Ganz ähnliche Beobachtungen aus dem täglichen Leben liegen ja übrigens auch für Wanzen,
Flöhe und vielleicht auch für Mücken vor. Jedenfalls scheint aber die Kleiderlaus ein ganz gutes
Reagenz auf die menschlichen Hautgerüche zu sein, vielleicht kann sie als solches noch weiter wissenschaftlich
verwandt werden. Jedenfalls ist die Laus wirklich ein Wesen, das bestimmte Menschen
„nicht riechen kann“. Zu den Versuchen von Frickhinger ist übrigens noch zu bemerken, daß zu ihnen
Achselschweiß verwendet wurde, der in Wattebäuschen aufgefangen wurde, die eine Zeitlang unter
der Achselhöhle getragen worden waren. Es wird durch d ie se Versuche also n ic h t e ig e n t lich
die E inwirkun g des a llg em e in en Körpergeruches auf die Läuse d a r g e ta n , s o n dern
nur des Geruches der A ch se lh ö h le , was n a tü r lich durchaus n ic h t d a sse lb e ist.
Bei dem letzteren wirken eben hochgradig die a-Drüsen mit, die auf dem übrigen Körper fehlen. Nun
ist die Menge der a-Drüsen im Verhältnisse zu der der e-Drüsen in der Achselhöhle individuell sehr
verschieden groß. Es ist daher durchaus denkbar, daß die bei den drei Versuchspersonen beobachtete
verschiedene Einwirkung des Achselschweißes auf die Läuse darauf zurückzuführen wäre, daß die
Personen verschieden viele a-Drüsen besessen haben. Hieraus würde dann wieder folgen, daß der
von den a-Drüsen ausgehende Duft ungünstig auf die Läuse einwirkt, denn daß der von den e-Drüsen
ausgehende nicht ungünstig wirkt, sehen wir daran, daß die gesamte Körperoberfläche des Menschen
von den Läusen besucht wird. Es müßten daher die Versuche von Frickhinger unter Berücksichtigung
dieser Gesichtspunkte mit Anwendung des gewöhnlichen Körperschweißes wiederholt werden, und
man müßte darauf achten, wie sich die Läuse der Achselhöhle gegenüber verhalten, dann würde man
erst zu Resultaten kommen, welche für das Verhalten der Läuse dem Menschen gegenüber wirklich
beweisend wären.
Über F ilz lä u s e fehlen solche Untersuchungen noch völlig, ebenso Rassenuntersuchungen. Da
diese Tiere aber bei deutschen Männern und Frauen Vorkommen, bei den ersteren aber die a-Drüsen
fehlen, bei den letzteren vorhanden sind, so scheinen diese wenigstens keinen Einfluß auf ihr Vorkommen
zu haben. Jedenfalls wird man aber von jetzt an bei allen derartigen Untersuchungen das
Vorkommen der beiden verschiedenen Drüsenarten beim Menschen berücksichtigen müssen.
Das hier Mitgeteilte spricht dafür, daß der Geruch der verschiedenen Menschenrassen nicht
direkt abschreckend auf die Läuse wirkt, denn sonst würden sie auf Menschen fremder Rassen
überhaupt nicht heraufkriechen. Wenn sie sich also auf Menschen von fremden Rassen immer nur
kurze Zeit halten, so muß entweder das Blut oder das Sekret der Hautdrüsen giftig auf sie wirken.
In erinnere hier daran, daß ich bei der Besprechung des Gehörgangsorganes die Annahme gemacht
habe, daß seine Bedeutung darin liegen könnte, daß es Parasiten abhielte, in den Gehörgang hinein
zu kriechen und sich dort aufzuhalten, sei es durch seinen spezifischen Geruch, sei es durch die
Giftigkeit des Ohrenschmalzes. Allerdings mußte ich oben auch schon zugeben, daß Beobachtungen
hierüber noch nicht vorliegen.
Es ist eine bekannte Tatsache, daß die einzelnen Menschen sich durch ihren Geruch unterscheiden,
ich bin oben auch schon hierauf eingegangen und habe dort von „Individualgerüchen“ und
von „Rassengerüchen“ gesprochen. Es ist weiter zweifellos, daß diese beiden Arten von Gerüchen
durch die Sekrete der Hautdrüsen erzeugt werden. In letzter Zeit hat nun Gorrens (1916) die „Verschiedenheit
der Individuen“ und die „Individualstoffe“ besprochen. Er sagt:
„Eine weitere Tatsache, die zur Annahme von Individualstoffen einlädt und auch von Abderhalden in diesem Sinne
verwendet wurde, sind die Riechstoffe.“
Schon Gustav Jäger (1876) hat übrigens angenommen, daß nicht nur jede morphologische Art,
sondern auch „jede Rasse, Varietät und in letzter Instanz sogar jedes Individuum“ einen spezifischen
Ausdünstungsgeruch habe. Gorrens geht dann weiter darauf ein, daß der Hund hierfür ein außerordentlich
feines Unterscheidungsvermögen besitzt, und bespricht Versuche, die anzustellen wären,
um nachzuweisen, wie weit Verwandte und Geschwister auch noch durch den Hund zu unterscheiden
sein würden. Er spricht sich dann weiter dahin aus, daß man durch solche Unterschiede noch nicht
zur Annahme von „Individualstoffen“ gezwungen sein würde. Er hält es für wahrscheinlicher, daß
die einzelnen Individuen nicht verschiedene e in fa ch e Riechstoffe bilden, sondern daß sich jedesmal
mehrere Riechstoffe zu einem resultierenden Gerüche vereinigen. Diese Stoffe könnten, wie andere
Eigenschaften, einzeln vererbt werden, sie würden dann bei verschiedenen Individuen in verschiedenen
Kombinationen auftreten. Es verhielte sich dann der individuelle Geruch wie das Gesicht des Menschen,
das auch nichts dem Individuum wirklich Eigenes ist, sondern sich aus zahlreichen Einzelzügen,
Merkmalen der Stirn, der Augen, der Nase, des Mundes usw. zusämmensetzt, die getrennt
von Generation zu Generation vererbt und immer wieder bei jeder Befruchtung neu und verschieden
kombiniert werden. So groß hierbei die Zahl der einzelnen Merkmale auch sein muß, so ist sie doch
gegenüber der möglichen Zahl von Kombinationen, und damit gegenüber der Zahl der möglichen Gesichter,
verschwindend gering. In ähnlicher Weise wie das Gesicht kann man sich auch den Geruch
einer Person aus mehreren getrennt vererbten, von den Vorfahren herstammenden, einzelnen Riechstoffen
zustande kommend denken. Der Nachweis wird sich aber nur sehr schwer erbringen lassen
und ist für unsere jetzigen chemischen Kenntnisse vielleicht ganz unmöglich, weil sich der Gesamtgeruch
noch viel schwerer als das Gesicht in seine einzelnen Bestandteile zerlegen ließe. Können wir
selbst doch — und beim Hunde wird es nicht anders sein — zwei verschiedene, gleichzeitig dargebotene
Riechstoffe oft nicht getrennt wahmehmen, sie vereinigen sich vielmehr zu einem neuen
Gerüche. Nach den Ergebnissen der modernen Vererbungslehre ist bei den höheren, sich nicht selbst
befruchtenden Organismen für das Individuum eine bestimmte Kombination von Eigenschaften, z. B.
von chemischen Stoffen, charakteristisch. Die Ausbildung jeder einzelnen Eigenschaft, also auch
jedes Stoffes, beruht auf einer Anlage, die in den Keimzellen von Generation zu Generation weiter
gegeben wird. Die einzelnen Eigenschaften sind etwas S p e z ifisch e s, nicht etwas Individuelles. Die
Kombination der Anlagen und damit die der Eigenschaften und Stoffe fällt aber immer wieder, bei
jeder Befruchtung, verschieden aus, als Spiel des Zufalles, weil nicht jed e Keimzelle auch jede Anlage
mitbekommt. Die K om b in a tion entsteht: jjedesmal b e i der E n ts teh u n g des I n d ividu
ums und g eh t wieder m it ihm zugrunde: sie is t das In d iv id u e lle .
Mit der hier soeben mitgeteilten Anschauung von Correns bin ich ganz einverstanden. Ich habe
früher schon die Verschiedenheit der Keimzellen dadurch zu erklären versucht, daß bei den Teilungen
die in der Mutterzelle enthaltenen Körnchen nicht ganz gleichmäßig auf die Tochterzellen verteilt
würden. Diese Körnchen würden zum größten Teile als Mitochondriabildungen anzusehen sein. Sie
würden ebenso zum größten Teile den Bioblasten von Altmann entsprechen. Die Bedeutung dieser
so unscheinbaren Gebilde hat Hofmeister (1914) vor kurzem in sehr klarer Weise verständlich zu
machen versucht. Auf diese Weise würde man dann verhältnismäßig einfach zu einem Verständnisse
für die Ursache der Verschiedenheiten der Keimzellen und damit der aus der Vermischung dieser
Keimzellen hervorgehenden neuen Individuen gelangen können.
Die Ansicht von Gorrens von der Kombination von Eigenschaften, von der Kombination von
Riechstoffen scheint mir in ausgezeichneter Weise bestätigt zu werden durch die Beobachtungen,
welche ich in dieser Arbeit über die Hautdrüsen mitgeteilt habe. Diese Drüsen sondern nicht nur,