Talgdrüsen läßt sich nach Eggeling im Sinne Maurers (1895) verwerten, indem man annimmt, daß
die beiden zuerst auftretenden Gebilde, Haupthaar und Knäueldrüse, als die phylogenetisch älteren,
die nach ihnen erscheinenden Nebenhaare, und vor allem die Talgdrüsen, als die phylogenetisch
jüngeren anzusehen sind. Letztere haben sich nach Maurer erst nach Ausbildung des Haarkleides
im Dienste des letzteren entwickelt. Wahrscheinlich werden auch die a-Drüsen von vornherein zu
den Haaren Beziehungen gehabt haben, denn sie haben sich wohl wahrscheinlich zusammen mit
den Haaren entwickelt. Maurer konnte sich dahin allerdings nicht aussprechen, da er eine wesentliche
Beziehung der Schweißdrüsen zu den Haaren nicht annahm; Haare und Schweißdrüsen sind nach
ihm unabhängig voneinander. Auch ich würde annehmen, daß die Talgdrüsen sich erst nach den
Haaren, im Anschlüsse an diese, entwickelt haben, und eine wesentliche Bedeutung für sie besitzen,
eine wesentlichere als die a-Drüsen. Möglicherweise ist aber ein Teil der Bedeutung, welche die
a-Drüsen ursprünglich für die Haare besaßen, später auf die spezifisch differenzierten Talgdrüsen
übergegangen. Für die a-Drüsen wird voraussichtlich ihre Bedeutung für die Haare von vornherein
nur eine Nebenfunktion gewesen sein, ihre Hauptfunktion war eben eine exkretorische.
Das späte Auftreten der Talgdrüsen bei den Monotremen ist allerdings gegenüber den Verhältnissen
bei den sonstigen Säugetieren auffallend und würde in einem gewissen Gegensätze stehen
zu der Annahme von Marks, daß die Talgdrüsen den Haarkanal vorbereiten, vielleicht werden weitere
Untersuchungen hierfür noch eine Erklärung liefern.
Auch für die Katze gibt Backmund (1904) an, daß die Entwickelung der Schweißdrüsen mit
dem Eintritte in das Stadium des Haarzapfens beginnt, daß die beim Menschen in diesem Stadium
auftretenden Talgdrüsenanlagen aber erst viel später erscheinen. Also auch hier wieder ein späteres
Auftreten der Talgdrüsen als der Schweißdrüsen. Aus dem Gesagten ergibt sich weiter, daß die
E n tw ick e lu n g der be iden Drüsen im V e rh ä ltn is s e zu der des Haares bei den v e r sch
ied en en Säugern v e r sch ied en früh e in t r it t , das wird eben von der sp e z ifisch en
D iffe r en z ie ru n g der e in z e ln en T ie ra r ten ab h ängen, immer aber t r it t die T algdrüse
sp ä te r auf als die Schweißdrüse.
Mitunter können sich übrigens nach den vorliegenden Angaben zw ei Talgdrüsen an demselb
en Ha a rba lg e in ganz verschiedener Höhe anlegen, ^o beim E ichhö rnchen an den Tasthaaren
(Sinushaaren) der Schnauze (Hoffmann, 1898). So an den Haaren in der Vulva des Pferdes,
wie J eß (1896) angibt (S. 229):
„von dem gemeinsamen Haarbalg gehen, wie bei einem Quirl, in gleicher Höhe mehrere Gänge ab, und zwar münden
hier bis vier Talgdrüsensäcke gleichzeitig. Dann verläuft der Haarbalg nach abwärts ohne jede Unterbrechung; an seinem
unteren Ende ergießen sich abermals mehrere Drüsen in Form eines Quirls in den Haarbalggrund (also ein Doppelquirl.
Die Schweißdrüsen laufen teils neben den Talgdrüsen einher, teils winden sich dieselben zwischen den einzelnen Säcken
hindurch. Charakteristisch ist es jedoch, daß, sobald die Schweißdrüse die Höhe der letzten Talgdrüsen erreicht hat, sich
das Lumen sehr stark erweitert (von 0,0054 mm auf 0,0162 mm).“
Auch aus diesen Beobachtungen, daß die Talgdrüsen sich hin und wieder ganz weit
u n ten am Ha a rba lg e v o r find en , s ch e in t mir ihre besonde r e B ed eu tu n g für das Haar
hervorzugehen. Es wird aber auch hier noch weiterer Untersuchungen bedürfen, um klarzulegen,
aus welchem Grunde sich in diesen beiden Fällen die Talgdrüsen in so verschiedener Höhe am Haarbalge
anlegen.
Daß die „Talgdrüsen“ eine ganz be sondere B ed eu tun g, für die Haare als solche haben
müssen, geht vor allem auch daraus hervor, daß sie beim e rwachsenen Haare fa s t niemals
ve rm ißt werden. Fehlen sie später wirklich, so sind sie wenigstens entwickelungsgeschichtlich
nachzuweisen. So z. B. beim Schweine, wo sie nach den vorliegenden Angaben bei dem „englischen
Schweine“ vermißt werden, im Gegensätze zu unserem Hausschweine (Flatten, 1894), so bei den
Sirenen, an den Sinushaaren, wo sie embryonal noch nachweisbar sind, wenn auch nur sehr schwach,
und bei den Cetaceen (Kükenthal, 1897). Es gibt genug Haare, bei denen die a-Drüsen fehlen, die
Talgdrüsen aber sind fast immer vorhanden. Sehr interessant sind in" dieser Beziehung die „Sinushaare“,
bei denen die a-Drüsen stets fehlen, während Talgdrüsen vorhanden sind. Aus der soeben
mitgeteilten Beobachtung von Kükenthal geht aber hervor, daß sie auch bei den Sinushaaren ursprünglich
angelegt werden und also erst während der weiteren Entwickelung verloren gehen. Warum
das geschieht, ist ein Punkt, der noch genauer untersucht werden müßte.
Wenn nun die a-Drüsen und die Talgdrüsen beide „Haarfollikeldrüsen“ sind oder „Haarbalgdrüsen“,
so ist es unrichtig, speziell die „Talgdrüsen“ als „Haarbalgdrüsen“ zu bezeichnen. Es wäre
daher erwünscht, für sie einen neuen Namen zu finden. Die Bezeichnung „Talgdrüse“ ist ja sicher
für viele Fälle durchaus gerechtfertigt, aber, wie das ja schon mehrfach hervorgehoben worden ist,
durchaus nicht für alle Fälle. Wissenschaftlich kann man sie ja nun sicher als „holokrine Hautdrüsen“
oder, wenn man will, auch als „holokrine Haarbalgdrüsen“ bezeichnen und sie dadurch auch unterscheiden
von den „merokrinen Haarbalgdrüsen“, den a-Drüsen, aber diese Bezeichnung ist für den
gewöhnlichen Gebrauch doch wohl etwas zu umständlich. Da diese Drüsen nun, wie es scheint,
für das Haar eine ganz besondere Bedeutung haben, so möchte ich vorschlagen, sie als „Haardrüsen“
zu bezeichnen. Es ist das wenigstens ein einfacher Name, der eine gewisse funktionelle Begründung
hat. Das Sekret dieser Drüsen hat ja sicher nicht nur Bedeutung für das Haar, sondern auch für
die Haut, aber hauptsächlich doch wohl für das erstere. Für den gewöhnlichen Gebrauch der menschlichen
Anatomen paßt ja auch die Bezeichnung „Talgdrüse“ ganz gut, und wird als alteingebürgerter
Name wohl auch noch lange beibehalten werden, als allgemeinere Bezeichnung aber würde „Haardrüse“
doch wohl vorzuziehen sein.
Für die „Haardrüse“ ist es übrigens sicher auch nicht ohne Bedeutung, daß sie n ich t direkt
v o n der E pide rmis a u sg eh t, sondern v on dem schon d iffe r en z ie r ten E p ith e l des
Haarbalges. Überall, wo man sogenannte „freie Talgdrüsen“ in der Haut findet, kann man wohl
mit Sicherheit annehmen, daß sie ursprünglich von einer Haaranlage herstammen, wie das ja auch
bis jetzt mit wenigen Ausnahmen angenommen wird (Vorhaut, Lippenrot). Ob an diesen Ausnahmestellen
in der Tat eine freie Anlage stattfindet, müßte wohl noch erst durch weitere Untersuchungen
erwiesen werden. Wie Marks seinerzeit schon hervorgehoben hat, können sich eben aus dem „primären
Epithelkeime“ sekundär verschieden viele Gebilde entwickeln, es können sich alle drei entwickeln
: Haar, Haardrüse und a-Drüse, oder es können sich nur die einen oder die ändern von diesen
entwickeln, resp. nur kurze Zeit entwickeln und dann wieder zugrunde gehen. So würde bei den
sogenannten freien Talgdrüsen die a-Drüse fortgefallen sein, Haar und Haardrüse würden sich entwickelt
haben, dann würde das Haar rudimentär geblieben sein und ausgefallen sein und die Drüse
allein würde übrig geblieben sein. Es sind ja hierfür genug Übergangsformen bekannt, in denen
die Haardrüse mächtig entwickelt ist, während das Haar nur ganz unscheinbar, rudimentär noch
vorhanden ist. Für eine derartige Entwickelung der freien Talgdrüsen an der Lippe würde auch
die Beobachtung von Kränzle (1911) sprechen, daß beim Schweine an der Unterlippe in der „Zona
cutanea interna“ kleine, kaum 1 mm lange Haarbälge mit Talgdrüsen vorhanden sind, die den freien
Talgdrüsen des Menschen entsprechend würden. Auch von den großen zusammengesetzten Talgdrüsen,
den Meibomsdhen Drüsen der Lider, gibt v. Eggeling (1904) an: „Meist entstehen die letzteren