nur ihre Lebensgewohnheiten richten sie einigermaßen nach dem Wechsel der Temperatur und der
Sonnenbescheinung ein.
Durch die Homöothermie ist dafür gesorgt, daß, reichliche Ernährung vorausgesetzt, zahlreiche
Landsäugetiere die kalten Winter ihrer Heimat aushalten und zahlreiche Seesäugetiere die
kalten Meere bewohnen können, ohne merklich an ihrer Lebensintensität einzubüßen, wozu kein
Reptil imstande wäre.
Doch gibt es vor allem unter den kleinen Säugern eine Anzahl, die während der k alten Jahreszeit
ihre Homöothermie aufgeben, poikilotherm werden und den Reptilien gleich in einen lethargischen
Zustand, den Winterschlaf verfallen, während dessen ihre Lebensäußerungen auf ein Minimum herabgesetzt
sind. Wenn bei mildem Frühlingswetter die Möglichkeit besteht, durch reichliche Nahrung
die Körpertemperatur wieder dauernd auf der notwendigen Höhe des Optimum zu erhalten, geht der
Winterschlaf zu Ende. E r befällt aber n u r solche Säugerarten, welche während des Winters durch
Nahrungsmangel so bedroht sind, daß keine Aussicht besteht, mit der verfügbaren Nahrungsmenge
die Körpertemperatur dauernd auf der nötigen Höhe zu erhalten. Bei den warmblütigen Vögeln
tr i tt dieser Zustand nicht ein, da sie bei drohendem Nahrungsmangel auszuwandern vermögen.
Notwendig ist den Warmblütern andauernde reichliche Ernährung. Längeres Hungern, das
von den Reptilien meist leicht ertragen wird, besonders bei niederen Temperaturen, kann der Warmblüter,
der nicht Winterschläfer ist, nicht ertragen. E r geht dann übrigens daran zu Grunde, daß
sein Organismus bestrebt ist, vor allem das nötige Optimum an Körpertemperatur aufrecht zu erhalten.
In diesem Bestreben bringt er, wenn die dafür aufgespeicherten Reservestoffe verbraucht
sind, immer mehr Baustoffe der Organe zur Oxydation, ohne sie ersetzen zu können, bis der ganze
Bau zusammenbricht.
8. Das Rätsel der Homöothermie.
Es is t zweifellos, daß der Körper der Tetrápoda zur höchsten Entfaltung seiner Lebensintens
itä t viel mehr Wärme braucht, als von einem poikilothermen Reptil innerhalb seines Körpers erzeugt
werden könnte. F ü r das werdende Säugetier mußte es aber ein eminenter Vorteil sein, wenn es ihm
gelang, einen möglichst großen Teil der dazu nötigen Wärme selbst zu erzeugen und nicht mehr so
ganz von der Gunst des Klimas und der Witterung abhängig zu sein wie die Reptilien. Es ist daher
verständlich, daß, sobald die Möglichkeit gegeben war, die innere Wärmeerzeugung zu erhöhen, diese
Gelegenheit von einem Organismus auch ausgenutzt wurde; denn je mehr die inneren Wärmequellen
leisteten, um so unabhängiger war er von den äußeren. Dem Säugetier war nun diese Gelegenheit
gegeben mit seinen leistungsfähigen Kauzähnen. Mit diesen Werkzeugen war es möglich, dem Blut
eine viel größere Menge verdauter Nahrungsstoffe zuzuführen, als das Reptil es vermochte. J e nach
der Menge dieser Nahrungsstoffe mußte durch deren Oxydation sich eine mehr oder weniger b e trä ch tliche
Erhöhung der Körpertemperatur einstellen, verglichen mit der der Reptilien.
Die erhöhte Temperatur macht sich bei den Säugetieren natürlich auch im Magen und Darm
geltend, wo die chemischen Vorgänge der Verdauung sich abspielen. Diese werden naturgemäß
durch erhöhte Temperatur außerordentlich begünstigt und beschleunigt. (Vergl. S. 25 Anmerk.)
Es darf, wie m ir scheint, angenommen werden, daß mit steigender T emperatur die spezifische Wirkung
der Verdauungssäfte stetig zunimmt bis zu einem Optimum und dann rasch sinkt. Dieses chemische
Optimum b e träg t wohl mindestens 46° C, es liegt aber wesentlich höher als das physiologische
Optimum der Körpertemperatur.
So veranlaßte bei dem werdenden Säugetier der etwas raschere Verlauf der Verdauung,
welcher nur als Folge kräftiger Kautätigkeit eintrat, zunächst auch nur eine etwas erhöhte Körperwärme.
Als deren Folge mußte aber eine noch raschere Verdauung und damit noch weiter erhöhte
Körperwärme auftreten, die wieder die Verdauung noch m ehr beschleunigen mußte, bis eine bestimmte
Grenze erreicht war. Es liegt hier ein geschlossener Kreis von Ursachen und Wirkungen vor, die sich
wechselseitig begünstigen, ein richtiger Circulus felix. Infolge dieser zwei günstigen Bedingungen,
die sich gegenseitig immer weiter und weiter steigerten, mußte wie auf einer Leiter die Körpertemperatur
von Sprosse zu Sprosse in die Höhe klettern. Auch der Stoffwechsel in den Geweben
des Körpers mußte mit zunehmender Körpertemperatur immer lebhafter werden und erforderte
immer reichlichere Zufuhr von neuen Stoffen zum Ersatz der abgenützten Gewebe- ^
Stoffe, die in immer reichlicheren Mengen zur Oxydation verfügbar wurden und so
auch ihrerseits zur Erhöhung der Körperwärme beitrugen. J e mehr Wärme der
Körper erzeugte, um so größer wurde sein Bedarf an Nahrung, um so größer die
Menge von Nahrungsstoffen, die er verdauen und in das Blut aufnehmen konnte; je
mehr Nahrungsstoffe er aber aufnahm, um so mehr Wärme mußte er erzeugen, bis
ein Optimum erreicht war, das nicht überschritten verden konnte.
Auf nebenstehender Figur 16 wurde versucht, diesen Vorgang in schematischer
Weise graphisch darzustellen:
Skala N gibt einen Maßstab der Nahrungsmengen, die in einem bestimmten
Zeitraum in den Körper aufgenommen und ausgenutzt werden. Als Nahrungseinheit
gilt die Menge, welche von einem Reptil (R) in diesem Zeitraum unzerkaut auf-
genommen und verdaut werden kann.
Skala W bezeichnet die Körpertemperaturen. Als Wärmeeinheit gilt die
Wärmemenge, um welche die Körpertemperatur (steigt infolge der Oxydation einer
Nahrungseinheit. Der Ausgangspunkt (z) der Wärmeskala bezeichnet die Höhe der
Körpertemperatur, welche unabhängig von der inneren Oxydation erreicht wird,
die also von der schwankenden Außentemperatur (A) veranlaßt und abhängig ist.
Durch Aufnahme der ersten Nahrungseinheit beim Reptil (R) macht sich eine
Erhöhung der K örpertemperatur noch nicht bemerkbar; sie bleibt auf dem Ausgangs- JV w
punkt (z) stehen. E rst durch Aufnahme einer 2. Nahrungseinheit, die durch Kauen Fig. 16.
(K) beim Säugetier ermöglicht ist, steigt die Körpertemperatur um 1 Wärmeeinheit
von z auf 1. Diese 1. Wärmeeinheit ermöglicht die Aufnahme einer 3. Nahrungseinheit. Sie liefert
dem Körper eine 2. Wärmeeinheit. Diese ermöglicht eine 4. Nahrungseinheit, welche eine 3. Wärmeeinheit
liefert und so fort, bis das Optimum (Opt.) erreicht ist.
Der Organismus ist also imstande, die ihm günstigste Körpertemperatur selbst zu erzeugen, vorausgesetzt,
daß er die Fähigkeit und die Gelegenheit hat, die dazu notwendigen Nahrungsmengen aufzunehmen
und zu verdauen. Auf diese Weise dürfte, wie man sich je tz t vorstellen kann, das werdende
Säugetier infolge seiner Kauzähne befähigt gewesen sein, das Optimum der Körperwärme automatisch
zu erreichen. Dies Optimum konnte aber nicht überschritten werden, so wenig wie bei Reptilien;
denn bei noch höherer T emperatur wäre sofort der Bestand des ganzen Organismus gefährdet gewesen.
. . . . . -i .M. _n- • VinVio Torvnipriilnrp.n. Um Z. B.