jüngeren Söhne von einigen der reicheren Familien, welche als Officiere in der Armee dienen.
Der Theologie haben sie sich, was wohl durch die bedeutende Zahl der Geistlichen zu erklären ist,
sehr häufig zugewandt, wie die vielen theologischen Werke, die von Menorquinern seit dem Anfänge
des 17. Jahrhunderts geschrieben worden sind, beweisen. Gross war auch ihre Vorliebe
für die Philosophie, die seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in allen Klöstern gelehrt wurde. Als
Geschichtsforscher ragten D» Juan und D. Antonio Ramis mit ihren die Geschichte der Insel betreffenden
Publicationen hervor; mehrere Menorquiner haben lateinische, englische, castillanische
und menorquinische Lehrbücher veröffentlicht, und durchgehends zeichnen sie sich durch die
Gewandheit, mit der sie fremde Sprachen erlernen, aus. Für die Jurisprudenz haben sie gute
Anlagen, und zu allen Zeiten hat die Insel treffliche Rechtsgelehrte geliefert. Die Arbeitsamkeit
der Menorquiner ist ziemlich gross, und faule Arbeiter sind selten; weniger thätig sind leider die
reicheren Klassen, vorzüglich was die Steigerung der Productivität ihrer eigenen Gründe betrifft.
Wie wir bereits gelegentlich der Besprechung des Charakters hervorhoben, ist die Moralität
der Menorquiner in ganz Spanien sprichwörtlich geworden, und überall, wohin sie auch gewandert
sein mögen, sind sie ihrer sie auszeichnenden Eigenschaft treu geblieben. Die Mehrzahl der Häuser
Mahons bleibt während der Nacht unverschlossen, und trotzdem sind Diebstähle äusserst selten.
In S» Luis gehen die Arbeiter häufig auf eine Woche weg, ohne ihr Häuschen zu verschliessen, und
wenn sie am Sonntag zurückkehren, finden sie Alles in bester Ordnung. Ich selbst liess wiederholt
das Haus, welches ich sowohl in Mahon, wie in Ciudadela bewohnte, offen, ohne dass Jemand zu
Hause geblieben wäre, und niemals hat mir auch nur die kleinste Sache gefehlt. Den besten und
authentischen Beweis für die Moralität der Menorquiner liefern uns die Criminalstatistiken von
Menorca, welche zu den günstigsten Spaniens gehören und überhaupt die günstigsten der Balearen
sind. Die Mehrzahl der Verbrechen betrifft den Schmuggel, und Niemand hält sich durch eine Anklage
wegen Schmuggels entehrt, der gewöhnlich mittelst einer Geldstrafe gesühnt wird.
Allgemeine Bildung. Sprache und Litteratur.
Die Sprache Menorca’s, welche fast gar nicht als Litteratursprache verwendet und erst in
neuester Zeit von einigen wenigen Schriftstellern als solche benutzt wird, ist dieselbe der anderen
Balearen, reiner aber als in Palma und ähnlich derjenigen von Soller und Deyä auf Mallorca.
Man nennt das Menorquinische häufig auch Mahones, denn Mahon repräsentirt die Insel, und häufig
sagt man in der Umgangssprache Mahon für Menorca, ebenso wie man für Mallorca auf Menorca
häufig schlechtweg Palma sagt. Die Leichtigkeit, mit welcher die Menorquiner Worte anderer
Sprachen zu assimiliren vermögen, und der rege Verkehr brachten es mit sich, dass sie castillanische,
französische, italienische Wörter und namentlich in der Sprache der eigentlichen Mahoneser in
Folge der dreifachen^ Staatsangehörigkeit auch englische Wörter annahmen. Auch giebt es gewisse
Redensarten, die von dem Mallorquinischen abweichen und sich mehr dem Catalanischen nähern.
So sagt man beispielsweise häufig noi (Knabe) statt allot, enblancar (weissen) für enblan-
quinar u. a. m. Der Ausdruck Geliebter, Geliebte, Estimat und Estimada, wird in der Umgangssprache
namentlich von den Verkäuferinnen auf dem Markte vielfach gebraucht, was auf Mallorca
nicht der Fall ist. Die Aussprache der Menorquiner ist nach den einzelnen Distrikten derart verschieden,
dass ein Einheimischer an ihr gleich erkennen wird, welchem derselbe angehört.
Der Gebrauch des Menorquinischen als Schriftsprache in den öffentlichen und amtlichen
Acten ist seit 1834 abgeschafft worden, und seit dieser Zeit wird die Schreibweise desselben in
den Schulen nicht mehr gelehrt.
Die Litteratur ist eben nicht eine starke Seite der Menorquiner. Wiewohl sie eine grosse
Fertigkeit im Improvisiren besitzen, haben sie nur wenige bekannte Dichter aufzuweisen, und
man kann nur einen hervorragenden anführen, Miguel Verl, der, erst achtzehnjährig, im Jahre i486
starb und in lateinischer Sprache seiner Zeit sehr geschätzte Moral-Dichtungen verfasste. Sein
Vater, Hugolino de Veri, der 1502 starb, hinterliess auch einige geschichtliche Werke. Juan Odon
de Menorca, der um 1502 lebte, schrieb eine Obra en loor del Beato Ramon Llull, und der Geistliche
Dn Marcos Marti, der im Alter von 106 Jahren 1617 starb, hinterliess eine handschriftliche
Beschreibung einer Reise nach Konstantinopel, welche behufs Loskaufung der während der Plünderung
Ciudadelas im Jahre 1538 gemachten Gefangenen unternommen wurde. Im 17., 18. und
19. Jahrhundert brachte Menorca eine grössere Zahl von Schriftstellern hervor. Eine Beurtheilung
des Werthes dieser verschiedenen schriftstellerischen Producte, von denen diejenigen des 18. Jahrhunderts
zumeist Manuscripte sind, ist wohl kaum möglich, und vor Allem muss man sich die geringen
Bildungsmittel vergegenwärtigen, welche Menorca bis in den Anfang dieses Jahrhunderts
aufzuweisen hatte.
Es giebt kein einziges wichtiges litterarisches Erzeugniss in menorquinischer Sprache. In
letzterer wurde überhaupt wenig geschrieben.
Wenn es nicht die Schriftsteller wa ren, welche die Sprache Menorca’s pflegten, so haben
dagegen die Volksdichter die Sprache ihrer Väter vor allen Dingen gepflegt. Einige derselben
improvisiren mit einer ausserordentlichen Leichtigkeit und sind im Stande, einen Wettkampf in
Versen selbst stundenlang zu führen. Viele dieser Volksdichtungen zeichnen sich, wie es auch auf
dem benachbarten Mallorca der Fall is t , durch die Zartheit der Empfindung aus. Sie bilden entweder
Octavas, Sextinas, Quintetas oder Decimas. Manche haben einen satyrischen Charakter und
nehmen zuweilen die Form eines Dialoges an. Wir lassen hier einige der verschiedenen Arten
mit der wörtlichen Uebersetzung folgen:
Amor de mare.
Mumare, mia mumare,
Sa mes dolsa compania
Qui la te no la conex
Y qui la pert la sospira.
(Anonymus.)
¿Ahont anau pobre Madona,
Ahont anau per aquets camps,
Plens de neu y de malesas,
Ab es fret y vent que fá?
¿Ahont anau pobre Madona
Sensa abrigo y peu deseáis?
— A cercá un petit de llena
Per calentá es meus infants.
¡Que contenta anau Madona!
Que duis adevall des bras,
Que caminau tan deveras
Y a ningu ja saludau?
¿Que teniu tanta frisera;
Anau a festa a o ball?
— Es meus infants tenen gana
Y jo vene de comprar pa.
Son las onse de la nit,
¿Madona perque vetlau,
Perque vos cremau la vista
Ja cusint o ja filant?
Apagau es llum, madona,
Y nauvosne a descansar.
— Teng una fia qui’s casa
Y jo per sa dot trabay.
Mutterliebe.
Meine Mutter, meine Mutter,
Die süsseste Gesellschaft;
W e r sie hat, kennt sie nicht,
Und wer sie verliert, seufzt darnach.
Wohin gehst Du, arme M a d o n n a ,
Wohin gehst Du durch diese Felder
V o ll Schnee und Gestrüpp,
In dieser Kälte und diesem W in d?
Wohin gehst Du, arme M a d o n n a ,
Ohne Mantel und barfuss?
— Etwas Holz zu suchen,
Um meine Kinder zu erwärmen.
W ie zufrieden gehst Du, M ad o n n a !
Was birgst Du unter dem Arm?
Warum gehst Du so rasch
Und Niemand grüssest Du?
Was hast Du so viel Eile,
Gehst Du zu einem Feste oder einem Tanze?
— Meine Kinder haben Hunger,
Und ich habe Brod gekauft.
Es ist elf Uhr Nachts;
M a d o n n a , warum wachst Du?
Warum verdirbst Du Dir die Augen,
Bald nähend, bald spinnend?
Lösche das Licht aus, M ad o n n a ,
Und begieb Dich zur Ruhe.
— Ich habe eine Tochter, die heirathet,
Und ich arbeite für die Mitgift.