Mitte, der von einem Bogengang umgeben war. Das Alles ist nunmehr verschwunden, und ich
konnte nur vier Säulen des alten Klosterhofes wieder auffinden: eine im Stall, eine andere in der
Küche als Stütze, während zwei unter der Erde lagen. Sie tragen jetzt ein Rebendach an dem
hinteren Portal des Hauses gegen den Garten zu. Es sind vierfache accolirte Säulenschäfte aus
Pedra de Santagny mit einfach gekehlten Capitälen und abgefassten Postamenten. Von der südlichen
Hausecke ziehen sich, theils blossgelegt, theils unter der Erde, die Grundmauern des alten
Gebäudes hin, von dem noch ziemlich hohe, aber baufällige Mauern mit Fensterspuren auf der
Westseite sichtbar sind, welche einst Stallungen, Scheunen etc. waren.
Das jetzige Haus ist ein einfaches Gebäude mit doppeltem Dach, graffitartigem Bewurf und
einem viereckigen Thurm auf der Nordwestecke. Von seiner oberen Terrasse aus kann man die
ganze Umgebung beschauen. Im Erdgeschoss befinden sich zwei grosse Salons mit Azulejos an
den Wänden; in dem einen, der als Tanzsaal benutzt wird, ist eine alte Pica. Die oberen Räume
gewähren einen weiten Ausblick auf das Meer. In demselben befindet sich eine Sammlung alter
mallorquinischer Möbel und im Speisezimmer eine solche von alten Fayencen. Ueberhaupt sind
alle in den Zimmern befindlichen Gegenstände Industrieerzeugnisse der Insel, denn das Gebäude
soll eben bis ins kleinste Detail ein mallorquinisches Landhaus darstellen. Im grossen Salon ist
ein Bild des Padre Castañeda und der Beata Catalina Tomás, beide vor der Mutter Gottes knieend.
Ein Doppelgarten mit Steinbänken enthält neben regelmäfsigen Pflanzengruppen Palmen,
Opuntien- und Agavendickichte und allerhand Bäume, darunter einen uralten Gtronenbaum, der
der Ueberlieferung nach noch im alten Hofe gestanden haben soll. Epheu beschattet die Wände,
und Weinreben grünen in üppiger Fülle. Hierzu bildet ein alter Bogengang des Klosters von
Sta Magdalena in Palma, des jetzigen Militärspitals und ehemaligen Franziscanerklosters, in fast
gleichem Alter mit dem Collegium von Miramar stehend, einen passenden Hintergrund. Die eleganten
gothischen Bogen, welche bei der Demolirung des Klosterganges von dem Architecten
D» Pedro de Alcántara Peña aufgelesen und mir später geschenkt wurden, tragen ein Dach, welches
nach der hinteren Seite zu auf den Mauern der Westseite des alten Gebäudes ruht. Von der alten
Kirche besteht nur noch, wie schon erwähnt, die linke Seitenkapelle. Jene war ein langes Gebäude
mit Balkendecke, getragen von grossen Spitzbogen mit Kämpferconsolen, wovon zwei
Kämpfer und Bogenanfänge noch an der Front der jetzigen Kapelle erhalten geblieben sind; es
hatte eine Empore über dem Eingang und hinten die Sacristei, welche die ganze Breite der Kirche
einnahm; letztere ist anscheinend aber erst später angebaut worden, da sie eine getrennte Ecke
auf der linken Seite besitzt, wo jene der Kirche noch sichtbar ist. Der Mörtel der inneren Kirchenwand
ist sowohl links bei der Kapelle, wie rechts an zwei Stellen zu sehen, und die Hochaltarstufe
ist noch an dem alten Platze erhalten. Oberhalb derselben, unter einer Marmorplatte mit
einem Kreuz aus der Zopfzeit, das wahrscheinlich früher am Seitenportal stand, wurden die Gebeine,
darunter neun Schädel, welche man beim Beseitigen der Erdaufschüttung vor der Kirche fand,
beigesetzt. Von der früher zur rechten Seite stehenden Kapelle konnte ich keine Grundmauern, sondern
nur einen Theil der Ziegelpflasterung auffinden. Sie ist durch eine Exedra mit Bank ringsum
ersetzt und hat einen Springbrunnen in der Mitte. Diese. Kapelle war dem S» Cristo geweiht,
während die linke, d. h. die noch jetzt bestehende, der Mare de Deu del Bon Port gewidmet war.
Vor derselben ist jetzt eine Bogenhalle mit Terrasse und Kanzel in der Ecke erbaut worden, und
das Ganze wird von einem Glockenbogen überragt. Die Glocke ist alt und trägt die Aufschrift:
„Benedictas sit locus iste“ . Die gothische Kreuzwölbung, sowie der Altar und die ganze Ausstattung
der Kapelle sind neu; alt ist nur das Altarblatt der Trinidad, anscheinend aus dem 15. Jahrhundert
stammend. Die Seitenflügel werden durch zwei Bilder von Steinle gebildet, die beiden Seligen
Ramon Lull und Catalina Tomás darstellend. Ein eleganter Schrein mit Malerei von Meixner enthält
zahlreiche Reliquien, darunter drei Stücke des wahren Kreuzes; ihm gegenüber ist ein hübsches
Kreuz aus der Renaissancezeit, welches schon in Miramar vorhanden war, und die schon erwähnte
Glasurne mit den Knochen des Padre Castañeda aufgestellt. Ein gothisches Häuschen mit hoher
Fiale aus Pedra de Santagny enthält eine silberne Mutter-Gottes-Statue mit den Exvotos der rohen,
modernen Mare de Deu de la Trinidad, welche sich gegenwärtig in der vor wenigen Jahren angebauten
Sacristei befindet. Er wähnens werth sind noch zwei polychromirte alte Marmor-Reliefs,
anscheinend aus dem 13. Jahrhundert, welche Christi Grablegung und Auferstehung darstellen und
früher in der alten Kapelle von Galatzö standen. Die modernen Kirchengeräthe und Paramente sind
sämmtlich stylgerecht in verschiedenen Länder ausgeführt worden. Von der Ecke hinter der Kapelle,
wo ein Rebendach mit rundem Tisch von Pedra de Binisalem steht, ist die alte Kirchen wand am
besten zu schauen. An allen Sonn- und Feiertagen wird in der Kirche Messe gelesen und alljährlich
am Tage der heiligen Dreifaltigkeit ein Fest mit Hochamt und Predigt und sich anschliessendem
Festessen und Tanz gefeiert.
Das ganze Territorium von Miramar wird von zahlreichen Wegen durchkreuzt, Wald und
bebaute Strecken wechseln bunt mit einander, ab. ; Tritt man von der Plattform des Hauses,
einige Treppen hinuntersteigend, auf eine mit Oelbäumen bewachsene Verflachung, an deren Rande
sich ein kleines, aus der Carfüja stammendes gothisches Portal befindet, welches zum Mirador de
Miramar leitet, so wird jeder Mensch hoch überrascht sein, wenn er hinabschaut und die schwindelnde
Tiefe bis zum Meere übersieht, wo Fischerboote wie kleine Bojen erscheinen und Felsenspitze
auf Felsenspitze, Vorgebirge auf Vorgebirge, von der sphinxartigen Foradada bis zur Punta
de s’Aliga, von Banalbufar auf einander folgen. Euphorbia dendroides, Mastixsträucher und Oelbäume
umsäumen diese Felsenwarte und den Rand des Abgrundes. Geht man demselben entlang, so gelangt
man zur Torre del Moro. In diesem Garten wachsen allerhand Blumenarten. Ein dreieckiger Sefareix,
in welchen das Wasser durch eine kleine, einst dem Hause Burgues, in welchem Karl V. in Palma
wohnte, angehörige Thür herabrauscht, dient zur Bewässerung dieser Gartenanlagen.
Mitten durch Kiefern und von Banksienrosen umrankte Terrassenmauern und weiterhin durch
Eichenwald leitet ein Weg von der Torre del Moro zur Felsenkapelle des seligen Ramon Lull. Hin
und wieder ladet an einem bevorzugten Aussichtspunkte eine steinerne Bank zur Ruhe ein. Auf
einem von Strandkiefern und Eichen um wucherten Felsenkegel, welcher mit einem benachbarten
Felsen durch eine Brücke verbunden ist, erhebt sich die monumentale Kapelle des seligen Ramon.
Der Grundstein zu derselben wurde bei Gelegenheit der 600jährigen Feier des Bestehens von
Miramar am 21. Januar 1877 gelegt. Der Stein stammte aus einem Felsen von Bougie, w o des
grossen Philosophen, des Stifters von Miramar, Märtyrerblut geflossen war. Demselben wurde ein
Stein von dem Strande von Sn Francisco zur Erinnerung an den frommen Mallorquiner Fray
Dn Juan Serra, den Gründer der grossen Metropole des Stillen Öceans, hinzugefügt. Es ist eine
einfache romanische Rotunde mit einem Weg ringsum und einem Eisengeländer, von dem man
nach allen Seiten hin die umfassendste Aussicht geniesst. Derselbe Felsen lieferte gleich oberhalb
der Brücke zur Erbauung der Kapelle das Material, einen Kalkstein, der zu regelmäfsig geformten
Quadern bearbeitet wurde. Die Bedachung, das Portal und die innere Bekleidung sind
aus Pedra de Santagny. In der Nische der Apsis oberhalb des Altars befindet sich eine von Dupre
in Florenz ausgeführte Statue des Gründers. Der Fussboden zeigt allerhand Marmorsorten.
Von der Kapelle führen Wege nach verschiedenen Richtungen hin. Ostwärts leitet ein
beschatteter Stufenweg zu den grossen Höhlen von Miramar. Grossartig ist von hier aus der
Ausblick auf die Felsen der Torre del Moro, auf die Kapelle und den grünen Wald, sowie auf
das unendliche Meer, in welchem sich die an den Felsen wachsenden Agaven widerspiegeln.
Ein Marmorrelief im Felsen stellt den seligen Ramon Lull dar. Durch diese Höhle gelangt man
wieder nach Miramar hinauf. Es giebt aber auch noch andere, nach Osten zu gelegene Höhlen: die
Covas de Llevant. Je nach der Tageszeit oder der Windrichtung findet man dort ein schattiges
Ruheplätzchen. Die ersterwähnten Höhlen sucht man am besten des Morgens, letztere des Nach-
mittags auf, jene bei Ost-, letztere bei Westwinden. Diesen Höhlen stehen an Schönheit die am
Wege zum Meere gelegenen, bevor man den Mirador des Miradors erreicht, nicht nach. Wirklich
erschreckend ist der Abgrund, der sich am Wege entlang zieht. Wir machen beim Mirador des
Miradors Halt. Derselbe ist deshalb so benannt, weil man hier eine ganze Menge Aussichtspunkte
von Miramar schaut. Riesige Felsblöcke liegen vor uns, röthlichgrau mit schönster Schattirung,
die bei Sonnenuntergang förmlich glühend erscheinen. Ein weite Thalmulde am Fusse der Felsen
und des oberen Terrassenthaies der Quelle von Miramar, gleichsam eine abgeschlossene Welt, wo