Ein vollständiges Fehlen der Foramina hypoglossi beim erwachsenen Schädel fand d e
B u r 1 e t bei den meisten erwachsenen Bartenwalen, jedenfalls bei Balaenopteriden. E r schließt
daraus, daß bei Bartenwalen allgemein eine Tendenz zur Verschmelzung von Foramen hypoglossi
und Foramen jugulare vorhanden ist, was ich auch für die hier untersuchten Megapteraembryonen
bestätigen kann. Auch beim jüngsten Fetus ist kein isoliertes Foramen hypoglossi vorhanden, so
daß wir hier das Durchtreten des Nervus hypoglossus durchs Foramen jugulare als R e g e l ansehen
können, was bisher nur für Monotremen angenommen wurde (G a u p p 1908).
Bei Zahnwalembryonen ist dagegen stets mindestens ein wohlausgebildetes Foramen hypoglossi
vorhanden, so z. B. bei den beiden von d e B u r 1 e t (1913, 1, Taf. I—I I ; 1913, 2, Taf. I—II) untersuchten
Phocaenaembryonen.
Beim Primordialkranium von Lagenorhynchus dagegen findet sich wieder eine Asymmetrie
(d e B u r 1 e t 1914, 2, S. 395), nämlich links noch eine Öffnung, die durch eine dünne Knorpelp
la tte vom Foramen jugulare abgetrennt ist. Daraus kann man wohl den Schluß ziehen, daß auch
rechts bei diesem Exemplar mindestens e i n Hypoglossusast mit durchs Foramen jugulare geht,
während der Rest des X II. Hirnnerves das Schädelcavum durch ein besonderes Foramen verläßt.
Ob bei anderen Zahnwalen embryonal ein ähnliches V erhalten vorkommt, ist bisher unbekannt.
Bei Phocaena ist es nicht der Fall. Es ist jedenfalls lohnend, hier noch weiteres Tatsachenmaterial
zu sammeln.
Jedenfalls ist hier wieder ein durchgreifender Unterschied in der Entwicklung von Zahn-
und Bartenwalen zu konstatieren. Wie schon oft, so können wir auch hier feststellen, daß
Lagenorhynchus den Bartenwalen ähnlicher ist als Phocaena.
Processus paracondyloideus.
Wir kommen je tz t zur Besprechung des Processus paracondyloideus (oder Processus par-
occipitalis mancher Autoren), einer Bildung, die gerade beim Primordialkranium von Megaptera
so außerordentlich stark entwickelt erscheint, wie bei keinem anderen knorpeligen Säugetierschädel.
Selbst bei nahe verwandten Formen (Balaenoptera) ist er nicht annähernd so groß, wie bei
Megaptera. Von seiner Ausdehnung geben nur die Lateralansichten der Modelle eine richtige Vorstellung.
Auf Tafelfig. 4 erscheint er relativ zu klein, da sich infolge der starken Krümmung der
Schädelachse keine r e i n ventrale Ansicht anfertigen läßt.
Einen relativ wohlausgebildeten Processus paracondyloideus besitzen u. a. diePrimordialkranien
von Schwein und Hund, doch reichen sie hier vorn nicht einmal bis zur Wurzel des Hyale, wie die
Ventralansichten der betreffenden Modelle zeigen (Me a d 1909; O l m s t e a d 1911).
Stellt man sich bei Sus z. B. eine Verschmelzung der hier sehr großen Hypoglossuslöcher mit
den Foramina jugularia vor, so würde der Processus paracondyloideus oder paroccipitalis, wie ihn
M e a d nennt, auch hier bedeutend an Größe gewinnen, indem dann seine Wurzel weiter nach
hinten rückte.
In gleicher Weise ist die Entstehung des enormen Processus paracondyloideus bei Megaptera
zu erklären. H ie r ist das Foramen jugulare ganz besonders groß und entspricht hier auch s t e t s
der Summe von Foramen jugulare und Foramen hypoglossi. W i r h a b e n a n z u n e h m e n ,
d a ß d e r a r c h i t e k t o n i s c h v o l l s t ä n d i g e i n h e i t l i c h e F o r t s a t z n u r
i n s e i n e m o r a l e n T e i l d e m P r o c e s s u s p a r a c o n d y l o i d e u s a n d e r e r
S ä u g e r p r i m o r d i a l k r a n i e n h o m o l o g i s t. Sein kaudaler Teil dagegen ist nur
als Lamina alaris aufzufassen.
Die Frage, ob der Fortsatz bei Megaptera je eine mediale Verbindung mit der Basalplatte
(wie beim Schwein) oder mit der Pars canalicularis der Ohrkapsel (wie bei sehr vielen anderen
Formen) besessen ha t, ist bei den hier untersuchten Embryonen nicht zu entscheiden. Auch beim
jüngsten Stadium I I I ist der Fortsatz, dessen Wurzel sich auch hier schon deutlich als Lamina alaris
dokumentiert, nicht nur ohne jede sonstige Verbindung mit anderen Knorpelteilen, sondern noch
weiter davon entfernt als später. Daraus ergibt sich, daß er lediglich aus b a s a l e m Knorpelmaterial
hervorgeht.
Der Raum, den der Processus paracondyloideus in seiner Gesamtheit unten und hinten begrenzt,
und den ich im beschreibenden Teile Cavum metoticum genannt habe, entspricht, größtenteils dem
Recessus jugularis, wie er sich etwa beim Primordialkranium von Lepus findet. Bei Megaptera
ist aber noch eine erhebliche Vergrößerung des eigentlichen Recessus jugularis zu konstatieren, da
hier infolge der starken Isolation der Pars canalicularis und der kaudalen Ausweitung der knorpeligen
Wände der Regio occipitalis ein neuer Raum hinter der Ohrkapsel entstanden ist. Daß dieser Raum
wirklich sekundär in das Schädelcavum einbezogen ist, beweist der Verlauf der Dura, die gerade
hier sehr deutlich zu verfolgen ist und die dorsal-kaudale Begrenzung dieses Raumes bildet.
Um einen Begriff von seiner recht beträchtlichen Ausbildung zu geben, will ich nur bemerken,
daß er etwa einhalbmal so groß ist wie die Pars canalicularis der Ohrkapsel. In ihm verlaufen die
letzten vier Hirnnerven und die Vena jugularis, ehe sie durchs Foramen jugulare die Schädelhöhle
verlassen. Daß bei Balaenoptera teilweise ähnliche, wenn auch nicht gleiche Verhältnisse bestehen,
zeigt die Figur 2 der Arbeit von d e B u r l e t (1914, 1, S. 123).
Chorda dorsalis.
Über den Verlauf der Chorda ist nur wenig zu sagen. Beim jüngsten Embryo I I I , wo sie sich
mit vollster Deutlichkeit verfolgen läßt, tr i t t sie von unten her in die Basalplatte und zieht schräg
nach vorn und oben, um etwa zwischen der Mitte der Partes canaliculares der Ohrkapsel die Dorsalfläche
der Basalplatte zu erreichen. Hier bleibt sie nun, ohne über das Niveau des Knorpels hinauszuragen,
b is ‘sie etwa in den Teil der Basalplatte gelangt, der zwischen dem ersten oralen Drittel
der Schneckenkapseln liegt. Hier macht sie zwischen den trabekelartigen Knorpelherden (s. o.)
plötzlich eine scharfe Biegung nach unten — etwa bis in die Mitte des basalen Knorpels kehrt
aber sofort wieder zur Dorsalfläche zurück und bleibt nun oben, bis sie nach wenigen Schnitten,
kaudal von der Hypophysis, ihr orales Ende erreicht.
Sehr ähnlich verläuft die Chorda auch bei den älteren Stadien der Megapteraembryonen.
Der auffallendste Unterschied gegenüber dem Stadium I I I besteht darin, daß die dort so enge und
steil nach unten gerichtete Schleife beim Embryo IX z. B. erstens etwas weiter kaudal liegt und
ferner keine so scharfe Biegung mehr aufweist. Hier ist die Chorda in ihrem dorsalen Verlauf übrigens
oft nur mit Mühe erkennbar.
D e B u r l e t h a tte schon bei Balaenoptera den Verlauf der Chorda näher zu erforschen gesucht,