brücke, die seine beiden Alveolen trennt, wie ein Reiter aui dem Sattel und wird einen starken, auch
hämmernden Druck senkrecht von oben mit Leichtigkeit aushalten, ohne verschoben zu werden.
Auch durch seitlichen Druck auf die Krone, wie er ja auch beim Kauen leicht Vorkommen kann,
können die langbewurzelten Zähne nicht aus ihrer Lage gebracht werden.
Getrennte Wurzeln bilden die ideale Befestigung für Kauzähne. Ihre Erscheinung war eines
der bedeutungsvollsten Ereignisse in der Geschichte der Wirbeltiere. Denn durch sie wurden die
Kauzähne erst wirklich leistungsfähig. Als sie sich entwickelten unter den Theromorphen, entstand
das Säugetier. Leistungsfähige Kauzähne mit mehreren Wurzeln waren das äußere Zeichen des
Leitmotivs, mit dem die Säugetiere in die Erdgeschichte eintraten. Das Auftreten mehrwurzeliger
Kauzähne h a t die Entstehung der Säugetiere nicht nur begleitet, sondern sie wahrscheinlich erst
ermöglicht und sogar veranlaßt.
Nicht die Verbreiterung der Zahnkronen, nicht das Auftreten von mehreren Spitzen-anstelle
der einzigen Spitze der Eangzähne ist es, was den großen Fortschritt bedeutete, der zur Entstehung
der Säugetiere führte. Solche Erscheinungen tre ten bei sehr verschiedenen Gruppen von Reptilien
auf, besonders von landbewohnenden, z. B. Gynognathus (Fig. 11, S. 14), ohne daß sie eine größere
Bedeutung erhielten. Auch wenn im Zusammenhang damit eine Änderung der Nahrung eintrat, wie
bei den verschiedenen Pflanzenfressern unter den Reptilien, so blieb sie doch nur auf einen kleineren
Kreis von Formen beschrankt und zeitigte keine tiefergreifende Änderung der Organisation. Die
betreffenden Formen blieben immer Reptilien. E rst die getrennten Zahnwurzeln schufen das Säugetier.
Den Anlaß zur Trennung der Wurzeln mag eine Vergrößerung der Backzähne gebildet haben,
deren eigentliche Ursache sich wohl nicht sicher feststeflen läßt.
Es läß t sich jedenfalls nicht nachweisen, daß die Veränderungen, welche die Zahnkronen
zum Kauen befähigten, die Veranlassung waren zur Trennung ihrer Wurzeln; denn wir beobachten
solche Veränderungen häufig genug bei Reptilien, ohne daß es zu dieser Trennung kam. Die Wurzel
blieb trotzdem einfach, wie sie es bei den nächsten Verwandten war, deren Zähne einfache Fangzähne
geblieben waren. So ist es auch noch bei allen Cynodonta gewesen trotz ihrer sonstigen Säugerähnlichkeit.
Es läß t sich auch nicht etwa eine allgemeine Tendenz annehmen, die sich in einer Vermehrung
der Zahnwurzeln äußerte. Denn die Schneidezähne bleiben stets einwurzelig, nur die Zähne, die zum
Kauen sich eignen, die Backzähne, erhalten mehrere Wurzeln. Der Eckzahn schließt sich bald den
Schneidezähnen, bald den Backzähnen in dieser Beziehung an. Den unmittelbaren Anstoß zur Teilung
der Wurzeln sieht Schlosser wohl mit R echt in einer Streckung der Backzähne. Bei den einwurzeligen
Zähnen is t der Querschnitt in der Regel etwa so lang als breit. Bei den mesozoischen Triconodonta
(Fig. 13, S. 16) ist aber der Querschnitt der oberen und unteren Backzähne beträchtlich in die Länge
gestreckt. Eine solche Streckung bedeutete ursprünglich wohl nur eine Vergrößerung der einzelnen
Zahnkronen. Die Wurzel, die an der Streckung der Krone teilnimmt, e rlitt dabei leicht aus Mangel
an genügendem Material eine Teilung, so daß zwei Wurzeln hintereinander traten. Bei den gleichzeitigen
Pantotheria verhalten sich aber nur die vorderen Backzähne, die Prämolaren, wie die der
Triconodonta. Der dreieckige Querschnitt ihrer hinteren Backzähne (vergl. Fig. 17, S. 36) aber
is t nicht länger wie breit, im Oberkiefer sogar viel breiter als lang. Trotzdem besitzen auch sie die
2 in der Längsrichtung hintereinander stehenden Wurzeln. Das läß t sich wohl nur so erklären, daß
auch bei ihnen zunächst nur eine Längsstreckung der Zähne eingetreten war, welche zur Teilung
der Wurzeln führte wie bei den Triconodonta. Dieser Längsstreckung folgte erst nachträglich eine
Verbreiterung der hinteren Backzähne, die aber n ur an den oberen Backzähnen, wo sie viel bedeutender
war als an den unteren, zu einer nochmaligen Teilung der Wurzeln führte, aber einer Querteilung,
so daß hier noch eine d ritte Wurzel nach innen von den beiden ersten Wurzeln entstand, die den
unteren Backzähnen fehlt. Daraus ist vielleicht der Schluß zu ziehen, daß die trituberkulären und
trigonalen Zähne der Pantotheria tatsächlich, wie von m anchen angenommen wird, von trikonodonten
Zähnen abzuleiten sind; nur ihre Prämolaren haben diesen altertümlicheren trikonodonten Zustand
bewahrt, den heute auch noch die Prämolaren der Carnivora deutlich zeigen. Nur unter dieser
Annahme erscheinen mir die drei Wurzeln der oberen und die zwei Wurzeln der unteren Backzähne
der Pantotheria erklärlich, die diese Ausbildung den späteren Säugetieren vererbt haben. Die Anordnung
der Zahnspitzen steht einer Ableitung der Pantotheria von den Triconodonta nicht im Wege,
denn bei Phascolotherium z. B. stehen die Nebenspitzen noch seitlich von der Hauptspitze, und nur
bei den" extremeren Formen wie Triconodon selbst stehen alle Spitzen in einer Längsreihe.
E rst zur Jurazeit erscheinen die g etrennten Wurzeln in Verbindung mit mehrspitzigen Kronen.
Und erst diese Formen sind als vollendete Säugetiere zu bewerten.
Die Trennung der Wurzeln wurde aber schon vorher angekündigt durch eine oberflächliche
Furche auf der sonst einfachen konischen Wurzel. Wir können diese Furche sowohl bei gewissen
Cynodonta (Diademodon) beobachten, wie bei den als Dromatherium (Fig. 12, S. 16) und Microconodon
bekannten kleinen Kiefern aus der Trias von Nord-Carolina, welche gewöhnlich als die ältesten
Säugetiere gelten. Ob diese Formen wirklich schon Säugetiere sind, oder ob sie vielleicht doch noch
Reptilien waren, wird erst zu entscheiden sein, wenn einmal vollständigere Reste dieser rätselhaften
Tetrápoda vorliegen. Als Zwischenformen wenigstens müssen sie zweifellos gelten. Einfache Wurzeln
mit einer Längsfurche auf der Außenseite finden sich oft, u. a. auch an den Backzähnen von Halichoerus
grypus (Fig. 27, S. 51). Nur bedeutet hier diese unvollständige Trennung von zwei Wurzeln ein
Stadium der Rückbildung, während sie bei Dromatherium ein Stadium der Fortbildung darstellt.
6. Folgen des Auftretens getrennter Zahnwurzeln.
Das Auftreten von mehrwurzeligen Backzähnen muß ich für eines der allerbedeutsamsten
Merkmale der Säugetiere halten, sogar für dasjenige, welches das Entstehen von zahlreichen anderen
wichtigen Merkmalen, durch die sich die Säugetiere vor den Reptilien auszeichnen, zum Teil erst
veranlaßt ha t, zum Teil deren Erhaltung und Ausbildung wenigstens begünstigt hat.
Mehrwurzelige Zähne sind gebaut für starken Druck, welcher bei kräftigem und andauerndem
Kauen auf die Zahnkrone ausgeübt wird. Voraussetzung für ihre Betätigung is t aber, daß auch die
Kieferknochen, in denen diese Zähne stecken, widerstandsfähig genug sind, den stärkeren Druck
auszuhalten, der auf sie übertragen wird. Da is t es nun sehr beachtenswert, daß eines der zuverlässigsten
Merkmale, durch das sich Säugetiere von Reptilien unterscheiden lassen, darin besteht,
daß jeder Unterkieferast bei den Reptilien aus mehreren getrennten Knochen (Fig. 10, S. 14) zusammengesetzt
ist, welche durch Nähte miteinander verbunden sind, während bei den Säugetieren
jede Unterkieferhälfte einen einheitlichen Knochen ohne Nähte darstellt. Sicher is t nun ein einheitlicher
Knochen viel w iderstandsfähiger, als ein aus mehreren Stücken zusammengesetzter, b ei welchem
die Zähne, die Ansätze der Kaumuskeln und das Kiefergelenk auf verschiedene Knochen v erteilt sind.