Hochaltar stand ehemals in der Kirche von Sn Nicolas Veil oder
Nicolauet von Palma; in dessen Mitte hängen ein kleines Bildniss der Nuestra Señora del Rosario
und an beiden Seiten zwei Bilder, welche den heiligen Petrus und Johannes Baptist darstellen.
Bei Son Servera erhebt sich der Puig Gros de s’Estepá als Fortsetzung der Colls de Artá; daran
schliesst sich der Puig Segut und zur Linken der Puig de sa Font. Die Font des Molins treibt drei
Wassermühlen, während die weiter oben gelegene Font d’en Rebassa nur einer Mühle Wasser
giebt. Am Ende der Ortschaft liegt Cal Hereu mit einem viereckigen Thurm zur Linken und einem
Vorsprung hinten gegen den Corral zu. Von dessen Terrat bietet sich Aussicht auf das Thal bis
zur Guya bei Capdepera und auf das Meer. Eine Fortsetzung des Puig de sa Font ist die Montana
de cal Hereu, von welcher ein Fahrweg bis zum Port Nou hinabführt. Dieser geht an Son
Sard und Son Pula vorüber, die beide mit viereckigen Thürmen versehen sind. Hierauf kommt
das grosse Haus von Rafalet und dann die Oelbaumausbuchtung von Rafal mit Se Resclö, während
zur Linken der Puig d’en Mi liegt. Passirt man den Coli de Son Catiu und lässt zur Linken den
Balearen II. | |