Sammlung von Sphaerosideritknollen aus Lebach bei Saarbrücken fand ich nicht weniger als drei
verschiedene Exemplare von Pleuracanthus sessüis, die ein fast ebenso großes Exemplar von Arche-
gosaurus decheni im Leibe hatten. Die Haifische waren offenbar kurz nach oder noch während des
Verschluckens dieser krokodilartigen Stegocephalen verendet.
Es ist sehr begreiflich, daß sich bei den Reptilien verschiedene Einrichtungen einstellten,
die es bestimmten Formen ermöglichten, auch größere Beutetiere zu bewältigen, deren Umfang es
schwierig machte, sie zu verschlucken.
Da ist es nun lehrreich, zu sehen, wie bei den Krokodilen diese Aufgabe gelöst wurde. Gerade
sie machen sich m it Vorliebe an verhältnismäßig große Beutetiere, und zwar nicht nur an Fische,
ihre ursprünglichste Nahrung, sondern auch an Wasservögel oder an Säugetiere, die sie vom Wasser
aus oder bei Nacht am Lande unversehens erschnappen können.
Die Krokodile beißen die Beute, die zu umfangreich ist, als daß sie ohne weitere Verarbeitung
hinuntergewürgt werden könnte, zwischen ihren kräftigen Zähnen so lange, bis sie
schluckgerecht geworden ist. Ihre vorderen Zähne sind spitz und werden nur zum Festhalten
der Beute benutzt. Ihre hinteren Zähne sind aber stumpfer, und sie vermögen damit auch stärkere
Knochen zu zerbrechen. So können sie einen Bissen, der eben noch in ihrem mächtigen Rachen
Platz findet, durch längeres 'Kauen in einen derartigen Zustand bringen, daß er leicht in den
Magen hinabgleitet.
Der Zweck ihres Angriffs auf Menschen und größere Säugetiere ist wohl zunächst nur der,
einen ihnen mundgerechten Bissen von ihrem Opfer abzureißen, um ihn dann nach Verarbeitung
mit den Zähnen auf einmal zu verschlucken. So wird Kühen das Euter, Menschen ein Arm von den
Krokodilen abgerissen. Glückt es ihnen aber, eine solche große Beute ganz ins Wasser zu ziehen,
so wird sie zunächst durch Ertränken widerstandslos gemacht. Der Räuber h a t aber keine sebr
geeigneten Werkzeuge, ein solches. Opfer in mundgerechte Bissen zu zerlegen. Es scheint, daß dann
durch ruckweises Zerren oder durch Schlagen des m it den kräftigen Zähnen gefaßten Körpers auf
den Boden einzelne mundgerechte Stücke abgerissen werden. Herr Professor Lorenz Müller erzählte
mir, daß die Krokodile in Brasilien die von seinen Leuten enthaupteten großen Kadaver ihrer eigenen
Genossen jedesmal in einer Nacht restlos aufgeräumt haben.
Es sind drei verschiedene Aufgaben, die einem Raubtier bei der Bewältigung eines großen und
kräftigen Beutetieres vom Augenblick seiner Ergreifung an bis zu seiner völligen Bergung im Magen
erwachsen. Sie bestehen 1. in der Tötung, 2. in der Zerlegung zu einzelnen mundgerechten Bissen
und 3. in deren Zerkauung zu schluckgerechten Bissen. Bei den Krokodilen werden, wie wir sahen,
diese drei Aufgaben sämtlich gelöst, allerdings in sehr primitiver Weise, und zwar nur mit Hilfe der
ursprünglichen, kaum noch abgeänderten Fangzähne.
Ein ähnliches Kauen großer Bissen, wie bei Krokodilen, um sie schluckgerecht zu machen,
findet sich bei vielen der lebenden Eidechsen, bei denen die hinteren Zähne oft stumpfer sind als
die vorderen. Auffallend stumpf und dick werden die hinteren Zähne bei vielen Arten der Gattung
Varanus. Hier werden sie benutzt zum Zerbrechen der Schalen von Landschnecken; so nimmt z. B.
F. niloticus mit Vorliebe Achatinen zu sich. Diese Kauzähne zeigen bei älteren Exemplaren sogar
sehr deutliche Usurflächen. Noch viel auffallender sind die breiten, polsterförmigen Zähne, die die
südamerikanische Dracaena guyanensis (Fig. 9, S. 14) besitzt, deren Hauptnahrung aus Schnecken
der Gattung AmpuMaria besteht. Noch umfangreichere polsterförmige Zähne weisen aber schon
die triassischen Placodontia auf, die von gepanzerten Fischen, von hartschaligen Crustaceen,
Mollusken oder Seeigeln gelebt haben dürften.
Absichtliches Zerlegen von Beutetieren in einzelne Bissen dürfte bei anderen bezahnten
Reptilien in der Gegenwart kaum Vorkommen. Die eigentümliche Ausbildung der Zahnkronen bei
den zu den Dinosauriern gehörigen Theropoda, die als Raubtiere von teilweise gigantischer Größe
im Mesozoikum lebten, deutet aber darauf hin, daß sie diese Kunst ausübten. Ihre zahlreichen,
sehr großen Fangzähne zeigen eine bald wenig, bald stark komprimierte spitze Krone mit scharfen,
oft gekerbten Kanten, die die Kieferränder zu schneidenden Sagen gestalteten. Mit diesem furchtbaren
Gebiß waren sie vermutlich imstande, andere große, aber schwerfälligere Tiere, wohl
pflanzenfressende Dinosaurier, anzugreifen und deren Gliedmaßen oder Stücke aus ihrem Körper
abzubeißen, die aber unzerkaut verschluckt werden mußten. Die fast wehrlosen, aber wahrscheinlich
sehr zählebigen Opfer mögen auf diese Art stückweise bei lebendigem Leibe aufgefressen
worden sein.
Das absichtliche Töten eines erbeuteten Tieres vor seiner Aufnahme in den Rachen ist außer
bei Krokodilen nur bei gewissen Schlangen gebräuchlich, hier aber in raffinierter Weise ausgebildet.
In der Regel wird bei den Amphibien und Reptilien die Beute vor dem Verschlingen nicht
getötet, aber auch nach dem ersten Ergreifen nicht wieder losgelassen. Als Beutetiere kommen für
die meisten von ihnen wesentlich die Wirbellosen sowie die niederen, kaltblütigen Wirbeltiere in Betracht.
Abgesehen von einigen Insekten, die schon durch leichtes Quetschen rasch zu töten sind,
sind diese im allgemeinen sehr zählebig im Gegensatz zu den Warmblütern. Letztere spielen auch
erst seit dem Tertiär eine größere Rolle. So ist schon aus diesem Grund ein Töten der Beute vor dem
Verschluck n sehr erschwert und unterbleibt daher auch selbst bei verhältnismäßig sehr großen
Tieren. Der Molch, der einen Wurm verschlingt, die Ringelnatter, die einen Frosch hinabwürgt,
denken nicht daran, die schwierige Aufgabe zu lösen und ihre Beute vorher zu töten.
I s t die gepackte Beute so groß, oder ist der Widerstand so bedeutend, daß dies beim Schlucken
hinderlich wäre, oder daß während des oft langwierigen Schluckaktes ein Entkommen der Beute
leicht möglich wäre; so wird das zappelnde Opfer durch Quetschen zwischen den Kiefern oder durch
derbes Aufschlagen auf den Boden b e täubt und widerstandslos gemacht, wie man es bei Eidechsen
beobachten kann. Denn dann kann es leichter zwischen den Kiefern in die bequemste Lage gebracht
werden, die zum Verschlucken geeignet ist. Krokodile ertränken dazu ihr Opfer.
Die Schlangen sind nun Spezialisten im Verschlingen besonders großer Bissen, wozu sie durch
die außerordentliche Beweglichkeit der einzelnen Kopfknochen befähigt sind. Dadurch sind sie
in Stand gesetzt, verhältnismäßig größere Beutetiere sich auszuwählen als irgend ein anderes Reptil,
obwohl auch sie ihre Beute nicht zerstückeln können. Es ist ein gewaltiger Fortschritt gegenüber
ändern Reptilien, daß. eine Anzahl von ihnen die Kunst versteht, ihre Opfer schnell zu töten, die
einen durch Erwürgen, die ändern durch rasch wirkendes Gift. Das so getötete Tier kann losgelassen
werden, und die Schlange k ann nun in aller Ruhe ihre Vorbereitungen zu dem langwierigen Scblingakte
treffen. Ihnen fallen besonders Warmblüter zur Beute.
Tiere so zu verwunden, daß der Tod rasch durch Verblutung oder durch absichtliche Hirnverletzungen
eintritt, wie es die gewöhnliche Tötungsart bei Raubsäugetieren ist, das ist bei Reptilien
noch unbekannt. 'D e n n wenn auch als Folge eines Angriffs durch ein Krokodil der Tod öfter
durch Verblutung erfolgt, so war das keineswegs der Zweck des Angriffs, der nur der Erbeutung
eines mundgerechten Bissens galt.