Knochenreste, die, wie man sagt, zur Zeit einer Seuche dorthin geschafft worden sind. Der Weg
geht nunmehr ziemlich stark bergab; rechts oben sieht man Son Rullan hervorblicken, dessen wir
später noch gedenken werden, und erreicht bald darauf Son Marroix, das östlichste Haus von Miramar.
Son Marroix oder Son Mas Roix de sa Foradada, wie es in den Urkunden genannt wird,
ist das am schönsten gelegene Haus Mallorca’s. Die Foradada hat man hier zu Füssen. Das Haus
von Son Marroix, zu welchem ein doppelter Fahrweg führt, ist, wie der Spitzbogen der Eingangshalle,
ein Renaissancefenster im kleinen Hofe und der dicke viereckige Thurm bekunden, ziemlich
alt. Der Ueberlieferung nach sollen hier die Mauren ihren letzten Frauenraub in Deyá ausgeführt
haben. Neben dem Hause wachsen einige alte Celtisbäume, Belhombras, Eucalypten und zahlreiche
Palmen. Hinter einem sehr grossen, von Palmen und Lorbeerbäumen beschatteten Abeurador, in
welchen das Wasser aus einem kleinen Sefareix fliesst und sich in einen zweiten ergiesst, befindet
sich ein Gärtchen mit Mammillarien und Yukkas. Von diesem gelangt man auf einer eisernen
Wendeltreppe innerhalb einer Hausruine auf die von einem Marmorgeländer umgebene Terrasse
des grossartigen Aujub. Zu diesem führt in seiner ganzen Länge eine breite Gradinade hinauf.
Ein Seitenbalcon von Eisenconstruction gewährt einen Einblick in den sonst nur durch eine mittlere
runde Oeffnung in der Wölbung erleuchteten Raum, in welchen das Wasser hinabrauscht. Dieses
wird von einer Quelle geliefert, die etwas höher, unweit der Fahrstrasse, durch einen tiefen Tunnel
fliesst und sich in einen Sefareix ergiesst. Das Schönste von Son Marroix ist sein Mirador, wo
ein elegantes ionisches Tempelchen aus weissem carrarischen Marmor sich erhebt. Hier überblickt
man die ganze, in grossartigem Bogen sich hinziehende Landschaft von Miramar, die Hospedería,
Miramar, Son Gallard, mit dem Estretthale bis zu dem hoch emporragenden Son Rullan
und dem nahen Hügel des Castellás und das zauberhafte blaue Meer. Unterhalb des Hauses bei
der grossen Sala de Ultramar finden sich Gartenterrassen und weiterhin Cactusfeigenpflanzungen.
Doch Wir schreiten vom Mirador nach unten weiter seewärts zwischen Felsen hindurch und gelangen
nach dem Mirador de sa Foradada, einer mit guten Bänken umgebenen natürlichen Erweiterung
am Saume des Felsenkammes, in dessen Mitte ein breiter Tisch steht. Der gebogene Stamm
dieses Tisches stammt von einem Oelbaume. Noch schöner als vom Mirador aus übersieht man hier
die gesammte Foradada. Namentlich bei Sonnenuntergang, wenn der Spatz seine Stimme von den
Felsenfirsten hören lässt, das Gejauchze der Seemöwen und der Cormorane ertönt und der Fischadler
die Gegend umfliegt, weilt man hier gern. Das Auge ergötzt sich an den blinkenden Segelschiffen
oder den dahinfahrenden Dampfern. Man vermag kaum zu fassen, wie dem Auge so viel
Genüsse landschaftlicher Formen und Farbenpracht auf einmal geboten werden können, denn
das Meer ist ultramarinblau und die Foradada purpurroth und wirft ihren schwarzen Schatten in
die durchsichtige Fluth. Nicht minder grossartig ist der Anblick an stürmischen Tagen, wenn
Welle auf Welle an dem Felsenrücken brandet und machtlos in Cascaden von Schaum zurückprallt.
Tief, düster, ja unheimlich ächzt der Bufador in der Felsenspalte der Foradada wie Kanonendonner,
wenn er die Wellen schlürft, und . nahe über uns hören wir mächtigen Flügelschlag von den
Geiern im Gebirge. Zwischen einem Felsenkamme geht der Weg zur Foradada hinab. Rechts
von einem dieser Felsenkämme, Es Mirador des Single, überblickt man die tiefer liegende Marina.
Etwas tiefer stösst man auf den Weg zu den Höhlen. Man lässt nämlich den Weg zur Foradada
rechts liegen, der, tiefer hinab durch den Strandkiefernwald sich hinziehend, in zwei Wege ausläuft,
die sich beide schliesslich mit der vom Guix kommenden Carretera verbinden. An dem
einen ist ein grösser, runder Mirador, von dem man wunderschön die hier nunmehr nahe Foradada
übersieht. Eine fast ebene Strecke führt zu der Camí de ses Covas, dem kleinen Mirador de se
Ferradura, von wo man zum ersten Male die Höhlen sieht. Dieselben sind schöner, als jene von
Miramar. Vereinzelt steht in den Felsspalten ein Feigenbaum. Ein Stufenweg zieht sich durch das
ehemalige Bett des Torrenten die Höhlen entlang. Am Saume der von Mastixsträuchern umwucherten
Felsenwände und an der Caseta de sa Guarda vorbei führt ein Weg mit umfassender
Aussicht zum Mirador de sa Foradada zurück.
Der schönste Ausflug von Son Marroix ist aber der zum nahen Castellas. Der Hügel ist
unten mit Oel- und Johannisbrodbäumen, sowie mit einigen Pinien, weiter oben mit Eichen und
Strandkiefern bewachsen. Auf der flachen Anhöhe wachsen junge, gepfropfte Oelbäume. Hier
ist der schönste Aussichtspunkt der Insel, denn man kann die ganze Nordküste von der Dragonera
bis zur Torre Picada von Soller übersehen und hat zu seinen Füssen die Ausbuchtung von Miramar,
sowie das gesammte Thal von Deyä. Das Ganze stellt das grossartigste Bild vor, das man sich
ausdenken kann. Das grenzenlose Meer dient hierzu als würdiger Hintergrund. Eine kleine Höhle
in rostfarbigen Abstürzen gegen Westen zu nennt man Sa Cova des Morts. In geringer Entfernung
von den Castelläs liegt Son Rullan, wohin man von Son Marroix aus durch Oelbaumpflanzungen
gelangen kann; vortheilhafter ist es aber, von den Casas Novas aus, an dem Hort von Son Rullan
vorbei, hinaufzusteigen. Das burgähnliche Doppelhaus von Son Rullan hat nichts Bemerkensw
e rte s . Rechts von Son Rullan ist La Moleta, links oben der Serral. Ein steiler, gepflasterter
Weg führt in Windungen von Son Rullan hinab in das Thal von Deyä.
Verlässt man Son Marroix, so führt ein Fahrweg, bergab, auf steinigem Boden, durch
ein Coma genanntes Thal und erreicht hinter einer Verflachung einen Steinvorsprung, auf dem die
Torre de Deya sich erhebt, und die Pedrisa, das erste Haus zu Beginn des Thaies von Deyä. ^ Die
Aussicht auf das Thal und auf die Lehne von Lluchalcari, vom Cap Gros de Soller und den Höhen
der Moleta begrenzt, und dahinter die Berge der Montana de Balitx und des Puig Mayor de Soller,
ist hier besonders schön. Von der Pedrisa geht ein gepflasterter Stufenweg bergan zum dazugehörigen
Hort, bei der Cala hinab, von der später noch die Rede sein wird. Von hier ab führt
die Strasse stets bergab mit der schönsten Aussicht auf das Gärtchen-Thal von Deyä, mit dem in
der Mitte vorspringenden, durch die Kirche geschmückten Puig und dem felsigen Bergkranze des
Teix. Eine Häusergruppe mit einem runden Vertheidigungsthurme in der Mitte bietet sich uns jetzt
dar, Son Bauza genannt. Zur Rechten, mitten in einem Olivenhain, liegt Cas Panere. Stets bergab
gehend, gelangt man gleich zu Anfang der Ortschaft von Deya neben einer auf einem Felsen
stehenden Mühle, die von der Quelle des Moli gespeist wird, auf die neue Strasse gegen Soller
zu, während der alte Fahrweg in dem Thalgrunde von Can Renou vorbei nach der unteren Ortschaftsgruppe
von Deyä hinabführt. Rechts dagegen führt bei Can Quet vorüber ein neuer Weg
im Thale des Moli hinauf nach Can Borras, und jetzt hat man die Ortschaft von Deyä in der Höhe
des Porcho erreicht.
Deya hat viel Aehnlichkeit mit Soller, übertrifft aber dieses an Wasserreichthum, denn es
hat Quellen und Giessbäche in Uebermaafs. Die Häuser liegen mitten zwischen Orangen- und
Obstgärten verstreut, und wenn die unmittelbare Umgebung mitgerechnet wird, so beträgt die
Häuserzahl 281 mit über 800 Einwohnern, während Deyä selbst nur 272 Einwohner in 74 Häusern
hat. Die grössere Häusergruppe liegt in der Thalmulde am Fusse des Puig, am Ausgange der alten
Fahrstrasse und an der Seite eines Stufenweges; die andere Hauptgruppe in der Nähe des Porcho,
ein sog. Ayuntamiento-Gebäude, bildet nur eine Art Gasse. In neuerer Zeit sind viele neue hübsche
Häuser gebaut worden; überhaupt herrscht in Deya ein gewisser Wohlstand, denn eigentliche
Arme giebt es hier nicht, vielmehr hat ein Jeder sein eigenes Häuschen und ein Stück Land.
Zwei Stufenwege zu beiden Seiten führen zu dem theils terrassirten, theils felsigen, aber
überall mit Oel- und Mandelbäumen bewachsenen Puig hinauf, und zwar geht der eine durch die
vorerwähnte Gasse beim Porcho an dem neu erbauten Nonnenkloster, der andere an der einstigen
Posada des Moli vorüber. An die Kirche, welche ganz oben auf dem Puig steht, ist das Pfarrhaus
angebaut. Hier kann man das ganze Kesselthal gegen Westen zu überblicken. Die alte Kirche
bestand schon im 15. Jahrhundert, brannte aber später nieder, und 1760 ist die neue, bedeutend
vergrösserte Kirche eingeweiht worden. Dieselbe zeichnet sich durch Einfachheit aus und hat eine
Fensterrose und ein schmuckloses Portal. Der zur Rechten der Kirche stehende alte Thurm mit
Rundbogenfenstern ist im Jahre 1578 als Zufluchtsort und Vertheidigungsplatz gegen die maurischen
Seeräuber erbaut worden. In dem Thurme war ein Wachtposten aufgestellt, während die Gläubigen
in der Kirche versammelt waren, damit er das etwaige Annähern oder die Landung eines verdächtigen
Schiffes an geeigneter Stelle melden könne. In späterer Zeit ist er aber als Glockenthurm
verwendet worden. Derselbe ist mit Terrassengang und einem Kuppelchen, welches 222 m
über dem Meere liegt, versehen.