klare Meer weit und breit übersieht. Die Cala Figuera mit den unzähligen Abstürzen an der
Küste nimmt sich wunderbar schön aus. Rechts vom Leuchtthurme, nach dem Meere zu, befindet
sich ein grösser ausgehöhlter Stein, El Puente de las Molas genannt. Ein steiler Weg führt in
drei Biegungen und schliesslich auf Stufen zur nahen Cala Engossauba hinunter. Auf dem Vo rsprunge
des Cap Formentor wachsen niedrige, stachelige Pflanzen, Erissons genannt, und harzige
Strandkiefern, die ein treffliches Schiffsbauholz liefern.
Der Hauptanziehungspunkt von Pollenza ist für Jedermann der isolirt gelegene Puig der
Mare de Deu, auch Puig de Pollenza genannt. Derselbe liegt im Südosten und ist von der Ortschaft
5 km entfernt. Der Weg dorthin geht anfangs in der Ebene von Pollenza, dann durch den
Hort del Cami del Puig und zum felsigen Berge hinauf. Am Fusse der knotigen Felsenlehne ist
eine kleine Barrera, worauf der Weg immer felsiger wird. Hier kann man auch neben einer kleinen
Grotte einen Felsenstuhl in Augenschein nehmen. Angeblich sollen die Frauen, wenn sie sich hier
niedersetzen, glücklich entbunden werden. Man gelangt nun zum befestigten Puig. Ueber dessen
Geschichte sei zunächst Einiges mitgetheilt. Die Kirche mit einem sich anschliessenden weitläufigen
Gebäude, einem ehemaligen Nonnenkloster, ist sehr alt. Um das Jahr 1348 sollen nämlich, wie
die Fama sagt, drei tugendhafte Frauen, die in einer Höhle des Berges von Salas als Einsiedlerinnen
lebten, verschiedentliche Male ein grosses Licht auf der Höhe des Berges, der damals schon Puig
de Maria genannt wurde, gesehen haben. Die Frauen theilten dies natürlich ihrem Beichtvater
sofort mit, und auf dessen Antrieb bestieg die Bevölkerung Pollenza’s mit den Jurados den Berg
und begab sich zu der fraglichen Stelle. Man fand eine Statue der heiligen Jungfrau, die noch jetzt
dort verehrt wird. Es bestand nun die Absicht, die Statue nach Pollenza zu bringen. Als dieser
Plan zur Ausführung kommen sollte, wurde man gewahr, dass dieselbe ausserordentlich schwer war
und Menschenkräfte nicht ausreichten, sie von der Stelle zu bewegen. Es wurde daher beschlossen,
an dieser Stelle eine Kirche zu errichten. Zunächst wurde nur ein provisorischer Altar erbaut.
Während der ersten Messelesung nun fiel im Moment der Erhebung die Hostie aus der Hand des
Geistlichen und beschrieb einen Kreis in der Luft. Von diesem Wunderzeichen nahm man an,
dass es die Raumbegrenzung für die neue Kirche bedeuten solle. Die Kirche ist auch angeblich
auf der bezeichneten Fläche erbaut und bisher noch nicht verändert worden. Das Wunder selbst ist
an den Seiten wänden der Hochaltarkapelle bildlich dadurch dargestellt, dass die erstaunte Menge
ihre Kleider ausbreitet, damit die Hostie nicht auf den Boden falle. Soweit die Sage. Authentisch
aber ist, dass mit dem Bau der Kirche des Puig im Jahre 1348 kraft einer vom Bischof von
Mallorca den Bewohnern Pollenza’s gegebenen Erlaubniss begonnen wurde. Gleichzeitig ordnete
der König die Erbauung eines Monasteriums an, von welchem noch einige Spuren trotz der im
Laufe der Zeit vorgenommenen vielen Umänderungen vorhanden sind. Dieses Kloster wurde
ursprünglich von Nonnen des Ordens von Sanct Peter bewohnt. Seine ersten Insassen waren drei
Einsiedlerinnen des Berges von San Salas und 17 andere Frauen aus Pollenza. Einige Zeit nachher
unterstellte man sie der Regel des heiligen Augustin und legte ihnen die Verpflichtung auf, sich
der Erziehung und dem Lehrfache zu widmen. Um das Jahr 1288 haben in der That viele Familien
Palma’s ihre Töchter in dieser Anstalt unterrichten lassen. Da die Verehrung der Virgen de
Pollenza immer grösser wurde, so stiftete man für die Kirche mehrere geistliche Pfründen und
Caplaneien (Capellanías), und die Zahl der Nonnen stieg bis auf 120 bei einem Jahreseinkommen
von 2000 Libras Mallorquínas, was zu jener Zeit eine bedeutende Summe war. Im Jahre 1564
ordnete der Bischof von Mallorca, Dn Diego de Arnedo an, dass die Anordnung, wonach alle Nonnen,
welche isolirt stehende Klöster im Lande bewohnten, sich in eine Ortschaft zurückziehen sollten,
zur Ausführung angebracht werde. Die Uebersiedelung der Nonnen des Puig de Pollenza, wo sie den
häufigen Ueberfällen der Mauren ausgesetzt waren, nach Palma erfolgte nunmehr und zwar in den
Convento de la Concepción, welcher deswegen noch heutzutage Convento de la Concepción olim
del Puig de Pollenza heisst. Seit dieser Zeit ist das Kloster des Puig gleichsam Eigenthum von
Pollenza geworden, und wiewohl es einige Jahre verlassen stand und ein Theil des Gebäudes
zerstört wurde, ist es nachträglich restaurirt und in eine Hospedería umgewandelt worden. Die
Nordseite des Puig weist starke Mauern und festungsartige Bauten auf. Auf der einen Seite, gegen
Pollenza zu, tritt ein viereckiger, mit Schiessscharten durchbrochener Thurm hervor, nach zwei
Seiten hin mit verzierten, nunmehr verstopften Kielbogenfenstern und geböschter Basis versehen-
Der Thurm ist von Schiessscharten durchbrochen; zu ebener Erde befindet sich ein gewölbtes
Zimmer, zu welchem eine Schneckentreppe führt. Eine dicke Mauer mit kleinem Rundbogenfenster
verbindet das Hauptgebäude mit dem Thurm. Früher war es lediglich eine Hebebrücke. Stufen
■führen zu dem kleinen Eingangsthor, über welchem das Datum 179® steht. Vom Thurme führt
über die Mauer ein Gang zum Hauptgebäude. Vor dem Eingangsthore desselben ist eine Terrasse
mit einem Rondell. Von der Terrasse geht eine kleine Treppe zu dem tiefer unten liegenden
Eingänge in die jetzige Hospederia. Man tritt durch ein Thor mit hölzernem Dach in einen Hofraum
mit Nebengebäuden, zwei Cisternen, einem Aujub und einer Treppe, welche in das Innere führt.
Im Empfangszimmer hängen einige alte Bilder. Die Schlafzimmer liegen im ersten Stocke und
enthalten ein Bett, ein paar Cadiras de Repos, einen Tisch und eine Bank. Im Ganzen sind zwölf
Betten vorhanden. In der Mauerdicke sind Bänke angebracht. Auf der Südseite des Gebäudes
befindet sich das Refectorium oder Speisesaal.
An beiden Seiten dieses grossen Saales ist das Wappen Mallorca’s eingemauert. Ein altes
verziertes Thor führt in die Kirche hinein; daneben ist eine kleine Halle mit grossem Rostidor.
Die von der Hospederia nordwestlich gelegene, verhältnissmäfsig grosse Kirche ist einschiffig mit
Empore über dem Eingänge, mit alterthümlichen Chorstühlen, sowie zwei sehr spitzen, die Wölbung
tragenden Bogen mit der Jahreszahl 1741. Sie hat eine vergitterte Hochaltarkapelle und vier Seitenkapellen.
In einer derselben befindet sich das Grabmal des 1835 verstorbenen Marquez de Desü
bruill. In der ersten Kapelle links ist ein werthvolles altes Bild der heiligen Jungfrau mit dem
Kinde, von musicirenden Engeln umgeben. Das Bild trägt eine gothische Inschrift. Der Hochaltar
ist mit einer 1 m hohen Mutter-Gottes-Statuette aus Stein von alabasterähnlicher Farbe geschmückt.
Diesselbe befindet sich in einer drehbaren Nische, welche für gewöhnlich nach dem kleinen neuen
Camarin zu, hinter dem Altar, gewendet ist, von w o aus das Bild sichtbar ist. Hier ist auch ein
Opferstock für die Almosen der Gläubigen. Auch werden hier Bilder und Midas verkauft.
Zum Schlüsse unserer Wanderungen durch die Umgebung von Pollenza wollen wir noch
das fruchtbare Thal von Colonia aufsuchen. Dasselbe liegt dem Puig gegenüber und wird von dem
gleichnamigen Torrenten durchflossen, der sich ziemlich genau von Osten nach Westen hinzieht.
Von Bosch Veil, unweit Pollenza, führt ein Fahrweg nach Can Bosch, und dann zu einem kleinen
bewaldeten Bergrücken. Links bietet sich uns Can Cuset mit einem alten Thurm dar. Wir überschreiten
den Torrent, der das Thal durchzieht. Die Ueberbrückung ist dadurch bewerkstelligt,
dass ein Baumstamm über den Fluss gelegt ist. Daneben ist ein Seil gezogen, welches gleichsam
die Barrière der primitiven Brücke darstellen soll. In einem Kesselthal erblicken wir nun das mit
zwei Reihen von Segmentbogen versehene Haus von Can Bosch, zu dem eine Barrerà hinführt.
Ein kleiner Garten mit Orangenbäumen und Opuntien umgiebt die Clasta, welche mit einem Wappen
aus der Zopfzeit geziert ist. Auch sieht man eine äussere Treppe und zwei Sonnenuhren; die eine
derselben trägt das Datum 1774. Weiter in das. Thal hinein liegen fünf kleine Häuser. Can
Fanals liegt ganz in der Nähe von Can Bosch auf einer kleinen Erhöhung. Das ganze Kesselthal
ist von felsigen Hügeln umgeben. Hinter Can Fanals, welches viele Feigenbaumpflanzungen hat, vertieft
sich das Thal. Von Can Bosch aus verfolgt man unter dem Schatten grüner Eichen den Weg
weiter und gelangt nach dem modernen Hause von Can Cuset und einige Schritte weiter nach
Colonia, einer Besitzung, von der das ganze Thal seinen Namen erhalten hat. Sie besteht aus fünf
Häusern mit einem thurmartig erhöhten Theil und einzelnen Kielbogenfenstern. Ein Rundbogenthor
führt in die Clasta und ein gleiches in den Hof, wo sich eine grosse, von Celtisbäumen umstandene
Eingangshalle befindet. Alle Besitzungen dieses Thaies haben zahlreiche Brunnen, aber
kein fliessendes Wasser. Einige Cactusfeigen- und Granatäpfelbäume umgeben den Hügel von
Colonia. Im Grunde des Thaies ist der mit Kiefern bewachsene Coll d’enti Bouc die tiefste Stelle des
Gebirgsgürtels. Hinten hebt die Cucuya de Fartaritx beim Blick auf das Meer ihr stolzes Haupt
empor. Ein weiterer Weg führt von hier nach Son Bruy zu. Durch üppige Pflanzungen an dem
Hostalet genannten Hause vorbeigehend, gelangt man auf die Carretera.
Balearen II. 11