Kehrt man nun von Buger auf die Carretera zurück und setzt auf dieser den Weg weiter
fort, so bietet sich ein prächtiger Blick auf die Sierra dar. Allmählich bergab gehend, begegnet
man einer kleinen Thonwaarenfabrik und erblickt die beiden Possessionshäuser Son Gayeta mit
kleinem glockenbogigen Oratorium und tief unten Son Pons. Auf der ganzen Strecke sind die
Felder mit regelmäfsig angelegten Oel-, Johannisbrod- und Feigenbaumpflanzungen bebaut. Links
erhebt sich auf einem der ziemlich entfernt liegenden Hügel, denen die grauen Spitzen der Sierra
als Hintergrund dienen, das grössere Possessionshaus von Son Cladera. Auf dem Hügel oberhalb
des Hauses, welcher Mirador genannt wird, geniesst man eine prachtvolle Aussicht auf eine fruchtbare
Ebene, die den Rahmen der Bucht von Alcudia bildet, durchzogen von der Carretera. Hier
überblickt das Auge die Albufera mit dem Hauptcanal, das ferne Bec de Farrutx und die bewohnte
Ebene bis nach Randa und dem Puig d’ Inca. Die Gegend wird nun flach. Die Gründe werden durch
zahlreiche Norias dadurch bewässert, dass man auf Holzstützen, die allmählich immer kleiner werden,
Thonröhren legt, wodurch gleichsam eine oberirdische Wasserleitung hergestellt ist. Lässt man
den Blick über diese Fläche schweifen, so entdeckt man die Sümpfe der Albufera und die einsame
Ortschaft von Sa Puebla mit ihrer Kirche und ihren Windmühlen, während zur Linken die stille,
von kahlen Felsenbergen umgebene Bucht von Pollenza sich darbietet. Nicht lange dauert es, und
man steht vor den Mauern der alten Stadt Alcudia, wo hinter einem Steinkreuz die Carretera in
die Puerta de Palma ausmündet.
Alcudia, die zweite Stadt von Mallorca, hat ausser dem Namen einer Ciudad nicht
mehr viel von ihrer früheren Blüthezeit bewahrt. Sie wird jetzt von mehreren Villas Mallorca’s
an Grösse und Bedeutung übertroffen. Der Ort zählt 1379 Einwohner und 404, grösstentheils nur
einstöckige Häuser. Ihre Wälle sind verfallen, die Bollwerke verödet und selbst die Häuser zum
Theil verlassen. Nur der am 12. November jedes Jahres stattfindende Jahrmarkt bringt noch etwas,'
Leben in den Ort. Wenn auch die Stadt wegen des dort, jetzt allerdings nicht mehr in so hohem
Grade herrschenden Malariafiebers, das seit der Trockenlegung der Albufera bedeutend abgenommen
hat, sich nicht weiter entwickeln konnte, so ist doch das Land in seiner ganzen Umgebung schön,
classisch sogar sind die Formen der weiten gezähnten Vorsprünge von Formentor und des Bec de
Farrutx. An der Wasserstrasse zwischen Süd-Frankreich und Afrika, dicht bei zwei der ausgedehntesten
Buchten, welche ganze Flotten zu fassen im Stande sind, am Ausgange der Carretera,
der Hauptverkehrs- oder einer fruchtbaren Insel gelegen, hätte Alcudia sicher mehr an Bedeutung
gewonnen, wenn nicht Palma alle grösseren Geschäftszweige an sich gezogen hätte. Dass bereits,
die Römer die Wichtigkeit dieses Platzes erkannt hatten, beweist die Gründung des alten Pollentia,
das, wie es scheint, in kurzer Entfernung von dem jetzigen Alcudia lag. Die Stadt liegt fast vollkommen
in der Ebene, am Beginn der Landzunge des Cap del Pinar. Sie ist mit einer doppelten
Umfassung und Wallgräben, die meist in den weissen Mares-Stein,' auf'dem die Stadt ruht, eingehauen
worden sind, versehen; die aber nun halbzertrümmert und von Kapern überwuchert
werden, weshalb Alcudia auch die Kapernstadt genannt wird. Bevor wir in der Schilderung
Alcudia’s fortfahren, wollen wir einen Blick auf seine geschichtliche Entwickelung werfen. Zur
Zeit der Mauren war Alcudia nur eine Alqueria und erhielt erst von Jaime II. im Jahre 1300 den
Titel Villa. Bereits im Jahre 1334 war Alcudia als befestigter Platz bekannt. Die Mauern scheinen
aber geringe Widerstandsfähigkeit besessen zu haben, denn bereits in den Jahren 1464 und 1496
wurde ein Umbau der Mauerbefestigung angeordnet. Welchen Umfang dieselbe hatte und wie
weit man durch "dieselbe die Form der ursprünglichen Befestigungen Alcudia’s abgeändert hat, lässt
sich nicht feststellen. Allem Anscheine nach muss die erste Befestigung der Stadt ganz oder
wenigstens grösstentheils im 15. Jahrhundert, zur Zeit Alfonso’s V. de Aragon, erbaut worden sein,
welcher bekanntlich von 14 17—1458 regierte. Noch vor dem 15. Jahrhundert war der Platz mit
Bombardas ausgerüstet, und zwar mit 20 Geschützen verschiedenen Kalibers, die in den Bollwerken
aufgestellt waren. Die Courtinen konnten, in Folge des schmalen Erdwalles und weil sie ohne
Banketmauer waren, nur durch Musketenfeuer vertheidigt werden. Als Alcudia im Jahre 17.15 mit
den Truppen von Philipp V. capitulirte, war es durch etwa 500 Mann mit 52 Geschützen vertheidigt.
Man kann annehmen, dass die äussere zweite, mit Bollwerken versehene Befestigung
zu Anfang des 18. Jahrhunderts erbaut worden ist, während welcher Zeit die Besetzung Menorca’s
durch die Engländer den Befestigungen Alcudia’s eine grössere Bedeutung verlieh. Diese nahm
jedoch aber immer mehr und mehr ab, so dass im Jahre 1828 der Posten eines Militär-Gouverneurs
abgeschafft wurde. Die Comisión de Monumentos historíeos y; artísticos erreichte jedoch, dass die
Mauern, welche man zum Abbruch verkaufen wollte, erhalten blieben. Die äussere Mauer stellt
■jetzt ein etwas unregelmäfsiges Viereck dar, und zwar treten die alten Bollwerke ziemlich deutlich
hervor. Die äussere Mauer ist niedrig, und die innere, welche von derselben abermals durch einen
Wallgraben getrennt wird, hat so ziemlich die Gestalt der äusseren, abgesehen von den Vorsprüngen
der verschiedenen Bollwerke. Die innere Mauer besteht aus einer sehr breiten Wand, welche mit
Die Puerta Rotja.
tiefen Schiessscharten, mit viereckigen Zinnen und rund gebauten Wächterhäuschen versehen ist.
Diese Mauer ist so dick, dass oberhalb ein Gang vorhanden ist, auf dem man mit Ausnahme einer
kleinen Strecke, bei der Puerta de Palma, bequem rund um die Stadt herum gehen kann. Dieser
Mauer schliessen sich die alten 27 vorspringenden Thurmansätze an. Von dem Mauergange führen
kleine Treppen zur Stadt hinab, die freilich jetzt zumeist in sehr schlechtem Zustande sind. Eigen-
thümlich ist, dass die Doppel-Wallgraben gleichzeitig ein Steinbruch für die aufgeworfene Muralla
geworden sind.
Die Mauern von Alcudia haben drei Thore. Am interessantesten ist das nach Osten gelegene
Thor, Puerta de Jara oder del Puerto genannt, welches zwischen zwei Thürmen der inneren Mauer
liegt und über der Wölbung eine kleine Terrasse bildet; von der inneren Stadt aus führt eine
kleine Seitentreppe zu diesem hinauf, von wo aus die Bucht von Pollenza und die in den edelsten