Nachdem wir nun die Hauptschönheiten des Thaies von Soller, soweit dies möglich war,
betrachtet haben, verlassen wir das Thal, um unsere Schritte zu dem etwa acht Stunden entfernten
Lluch zu lenken. Durch eine Thalfurche fliesst ein Bach, und grosse Steinblöcke liegen zu beiden
Seiten desselben. Hat man den Sturzbach überschritten, dann kann das Auge ungehindert von
Soller bis zum Hafen mit dem Leuchtthurm des Cap Gros und dem Castillo des Port und auf das
weite Meer hinausschweifen. Ein Reitweg führt am Strome entlang durch die enge Schlucht. Allmählich
erweitert sich der Gesichtskreis über das Thal von Soller und das Meer, und nun tritt
die graue Kalksteinmasse, der Cornador, vor. Inmitten üppiger Wiesen am Fusse der Gebirge
steht das von Hirten bewohnte Haus von Loire, wo Schafe und Pferde im Sommer weiden. In
der Nähe desselben entspringt Sa Font de s’Aridja, eine Quelle von klarstem Wasser, und ergiesst
sich in einen Teich, welcher als Schwemme für das Vieh benutzt wird. Zu beiden Seiten des
Kesselthaies erheben sich kahle graue Gebirgswände, nur mit Gebüsch und Stachelpflanzen be-
Das Collegium von Lluch.
wachsen. Man überschreitet jetzt einen Sattel, hinter welchem der Weg nach dem Hochthale von
Cuba und Aumelluitx führt. Von diesem Coli aus ist der kegelförmige Puig de Lofre am leichtesten
zu erreichen. Für die ausgestandene Mühe wird man nun reichlich belohnt durch die Fernsicht
vom Puig de Lofre. Wenn dieselbe auch nicht so umfassend ist, wie jene des Puig Mayor, so
gewährt die Umgebung durch ihre Wildheit doch einen besonderen Reiz. Man schaut den ganzen
Koloss des Puig Mayor mit dem ausgedehnten Thale von Aumelluitx bis zur Schlucht des Gorch
Blau, das Thal von Lofre mit der Oeffnung des Barranc, das üppige Thal von Soller, den Hafen
mit den beiden Leuchtthürmen und die Torre Picada, die wuchtigen Massen der Sierra de Alfabia,
des Teix und zwischen beiden im Hintergründe die Mola de Planicia, den Puig de Galatzö und
die Mola de s’Escrop, dann den Comellar des Pia de na Maria und darunter den Comellar de sa
Font de sa Parra, dann jenes Thal, welches sich zwischen den beiden Puigs de Alarö des Castillö
und der Alcadena hinzieht, und das Thal von Sollerich, darauf jenes von Masanella, und im
Hintergründe Formentor, das Cap del Pinar, die Bucht von Alcudia, den Bec de Farrutx, die Hügel
von Arta, Sn Salvador, Randa und die anderen Anhöhen der Ebene, sowie die Bucht von Palma
mit den beiden Vorsprüngen, die Stadt und die Höhen von Buñola. Der Puig de Lofre hat drei
Spitzen, deren höchste konische Form hat und 1090 m über dem Meere liegt.
Von dem schon erwähnten Coli geht der Weg gegen Lluch in das von einem Bache
durchflossene Thal von Cuba Aumelluitx. Auf beiden Seiten liegen Getreidefelder und die niederen
Almhütten von' Bini Morac, aus trockenen, zusammengestellten Steinen errichtet und mit Stroh
• 0der Ziegeln gedeckt, den Bauern bei der Feldbebauung, oder wenn sie die Schafe auf der Weide
bewachen und bei eintretendem Regenwetter als Unterschlupf dienend; daneben stehen zwei
Tennen. Der Boden ist sehr steinig. Eine Steinmauer (Paret) bildet die Grenze zwischen Lofre
und Cuba und dient gleichzeitig zur Abschliessung für das Vieh. Nun führt der Weg an dem
etwas grösseren Hause Cuba am Fusse der kahlen, sich kammartig emporhebenden Kalksteinberge
vorbei. Zwischen zwei Hügeln ist ein enger Pass, Sa Forodada, nach einem durchlöcherten Felsen
so benannt, durch welchen ein Weg nach Comasema im Thale von Orient führt. Darauf folgen
der doppelgipfelige Berg von Cuba und ein Felsenkegel gegen Aumelluitx zu. Ein Bach fliesst durch
das Thal, welches nur Dorngebüsche und Carritx hervorbringt. In dem nun folgenden breiten
Kesselthal stehen verschiedene Bauernhäuschen, sowie das Possessionshaus von Aumelluitx, wo
grosse Guardas von Stuten und Maulthieren, sowie im Sommer auch Schafe weiden. Es ist dies
eine alte Alquería, bei welcher die Mauren eine Ortschaft gegründet hatten. Ueberreste davon und
namentlich von einer Moschee waren hier bis ins 16. Jahrhundert hinein zu sehen. Etwas weiter
entfernt gelangt man bei einem Wäldchen an das Haus S ’Estret, während links die kahlen Vorsprünge
des Puig Mayor emporsteigen. Das Thal verengt sich, und der Weg geht durch eine
Schlucht, in welcher sich ein Bach Bahn gebrochen hat. Auf beiden Seiten erheben sich hohe
Felsenwände, und grünblau erscheint das rauschende, krystallhelle Wasser, welches dort eine bedeutende
Tiefe erreicht. Es ist dieser Bach der auf Mallorca weit und breit gekannte Gorch Blau,
der hauptsächlich von der bei Aumelluitx entspringenden Font de la Roca genährt wird. Ein
anderer Weg führt längs einer Felswand über eine kleine Brücke auf der anderen Seite des
Baches weiter, wo Epheu die Felsen umkleidet. Ein starker kühler Luftzug herrscht beständig
in der engen Schlucht. Die Strasse zieht sich dann gewunden am rechten Abhange nach oben,
ein Kesselthal beherrschend. An Abhängen vorüber, ein wenig vom Kesselthale von Son Nebot
entfernt, fliesst unten der Strom, der in einem Nebenarme dem Torrent de Pareys Wasser abgiebt.
Die Gegend gewährt die schönste Scenerie, die man sich denken kann. In der friedlichen Stille
dieses waldigen Kesselthaies liegen ein paar Possessionshäuser. Den Rücken, der das Kesselthal
abschlieSst, überschreitend, sieht man weit über das Meer hinaus und das kahle graue Gebirge und
hat einen herrlichen Rückblick auf den Puig Mayor und das Thal des Gorch Blau, und das
Auge verfolgt gern die tiefe Schlucht des Torrent de Pareys.
Am Bergesabhange entlang, durch Eichenwald mit Kalksteinfelsen dazwischen, kommt man
zum Possessionshaus von Escorca, einer alten Alquería. Vier alte Eichen stehen am Eingänge
dieser Besitzung. Die Pfarrkirche des Distriktes Sn Pedro de Escorca ist angeblich die älteste der
Landespfarrkirchen. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts wurde die Pfarre von Escorca dem Collegium
der Nuestra Señora de Lluch übertragen, und die alte Kirche blieb ein einfaches Oratorium.
Dasselbe ist sehr schlicht, zeigt einen überragenden Glockenbogen und ein Rundbogenportal. Die
hölzerne Bedachung im Innern wird durch einen starken Spitzbogen in der Mitte getragen. Der
Altar vom Jahre 1775 zeigt ein Bild auf Leinwand, den heiligen Petrus, Johannes den Täufer und
Anton von Viana in Lebensgrösse darstellend. Hinter der Kirche liegt die jetzt verfallene Sacristei.
Der Weg dorthin führt durch Eichenwald; weiter hin erblickt man das Meer und auch Getreidefelder.
Zur Rechten erhebt sich der Puig Mayor de Lluch hoch empor, und zur Linken sieht man
die weiteren bewaldeten Vorsprünge der Gebirge. Weissliches Bartmoos hängt an den Eichen.
Der Weg fängt nun an bergab zu gehen, umschreibt sanft das breite Thal gegen La Calobra, und
man gelangt nun allmählich hinunter ins Thal von Lluch und zu einer Quelle1, welche inmitten
eines Pappelwäldchens entspringt.
Am Fusse von felsigen, 525 m über dem Meere liegenden Hügeln, inmitten des grünenden
Thaies von Lluch, erscheint die Kirche von Nuestra Señora und die Ortschaft, welcher man den
Balearen II. 9