wenigstens auf die Möglichkeit einer sekundären Bildung (als Einleitung der Verknöcherung) hin,
wie dies oben angedeutet wurde.
Ein entsprechender, auch die knöcherne Schädelbasis v o l l s t ä n d i g durchbohrender
Kanal findet sich übrigens auch an erwachsenen Walschädeln, was bisher anscheinend nicht beachtet
wurde. Ich untersuchte die Balaenopteridenschädel des hiesigen zoologischen Museums und fand
bei einer jungen Balaenoptera acuto-rostrata von 1,15 m Schädellänge einen völlig erhaltenen Kanal
im Keilbein, der nur wenig (etwa 1 cm) oral vom kaudalen Ende des Vomer mündete. Die untere
Öffnung, ein sagittal gestellter spitzwinklig-dreieckiger Schlitz, wurde also vom Vomer völlig verdeckt.
Durch den Kanal, der die beträchtliche Länge von mehr als 5 cm besitzt, läß t sich eine dicke
Borste unschwer hindurchführen.
Eine Abbildung, die ähnliches zeigt findet sich übrigens schon bei W e b e r (1904, S. 563).
Es handelt sich um einen Medianschnitt durch den Schädel einer jungen Balaenoptera acuto-rostrata
von 5,80 m Länge, der deutlich einen weiten Kanal in der Schädelbasis erkennen läßt. Oben beginnt
er etwas hinter der übrigens deutlich ausgeprägten Hypophysengrube und wird auch hier unten
durch das kaudale Ende des Vomer verschlossen. W e b e r h a t diese Bildung auf der Figur nicht
bezeichnet und geht auch im Text leider nicht darauf ein. Ich halte es für sehr wahrscheinlich,
daß es sich hier um die auffallend gut erhaltenen Reste eines primären Kanals handelt. Anffa.np.nd
mag erscheinen, daß der Kanal nicht von der tiefsten Stelle der Hypophysengrube ausgeht, sondern
etwas weiter hinten ansetzt. Demgegenüber weise ich aber darauf hin, daß speziell die Lage der
dorsalen Öffnung des Kanals, falls er im knöchernen Schädel überhaupt vorkommt, s tark variiert,
und verweise im besonderen auf die Abbildung eines abnormen Canalis craniopharyngeus des
menschlichen Schädels in der schon erwähnten Arbeit von K o l l m ä n n (1904), wo der Kanal
auch nicht in der tiefsten Stelle der Sella, sondern ausnahmsweise etwas weiter vorn mündet.
Einen nicht unwichtigen Beitrag zu der uns hier beschäftigenden Frage liefert eine Beobachtung
von G u l d b e r g , die sich in dessen Arbeit über das Zentralnervensystem der Bartenwale (1885)
findet. G u l d b e r g bespricht die Ossifikation der Basalteile des Kraniums eines kaum % m langen
Megapterafetus. Nachdem die Ossifikationspunkte für die einzelnen Keilbeinknochen genannt
sind, fährt der Autor fort: „Höchst interessant war die Tatsache, daß durch das zweite dieser Verknöcherungszentren
(Os sphenoidale posterius) sich noch ein kleiner Bindegewebsstrang hindurchzog,
als ein Überbleibsel der ursprünglichen Verbindung zwischen dem die Hypophysis umgebenden und
dem suprapharyngealen Bindegewebe.“ G u l d b e r g illustriert diese Mitteilung durch eine
Zeichnung (1885, Taf. II , Fig. 17), einen Sagittalschnitt des Kopfes mit dem Gehirn in situ in n a tü rlicher
Größe. Man sieht den Bindegewebsstrang, der durch eine feine Linie angedeutet ist, mitten
durch den Knochenkern des Postsphenoids ziehen und ventral in einer trichterförmigen Vertiefung
münden. Dorsal mündet er ungefähr an der tiefsten Stelle einer deutlichen Hypophysengrube,
aber kaudal von der Hypophyse selbst, da diese nur im vorderen Teil der Grube liegt.
Der Wert dieser Mitteilung von G u l d b e r g liegt nun hauptsächlich darin, daß er auf die
e p i t h e l i a l e n Rudimente des ehemaligen Hypophysenganges und damit auf einen exakten
Nachweis dieser Bildung hinweist. Die Möglichkeit d i e s e s Nachweises bleibt natürlich auch bestehen,
wenn sich der im Knorpel verlaufende Kanal schon geschlossen hat.
Auch bei Zahnwalen sind die Verhältnisse wechselnd. Bei einem Phocaena&rabiyo von
4,8 cm fand d e B u r l e t (1913, 1) nur eine leichte Vertiefung für die Hypophyse, aber keinen Kanal.
Dagegen zeigt ein älterer Embryo eine Bildung, die d e B u r l e t (1913, 2) wieder Canalis craniopharyngeus
nennt. Dieser vom Knorpel umschlossene, oben trichterförmig erweiterte Kanal ist aber
nicht vollständig erhalten: „nahe seinem vorderen Ende fehlt er auf einigen Schnitten.“ Seine untere
Öffnung wird vom distalen Ende des Vomer bedeckt. D e B u r l e t h ä lt also diesen unvollständigen
Kanal für den Rest des Hypophysenganges, sagt aber leider n icht, ob er noch Epithelreste oder Blutgefäße
enthält. Bei Lagenorhynchus albirostris erwähnt d e B u r l e t (1914, 2) auch nur das Vorhandensein
des Kanals, ohne ihn näher zu beschreiben.
Von den drei Megapteraemhiyonen, die mir zur Bearbeitung Vorlagen, untersuchte ich zuerst
den Embryo V von 9,2 cm Rückenlänge, bei dem sich oben nur eine sehr seichte und kaum begrenzte
Grube für die Hypophysis fand. Dagegen zeigte die Ventralseite der Balkenplatte eine relativ tiefe
grubige Aushöhlung, deren Verlängerung gerade die Hypophyse getroffen haben würde (Tafelfig. 4).
Der größere Embryo IX von 11,4 cm Rückenlänge ließ von dieser Bildung nichts mehr erkennen.
Ich hoffte, beim jüngsten zur Untersuchung gelangten Embryo I I I ein durchgehendes Foramen oder
wenigstens eine deutlichere Hypophysengrube zu finden. Es zeigte sich jedoch gerade das Gegenteil:
hier fehlte auch die untere Aushöhlung, so daß sich die Rasalplatte des jüngsten Embryo von der
des Stadium IX kaum unterschied.
Man könnte aus den bisher gegebenen Daten den Schluß ziehen, daß schon in relativ frühen
knorpeligen Stadien sekundäre Vertiefungen von oben und unten her (Phocaena u. a j oder auch, nur
von unten her (Megaptera) einwachsen, nachdem sich der ursprüngliche Hypophysengang abge-
sehnürt hat, der möglicherweise überhaupt niemals von Knorpel umgeben war (Echidna, Didelphys,
vielleicht auch Talpa).
A b e r f ü r v i e l w a h r s c h e i n l i c h e r h a l t e i c h e s, „ d a ß d i e v o r k
o m m e n d e n V e r s c h i e d e n h e i t e n i n d e r A u s b i l d u n g d e s K a n a l s
n i c h t a l s A l t e r s u n t e r s c h i e d e , s o n d e r n a l s i n d i v i d u e l l e V a r i a t i o n e n
a u f z u f a s s e n s i n d .
Die Canales craniopharyngei variieren nämlich nicht nur innerhalb einzelner Ordnungen,
wie z. B. ihr Fehlen bei Didelphys ( T o e p l i t z 19i7) und ihr typisches Vorkommen bei Peramdes
( C o r d s 1915) beweist, sondern auch innerhalb engbegrenzter Familien und selbst Arten, wie die
Befunde von F r e t s (1913, S. 721) an platyrrhinen Affen beweisen. Dieser Autpr fand den Kana],
der (nach den beigegebenen Abbildungen zu schließen) primärer Natur ist, bei Cebus und den meisten
untersuchten Exemplaren von Mycetcs. — Bei Chrysothrix, Ateles und einem Exemplar von Mycetes
dagegen, das dem Alter nach z w i s c h e n den anderen Embryonen der gleichen Art stand, wurde
er vermißt.
Die Befunde von drei verschieden alten Embryonen von Megaptera stützen wiederum die auch
von F r e t s ausgesprochene Ansicht, daß das Vorhandensein des Kanals im knöchernen Schädel
auf fetale Variation zurückzuführen ist. Ich. möchte hinzufügen, daß es sich meiner Ansicht nach
schon bei dem Kanal im Primordialkranium um das Gleiche handelt. Der primäre Kanal schließt
sich, wenn er überhaupt zur Entwicklung kommt, individuell früher oder später. Bei Megaptera V
h a t er sich in seinem v entralen Verlaufe länger erhalten, als bei Megaptera I I I , und es b esteht absolut
kein Grund zu der Annahme, daß der Embryo II I, wenn er sich weiter entwickelt hätte, später die
entsprechenden Zustände, wie wir sie beim Embryo V finden, reproduziert hätte. Und es ist natürlich
absurd anzunehmen, daß im Laufe der individuellen Embryonalgenese ein und dasselbe Foramen,
das sich im Knorpel schon geschlossen hat, im Knochen wieder auftaucht. In diesem Falle kann es
sich eben nur um sekundäre Bildungen handeln, die dann aber zur Vermeidung von