Die Bewohner von Menorca.
Zahl der Bewohner. Hygienische Verhältnisse. Charakter der Menorquiner.
Nach der letzten Volkszählung vom 31 December 1887 betrug die Gesammtzahl der Bevölkerung
Menorca’s 38 237 Einwohner, welche sich folgendermafsen auf die verschiedenen Municipal-
Distrikte vertheilten: Alayor zählte 5050, Ciudadela 8200, Ferrerias 1310, Mahon 18032, Mercadal
3036 und Villa Carlos 2609, zusammen 38237 Einwohner.
Da Menorca fast 665 qkm Bodenfläche hat, entfallen somit 59 Einwohner auf 1 qkm.
Ueber die Bevölkerungszahl Menorca’s in der antiken Zeit wissen wir nichts Sicheres. Zur
Zeit der Eroberung der Insel durch Alfonso III. im Jahre 1287 waren auf der Insel, die von
Afrika geschickte Hülfsmannschaft von 5900 Soldaten ungerechnet, 29976 Personen (nach Anderen
33876), von den Greisen und Kindern abgesehen, von denen 20000 dort blieben. Im Jahre 1319 hatte
die Bevölkerung sehr abgenommen; es war dies eine Folge der grossen Sterblichkeit, der fortwährenden
Kämpfe mit den barbareskischen Seeräubern und der Dürre und Unfruchtbarkeit des
Bodens. Als Francisco Penas die Insel im Jahre 1462 mit Hülfe von Catalanen eroberte, welche
sich gegen D» Juan II. empört hatten, fand er daselbst viele Catalanen vor, die sich dort sesshaft
gemacht hatten. Die Zahl der Bewohner nahm indessen 1535 und 1558 abermals ab, in welchen
Jahren die Türken die Mehrzahl der Bewohner von Mahon und Ciudadela als Gefangene fortschleppten.
Seit 1700 fand eine progressive Zunahme statt; im Jahre 1794 steigerte sich nochmals die
Bewohnerzahl, da viele Familien von französischen Emigranten nach Mahon kamen, welche der Ayuntamiento
in Privathäusern unterbringen musste. Im Jahre 1799 nahm Menorca durch Einwanderung vieler
Familien aus Gibraltar und Juden wieder zu, welche sich in Mahon ansiedelten. Im Jahre 1805 zählte
die Insel bereits 31548 und 1823 44020 Einwohner. Diese ausserordentliche Zunahme wurde durch
die Einwanderung zahlreicher Catalanen bedingt, welche aus ihrem Lande in Folge der politischen
Störungen flohen; nach der französischen Intervention, als Catalonien von dem Heere des Herzogs
von Angouléme besetzt wurde, kehrten die Flüchtlinge nach ihrer Heimath zurück, und die Bevölkerung
sank im Jahre 1825 auf 37272 herab. Die Bevölkerungszahl von 1830, 38883 Einwohner, ist, wenn
wir die Ausnahme von 1823 abrechnen, die höchste, welche erreicht wurde. Im Jahre 1840 war
die Zahl der Bewohner indessen schon wieder auf 33622 herabgesunken, und 1845 zählte man nur noch
30170 Einwohner. Diese merkliche Abnahme von 8713 Einwohnern in fünfzehn Jahren wurde wohl
durch die Auswanderung nach Algerien bedingt. Im Jahre 1846 war die Bevölkerung auf 31 443,
1860 auf 37 221 Einwohner gestiegen. Diese Zunahme kann den Arbeiten an der Mola zugeschrieben
werden, welche nicht nur die Auswanderung hemmten, indem durch sie viele Arbeiter des
Landes Beschäftigung fanden, sondern auch viele Auswärtige zur Einwanderung und Ansiedelung
veranlassten.
Die verschiedenen Besetzungen der Insel durch fremde Mächte, die Abnahme des Handels
in der Levante nach dem griechischen Kriege, die schlechten Ernten und vor Allem die Quintas
oder die Militärpflicht verursachten in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts eine bedeutende Auswanderung,
die sich vorzüglich nach Algerien richtete, wo die Auswanderer, ähnlich wie in Florida,
den alten Sitten der Mutterinsel treu geblieben sind. Diese Auswanderung wurde namentlich durch
den Umstand herbeigefürt, dass nach den ersten Jahren der französischen Besitznahme von Algerien
längere Dürren mit folgenden Missernten, Handelsstockungen und mithin Verluste und Armuth
in Menorca eintraten. Die genannten Umstände im Verein mit der Nähe der afrikanischen Küste,
dann aber auch die grosse Zahl von französischen Kriegsschiffen, welche in Mahon Scala machten,
wo die Franzosen mit Erlaubniss der spanischen Regierung ein Militär-Hospital für die in Algerien
Verwundeten einrichteten, trugen sehr zur Erleichterung der Auswanderung bei, so dass die Insel
in den Jahren 1835—*840 zu Gunsten Algeriens fast entvölkert wurde und im Jahre 1836 schon
mehr als 16000 Menorquiner mit ihren Nachkommen in Afrika vorhanden waren. Die französische
Regierung, welche erkannt hatte, von welchem Vortheil die Gewinnung so trefflicher
Unterthanen für sie war, förderte nach Möglichkeit die Auswanderung und schickte zu diesem
Zwecke Emissäre nach Menorca, welche den Leuten Boden bei ihrer Ankunft in Algerien, Wahl
und Vertretungsrecht in den Gemeinden und vor Allem Freiheit von der Militärpflicht anboten; es
war nun namentlich letzterer Umstand, der Viele zum Verlassen ihrer Heimath bewog; konnte doch
auf diese Weise eine bemittelte Familie, die sich auf Menorca durch den Loskauf ihrer vier oder
Verschiedenartige Kamine.
fünf Söhne vom Militärdienste zu Grunde gerichtet hätte, mit denselben hier eine gute Existenz
führen. Jene Abneigung der Menorquiner gegen den Waffendienst ist nicht Mangel an Muth, den
sie vielmehr bei vielen Gelegenheiten zur Genüge dargethan haben, wie sie denn in den ersten
Zeiten als Pioniere häufig mit einer Hand die Hacke und mit der anderen das Gewehr zu halten
gezwungen waren, sondern die grosse Liebe der Eltern zu ihren Kindern, in welcher sie es nicht
über’s Herz bringen konnten, sich von ihnen zu trennen. Menorquiner waren es, welche viele
Ländereien culturfähig machten, so dass die Truppen dann auch Gemüse- und Feldfrüchte zu essen
bekommen konnte; auch sind es Menorquiner gewesen, welche nach Empfang der ihnen zugewiesenen
Ländereien von 15 oder 20 ha sich daselbst lediglich im Schutze von zwei oder drei Regenschirmen,
die ihnen zugleich als Hütte dienten, niederliessen. Ihre Enkel besitzen jetzt eine fest begründete
Stellung, und es giebt überhaupt nur wenig Menorquiner, die sich in Afrika nicht einen verhältniss-
mäfsigen Wohlstand geschaffen und es zu bereuen gehabt haben, nach Algerien ausgewandert zu
sein. Seit vielen Jahren hat aber .die Auswanderung abgenommen, ja in den letzten Jahren fast
aufgehört. Hierzu trugen mehrere Gründe bei, darunter die Bestimmung der französischen Regierung,
unentgeltliche Grund-Concessionen nur den eigenen Unterthanen zu verleihen, die Anwendung
des Gesetzes vom Jahre 1875, welches die in Algerien Wohnenden der Militärpflicht unterwirft,
die seit dieser Zeit erfolgende Anwendung des § 5 des 1862 zwischen Spanien und Frankreich
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