Links liegen einige von Oelbäumen umgebene Häuschen und ein kleines mit Pomeranzenbäumen
bepflanztes Thal. Dann stösst man auf mehrere Gypsgruben, wo der Gyps gleich gebrannt
und gemahlen wird. Der Weg führt weiter den Hügelabhang entlang, und nach kurzer Strecke
liegt vor uns das Thal von Soller. Links sieht man Son Angelats mit einer hohen Palme hegen,
und in mehrfachen Schlängelungen, vielfach in Stufen eingetheilt, führt der Weg ins Thal hmab
nach Soller.
Unbestreitbar ist Soller die schönste Ortschaft der Insel, ja, man kann ruhig sagen, eine
der schönsten der Welt, denn Alles findet sich hier in schönster Vereinigung: landschaftliche
Schönheit der Umgebung, Fruchtbarkeit des Bodens, grösser Wasserreichthum, balsamische Luft
mit dem sonnigen Himmel, und mildes, gesundes Klima. Durch den hohen Gebirgskranz ist
die Gegend vor Winden geschützt. Nur ist die Atmosphäre im Winter etwas feucht zu
nennen. Die peinlichste Reinlichkeit in der Ortschaft und die zuvorkommendste Freundlichkeit ihrer
Bewohner vereinigt sich mit den Annehmlichkeiten, welche das nahe gelegene Meer und der Hafen
der Nordküste gewähren. Ja, es ist einer jener Orte, die man lieb gewinnen muss und die Wanderlust
gern aufgiebt, nur um daselbst in ungestörter Ruhe verweilen zu können.
Die Ortschaft hat 4932 Einwohner und 1069 Häuser und liegt ziemlich inmitten eines breiten,
flachen, sich gegen Norden, meerwärts öffnenden Thaies. Ringsum bis nach oben stehen Oelbäume.
Im Westen ragt die Gruppe des Puig del Teix empor, die sich nordwärts in der Montana
de Cap Prom verlängert, im Süden die Sierra de Alfabia und im Osten die Anhöhen des Puig
Mayor, welcher sich von der kaum 40 m über dem Meeresspiegel liegenden Thalsohle mehr als
1400 m emporhebt und an den sich meerwärts die Montaña de Balitx anschliesst. ^ Südwestlich
und südöstlich liegen die beiden Pässe zum Thale, jener des Coli de Soller, wo der Fahrweg nach
Palma führt, und jener des Barranc, wo der steile Stufenweg nach Lluch abgeht. Gegen das Meer
und gegen das Thal zu springen kalksteinige Hügel vor, so dass in der Thalsohle das Meer nicht
sichtbar ist. Das sich den Augen darbietende Farbenspiel auf diesen Höhen ist in der That prächtig,
namentlich das Alpenglühen gegen Sonnenuntergang oder zur Winterszeit, wenn die Sonne die
schneebedeckte Spitze des Puig Mayor wie einen Diamant glitzern lässt und sich im dunklen Laub
der Orangenbäume spiegelt. Soller selbst ist sehr dicht bebaut. Die Gassen sind meist eng, vielfach
ungerade und gepflastert. Die bedeutenderen sind die drei Zugänge, nämlich die auf die Fahrstrasse
von Palma führende Calle de Palma, die nach Fornalutx führende Calle de la Luna und die
zum Hafen führende Calle de la Mar, welche den Hauptplatz winkelförmig einschliessen. Die
Häuser Söllers sind fast alle Rohbauten, ohne jeglichen Abputz, und viele derselben haben nur
eine Dachneige (Aygovés). Die Mehrzahl der Häuser ist dreistöckig; es giebt aber auch vierstöckige;
viele haben eine Rundbogenthür, andere sind mit Alerp, einzelne oberhalb der Eingangsthür mit
einem Dachvorsprung versehen. An den Häuserwänden kann man viele Nischen mit Heiligenbildern
sehen. Dem Aussehen nach lassen alle Häuser auf eine gewisse Wohlhabenheit der Einwohnerschaft
schliessen. Gern schaut man in die Entradas, zu denen manchmal Treppen mit
hölzernem Geländer hinaufführen. Hier kann sich das Auge an den Orangengärten erfreuen. Die
in allen Farben gefärbten und zum Trocknen aufgehängten Baumwollgarne verleihen den Gassen
ein gewisses festliches Aussehen. Ein Zug gewisser Zufriedenheit lacht aus jedem Gesichte entgegen,
und die am Webstuhl beschäftigten Weiber lassen fröhliche Lieder erschallen. Die Ortschaft
wird von einem Flüsschen, welches die abgefallenen Pomeranzen in grösser Menge mit sich führt,
durchzogen. Seine Ufer gewähren die anziehendsten, abwechselungsreichsten Bilder: malerische Häuser,
mit Blumen bedeckte Terrassen und Gruppen von sich sanft gegen das Wasser neigenden Pappeln.
Zwei Brücken führen über den Fluss: der Pont de la Plaza mit schön aus Steinen vonPedradeSantagny.
gebauten Segmentbogen und Steinmauern an den Seiten und weiter oben der Pont de Can Fiol.
Bei dem ersteren befindet sich die in allen grösseren Ortschaften nie fehlende Plaza de la Constitución,
die als Obst- und Gemüsemarkt, sowie im Sommer bei festlichen Gelegenheiten als Tanzplatz
verwendet wird; auch wird der am zweiten Sonntage im Monat Mai stattfindende Jahrmarkt
daselbst abgehalten. Diese Plaza ist ziemlich geräumig; in der Mitte ist ein für Spaziergänger bestimmter,
von Bäumen umgebener, viereckiger Raum, in dessen Mitte ein Springbrunnen steht. Zur
Rechten befindet sich die Casa Consistorial und daran anstossend die Carnicería. An diesen Platz
grenzt die Pfarrkirche mit ihrer Frontseite. Man glaubt, dass dieselbe bereits im Jahre 1236 von
dem Paborde von Tarragona, Ferrer de San Marti, gegründet worden sei, der die Zehnten, die ihm
aus dem Distrikte von Soller zufielen, als Dotation an dieselbe abgab. Wahrscheinlich hat anfänglich
eine für den christlichen Cultus eingerichtete Moschee als Kirche gedient, denn die Kirche
selbst ist erst 1492 eingeweiht worden. Im Laufe der Jahre hat die Kirche vielfache Umänderungen
erfahren, und schliesslich wurde an dieselbe eine massive Sacristei angebaut, welche geräumig
genug war, um die zur Vertheidigung gegen die Seeräuber nicht brauchbaren Leute aufzunehmen
und die Geräthe und Kostbarkeiten der Kirche zu verstecken. Anfangs hatte die Kirche nur einen
Eingang, dicht bei der Thür des Thurmes. Eine äussere und eine innere Hebebrücke, eine schwere
eiserne Stange an der Thür und zahlreiche Riegel versperrten dem Feinde den Zutritt Bei dem
Neubau der Kirche wurden zur grösseren Bequemlichkeit des Publicums zwei Portale angebracht,
die jetzt noch bestehen, wiewohl einige Male aus Furcht vor den Seeräubern das gegen den Platz
zu gelegene Portal vermauert worden war. Beide Portale wurden aber stets während der Nacht
streng verschlossen gehalten; erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts, wo die Macht der Mauren
gebrochen war, verschwanden die Thüren, und das Portal gegen den Platz zu wurde vefgrössert.
Der Bau der jetzigen Kirche, deren Seitenmauern auf den Fundamenten der alten 'ruhen, wurde im
17. Jahrhundert begonnen, ist aber nach vielen Unterbrechungen erst 1717 vollendet worden. Durch
ein vor dem Platze gelegenes Rundbogenthor in der Umzingelung der sog. Kirchenbefestigung
gelangt man zu der etwas höher gelegenen Kirche. Diese Befestigung besteht aus einem länglichen
Viereck. Innerhalb desselben, in einer Ecke, steht die Pfarrkirche, deren rückwärts gelegener
Theil mit der Sacristei heraustritt, überragt von dem bedachten Kirchenthurm, der sich auf der
hinteren, rechten Seite der Kirche erhebt. Letzterer ist in vier Stockwerke eingetheilt, in den beiden
obersten von einem Spitzbogen durchbrochen. In einer Ecke erhebt sich der alte dreistöckige
Festungsthurm, in welchem die Schriften des Archivs der Corte Real aufbewahrt wurden. Die
Kirche, die noch heutzutage dem heiligen Bartholomäus, sowie als dessen Mitpatronin der Nuestra
Señora de Bonany geweiht ist, hat eine einfache Vorderseite mit hübscher gothischer Rose. Das Innere
bildet ein 37 m langes und 15 m breites Haus, das von Spitzbogen und platten Pfeilern mit Schwerfälligem
römischen Knauf getragen wird. Auf jéder Seite befinden sich fünf Rundbogen-Kapellen.
Die von einer Kuppel überragte Sacraments-Kapelle ist nicht unschön zu nennen und hat ein Consol
mit Engelsköpfchen und zwischen jedem Fenster eine kleine Kuppel mit der gleichen Anzahl von
Gurten und Fenstern. Die Hochaltarkapelle ist sehr gross. Der Hauptaltar steht auf inländischem
schwarzen Marmor und ist geziert mit der Statue des heiligen Bartholomäus. Letztere ist in Neapel
gearbeitet worden. Die grosse Kirche ist reich mit Stuckaturarbeiten geschmückt und strotzt von
Vergoldung. In der Sacristei wird eine schöne Monstranz und ein werthvolles Kreuz gezeigt.
Hinter der Pfarrkirche liegt wieder ein Platz, die Plaza del Arrabal genannt. Geht man
von der Pfarrkirche den Bach entlang, so gelangt man am Ende der Gasse, w o ein Gasthaus mit
grossem Speisesaal liegt, zum Castellet, einem der hübscheren Häuser Soller’s, welches dem Dichter
Pons y Gallarza gehört und im Jahre 1606 erbaut wurde. In früherer Zeit wa r es ein Einkehrhaus,
für Fuhrleute. Es liegt mitten im Centrum der Ortschaft. Ein anderes freundliches Haus liegt in
der Calle de la Luna; das Aeussere ist einfach, aber der Hof ist nach Art der Zaguanes Palma’s
von grossen Segmentbogen eingefasst, die von rothen Marmorsäulen getragen werden. In der
Mitte befindet sich ein Brunnen und nebenan ein Gärtchen. Ausser der Pfarrkirche liegen im
Weichbilde von Soller noch drei Kirchen. Die bedeutendste ist die des ehemaligen Franziscaner-
klosters, des Convento de Jesus; sie liegt am Ende der Ortschaft in prächtiger Lage. Die
Mönche haben es immer verstanden, sich die schönsten Gegenden zur Anlage ihrer Klöster auszusuchen.
Das jetzige Gebäude ist der Nachfolger eines älteren, 1458 gegründeten Klosters der
Franziscaner-Observanten, das ausserhalb auf einem Hügel stand. Dort verblieben sie bis Mitte
des vorigen Jahrhunderts. Dann fasste man den Entschluss, das Kloster an der jetzigen Stelle zu
erbauen. Obgleich der Bau 1768 vollendet wurde, konnte die Einweihung der Kirche erst 1814
stattfinden. . Sie stellt ein schmuckloses Gebäude dar. Zur Linken tritt eine kleine Kapelle vor.
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