Der Fischotter findet seine Beute in der Regel in n ich t allzu großer Entfernung vom Ufer.
Die Robben haben ihre Jagdgründe dagegen oft in b edeutender Entfernung vom Lande. Das würde
das Verbringen der Beute aufs Trockene zu zeitraubend und umständlich machen. Es wird das
in der T a t auch von keinem der Meeresraubtiere mehr versucht. Sie müssen ihre Beute im Wasser
verzehren. Zum Festhalten seiner B eute im Wasser v erfügt d er Seehund aber n ur über die mit Zähnen
versehenen Kiefer. Wollte er eine größere Beute längere Zeit schwimmend im Wasser festhalten, um
sie Stück für Stück zu verzehren, so müßte er dazu über besondere, außerhalb der Kiefer gelegene
Greifwerkzeuge verfügen. Kein wasserbewohnendes Wirbeltier besitzt aber ein solches Werkzeug.
Landtiere können eine kleinere Beute einfach dadurch festhalten, daß sie sich daraufstellen
und durch das Gewicht ihres Körpers ihr Opfer zu Boden drücken. Das is t bei Wassertieren ganz
ausgeschlossen, deren spezifisches Gewicht dem ihres Mediums ungefähr gleichkommt. Sonst dienen
bei Landtieren die Vorderfüße zum F esthalten der B eute w ährend der Mahlzeit, soweit das überhaupt
nötig ist. Sie vermögen infolgedessen jede Beute stückweise aufzuzehren. Es is t aber überhaupt
keinem wasserbewohnenden Wirbeltier gegeben, untergetaucht oder im Wasser schwimmend die
vorderen Gliedmaßen zum Festhalten der Beute während der Mahlzeit zu benutzen.
Dies Gesetz gilt nur für Wirbeltiere. Bei wasserbewohnenden Arthropoden, den Krebsen und
Wasserinsekten, auch bei Tintenfischen, sind es gerade die Extremitäten, die fast regelmäßig zum
Festhalten der Beute während der Mahlzeit dienen. Diese Formen sind daher auch zum Erbeuten
verhältnismäßig großer Tiere befähigt, die sie nur stückweise verzehren können. Auch den Echino-
dermen und anderen Wirbellosen, selbst manchen Protozoen (Acineta) stehen entsprechende Werkzeuge
in Gestalt von Tentakeln, Füßchen usw. zur Verfügung. Nur eine einzige Gruppe von Wasserwirbeltieren
ist bekannt, die ihre große Beute während des Fressens im Wasser festhält. Es sind die
Cyclostomen, deren Mund zu diesem Zwecke einen Saugnapf bildet, in dessen Inneren Zähne wirken
zum Loslösen der einzelnen Bissen. Doch sind diese Tiere kaum mehr als freilebende Räuber zu
betrachten, sondern zu Parasiten degeneriert.
Zum Festhalten der Beute steh t also den Seehunden kein anderes Werkzeug zur Verfügung
als die Zähne. So stoßen sie auf Schwierigkeiten, wenn sie ein Tier als Speise für sich verwenden
wollen, das zu groß ist, um unzerstückelt verschlungen werden zu können. Sie sind wesentlich auf
solche Beutetiere angewiesen, die einen einzigen Bissen für sie darstellen. Entschädigt werden sie
für die geringere Größe ihrer Beutetiere dadurch, daß diese meist schwarmweise Vorkommen. Allerdings
werden aber diejenigen u n te r ihnen, welche ein altertümlicheres Gebiß mit sekodonten zweiwurzeligen
Backzähnen besitzen, immer noch imstande sein, einen Fisch, der zu groß ist, um als
Ganzes verschluckt zu werden, damit entzwei zu schneiden. Das abgebissene Stück dürfte dann als
besonderer zweiter Bissen von dem Räuber oder einem seiner Genossen von neuem erschnappt werden.
Denselben Erfolg können wohl auch noch die Formen erzielen, deren Backzähne bereits alle oder
fast alle zu einwurzeligen Fangzähnen geworden sind, die aber so eng aneinander gerückt sind, daß
sie eine fast zusammenhängende Schneide bilden wie Otaria (Fig. 28) und Hcdichoerus (Fig. 27).
Auch sind die Robben offenbar noch fähig, von einem größeren Tier im Wasser Stücke abzubeißen,
wenn dieses in irgend einer Weise festgehalten wird. Denn es is t Tatsache, daß sie größere Fische
von der Angel oder aus Netzen stückweise wegfressen. Immerhin dürfte ein Zerlegen der Beute
nicht mehr die Regel bei ihnen .sein.
Ihre großen Eckzähne in Verbindung mit meist wohlentwickelten Backzähnen deuten darauf
hin, daß sie im Stande sind, verhältnismäßig große und kräftige Beutetiere zu greifen, die allenfalls
mit den Backzähnen von ihnen nach Art der Krokodile so lange gequetscht werden können, bis sie
ohne Schwierigkeit sich schlucken lassen.
Die Pinnipedia haben sich mit ihrer Nahrungsaufnahme den Lebensbedingungen ihres
Mediums zunächst so weit angepaßt, daß ihr Gebiß fast nur noch zum Ergreifen einer aus größeren
Tieren bestehenden Beute geeignet ist, allerdings noch mit der Fähigkeit, besonders große Bissen
Fi„ Je, PKoca vitülina (Plnnipcdia). Zähne dos linken Unterkiefers', von «uBcn. Fig. 27. I laU dw e ru s grmms (Finnip^dia).
ebenso Fig 28 Otaria sp. (Pinnipedia), ebenso, Fig. 29. Xeuglc^nn ;m r i s (Cetacea); Ohfereacän Ägypten. Zähne des
linken Unterkiefers, von anien, X 0-2- Hg.*».- Gebifl des. .Oberkiefers, von.
unten. J Schneidezähne (ergänzt nach ZeuglodOBi, C Bokzahn, P Prämolaren, M 3-wurzelige Molare*» Fig. 31, Potamogale
velox (Zalambdodonta), Kamerun; ebenso. X 3.
schluckgerecht zu machen. Sie haben die Fähigkeit größtenteils schon aufgegeben, große Beute
zu bewältigen, die sie nur stückweise, zu sich nehmen könnten. Sie haben aber auch längst die
Fähigkeit völlig aufgegeben, ihre Nahrung vor dem Verschlucken zu zerkauen, denn selbst ihre
zwei wurzeligen Zähne sind dazu nicht mehr geeignet.
Offenbar sind Wassertiere in unverletztem Zustande besonders leicht zu verdauen gegenüber
Landtieren. Wir finden bei den tierfressenden Wasserbewohnern zwar vielfach sogenannte Kau-