Ergebnisse.
Nach diesen allgemeinen Betrachtungen folge noch eine kurze Zusammenstellung der Punkte,
die sich speziell auf die Entwicklung des Schädels von Megaptera beziehen.
1. Die C a r t i l á g i n e s c u p u l a r e s am vorderen Nasendach werden infolge der Verlagerung der
äußeren Nasengänge w ährend der Ausbildung des P rimordialkraniums gehoben und einander genähert,
so daß die bei jüngeren Stadien annähernd horizontal liegenden Fortsätze später vertikal stehen.
2. Die vorderen ventralen Fortsätze, die neben dem Rostrum oralwärts ziehen, sind als
C a r t i l á g i n e s d u e t u s n a s o p a l a t i n i aufzufassen, die hier das Rostrum in seiner Stützfunktion
verstärken. Sie sind schon hei den jüngsten untersuchten Stadien wohl ausgebildet und reichen
sehr weit nach vorn.
3. Im Gegensatz dazu tre ten die Paraseptalknorpel (C a r t i l á g i n e s . J a c o b s o n i ) sehr s | | t
auf in Form kleiner, kaudalwärts gerichteter Knorpeldornen. E rst das Auftreten dieser' Knorpel
zeigt, wo wir die Grenze von L a mi n a t r a n s v e r s a l i s ( a n te r io r ) , und C a r t í l a g o d | | t u s
n a s o p a l a t i n i zu suchen haben.
4. Während des Höhepunktes der knorpeligen Entwicklung des Schädels findet sich die
Anlage eines J a c o b s o n s c h e n O r g a n s in seiner „vollkommenen“ Form, nämlich ein
epitheliales Rohr, das ziemlich genau dorsal von der C a r t í l a g o J a c o b s o n i hegt.
5. Von N a s e n m u s c h e l b i l d u n g e n treten' auf ein Maxillbturbinale, das mit der
Crista semicircularis verschmolzen ist, ein bis zwei Conchae frontales und zwei Ethm o tu rb in ä iä i
die zunächst ohne jede knorpelige Stütze sind. Bei älteren Stadien findet sich ein Kno;|ffi]:stab im
Ethmoturbinale I, der jedoch isoliert im Bindegewebe hegt (genau ebenso bei Balaenoptera), ferner
ist die Zahl der Conchae frontales v ermehrt (bis auf fünf) und es tre ten die Anlagen von E ktoturbinalia
auf. Ein Nasoturbinale, das sich nach d e B u r 1 e .t bei Balaenoptera findet, ist bei den untersuchten
Megapteraembryonen nicht nachzuweisen.
6. Der b a s a l e K n o r p e l d e r R e g i o o r b i t o t e m p o r a l i s zeigt beim jüngsten
Embryo zwischen den Foramina optica zwei übereinander hegende Knorpelherde. Die dorsale
Knorpelplatte geht kontinuierlich in die Hinterwurzeln der Ala orbitalis über. Dies Verhalten entspricht
fast vollständig dem, das wir am ausgebildeten Primordialkranium von Sauriern antreffen;
die obere Knorpelplatte entspricht dem Subiculum infundibuli ( G a u p p 1900) am Chondro-
kranium von Lacerta. Im Gegensatz zur scheinbaren Primitivität andere entwicklungsgeschichtlicher
Vorgänge am Walschädel, die sich bei näherer Untersuchung als komplizierte sekundäre oder tertiäre
Umbildungen erweisen, können wir hier nur ein durchaus ursprüngliches Verhalten annehmen.
7. Die A l a o r b i t a l i s bei Méga/ptera und anderen Balaenopteriden ist eine ausgedehnte
Knorpelplatte. Sie besitzt stets zwei Wurzeln und kräftige Verbindungen mit Nasenkapsel und
Lamina parietalis.
8. Die knorpeligen Fortsätze ( P r o c e s s u s p a r o p t i c i ) lateral von den Wurzeln der Ala or-
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bitalis, über die der Nervus opticus wegzieht, dienen höchstwahrscheinlich zur Insertion von Augenmuskeln.
Entsprechendes wurde für das Primordialkranium von Sus nachgewiesen. Auffallend
ist, daß diese Fortsätze während der Ausbildung des Knorpelschädels wieder verschwinden.
9. Ein Can a l i s c r a n i o p h a r y n g e u s , also ein den Knorpel völlig durchziehender Gang,
der dorsal in die Fossa hypophyseos mündet, wird bei Megaptera nicht regelmäßig angetroffen.
Beim Stadium V sind deutliche Reste des Kanals vorhanden, nämlich sein ventrales Ende. Der
Embryo X II besitzt eine weite, vollständige Öffnung im basalen Knorpel. Dagegen fehlt der
Gang bei den Embryonen I I I un d IX. Daß es sich hier wirklich um das Rudiment eines Hypophysenganges
handelt, beweist das Vorhandensein eines Epithelstranges, der vom Pharynxepithel
ausgeht und sich beim jüngsten Stadium bis in den rostralen Zipfel der Hypophyse verfolgen
läßt. Abgesehen von dieser auffallenden fetalen Variation ist beachtenswert, daß bei der Megaptera
nahe verwandten Balaenoptera acuto-rostrata sehr häufig ein vollständig erhaltener Canalis
craniopharyngeus — auch am erwachsenen Schädel S vorhanden ist.
10. Beim jüngsten untersuchten Megapteraembryo besteht der basale Knorpel kaudal von
den Wurzeln der Ala temporalis noch aus zwei Knorpelherden, die als Reste isoliert liegender Para-
chordalia aufgefaßt werden können. In der Mitte findet sich eine trennende vorknorplige Schicht,
in der die Chorda verläuft. Ein d ritter unpaarer ventraler Knorpelherd verschmilzt nach hinten zu
mit den beiden dorsalen Knorpelbalken, so daß diese dann unten verbunden erscheinen. Schon beim
Embryo V ist von diesen Knorpelkernen nichts mehr nachzuweisen. Der basale Knorpel ist hier
völlig homogen.
11. Eine C o m m i s s u r a a l i c o c h l e a r i s bildet sich bei Megaptera erst während der
Entwicklung des Primordialkraniums. Wie bei Balaenoptera (und merkwürdigerweise auch bei
Lagenorhynchus), existiert keine unmittelbare Verbindung zwischen Schneckenkapsel und Temporalflügel,
vielmehr kommt sie erst durch Vermittlung der Lamina supracochlearis zustande.
12. Die A l a t e m p o r a l i s ist ein plumper Knorpelstab, der — wie die Untersuchung des
jüngsten Stadium lehrt — isoliert entsteht. Während der Entwicklung des Primordialkraniums
wird der als Lamina ascendens aufzufassende laterale Teil, der zuerst etwa unterhalb des Ganglion
semilunare liegt, allmählich dorsalwärts abgeknickt, so daß er lateral von der oberen Hälfte des
Ganglions liegt, das dann den mittleren Teil des Temporalflügels halbmondförmig umgreift. Verknöcherungen
von Teilen der Ala temporalis sind auch beim Stadium IX noch nicht
nachweisbar.
13. Die von der Pars otica der Basalplatte ausgehenden flügelartigen Fortsätze ( L a m i n a e
s u p r a c o c h l e a r e s ) , die beim Embryo V und IX die oralen Teile der Schneckenkapsel überlagern,
entstehen erst während der Ausbildung des Primordialkraniums. Sie sind als Derivate des
basalen Knorpels und keinesfalls als Teile der Schneckenkapseln aufzufassen, die sich bei Megaptera
isoliert anlegen. Die Verbindung von Basalplatte und Ohrkapsel vermittelst der Lamina supracochlearis
ist infolgedessen als ein entwicklungsgeschichtlicher Vorgang zweiter Ordnung, die wieder
erfolgende und nunmehr endgültige Loslösung als tertiärer Process aufzufassen.
14. Die P a r s c a n a l i c u l a r i s der Ohrkapsel entsteht bei Megaptera von vornherein
ohne Zusammenhang mit kaudalen oder ventralen Knorpelpartien. Eine Commissura oecipito-
capsularil, die bei den meisten Säugerprimordialkranien (auch bei Balaenoptera) vorhanden ist,
fehlt bei Megaptera s te ts: wir haben hier also einen typischen Artunterschied vor uns. Da die
Commissur fehlt, umgreift die Fissura capsuloparietalis die Kanalkapsel nicht nur kaudal, sondern
Zoologica. Heft 69.