das zum Verspeisen in einzelne Bissen zerlegt werden muß, muß vorher getötet oder widerstandslos
gemaoht werden können. Dazu eignen sich Saurier wenig. Auch die modernen Raubtiere vergreifen
sich n ur selten an solchen. Von Säugern standen den mesozoischen Wirbeltierfressern mit Ausnahme
der spärlichen Multituberculata nur ihre eigenen nächsten V erwandten zur Verfügung, welche, gleichfalls
Raubtiere, je nach ihrer Größe ebenso wehrhaft waren wie sie selbst. Schon aus diesem Grunde
dürften die mesozoischen Wirbeltierfresser auch u n te r den Säugetieren nur verhältnismäßig sehr
kleinen Formen nachgestellt haben.
E rst als gegen Beginn der Tertiärzeit die Auswahl an Säugetieren reicher wurde und unter
ihnen zahlreiche Pflanzenfresser auftraten, welche naturgemäß weniger wehrhaft sind, dürften die
Wirbeltierfresser, die je tz t hauptsächlich von Greodonta dargestellt wurden, sich auch an etwas
größere Säuger gewagt haben. Da werden sie jedenfalls bald die Erfahrung gemacht haben, daß
Säugetiere sehr viel'leichter zur Strecke zu bringen sind als. Saurier, und daß ferner ihre Eckzähne,
die bisher beim Angriff hauptsächlich zum Pesthalten der Beute dienten, Säugetieren gegenüber ein
vortreffliches Tötungswerkzeüg darstellen, s» daß überlegene Größe und K ra ft des Angreifers nicht
mehr die allein ausschlaggebende Rolle spielen wie bisher.
An den größer werdenden Pflanzenfressern werden dieCreodonta die neue Tötungsart erprobt
haben, die darin besteht, daß sie beim Angriff ihren Opfern mit den Eckzähnen schwere Verletzungen -
der Weichteile beibringen, welchen diese Tiere rasch durch Verblutung erliegen. Nur den warmblütigen
Säugetieren gegenüber konnte diese Tötungsart durch „Erdolchen“ den notwendigen raschen
Erfolg haben. Reptilien war damit nicht beizukommen gewesen. Aber Säugetieren gegenüber
war es ein außerordentlicher, Fortschritt, der dazu führen mußte, daß. diese ihre Hauptnahrungs-
q uefe wurden. So wurden sie Säugetierfresser. Über die Stammesgeschichte der Creodonta h a t uns
vor allem Matthew durch seine vorzüglichen Darstellungen 1909 Klarheit verschafit. Daraus muß
aber auch der Schluß gezogen werden, daß eine scharfe systematische Trennung der landbewohnenden
Carnivora in Greodonta und Fissipedia nicht mehr gerechtfertigt ist. Die Bedeutung
dieser Namen besteht nur darin, daß sie eine kurze Bezeichnung für „ältere“ und „modernere“
Carnivora darstellen.
So s teht die Entwicklung der Landraubtiere in innigstem Zusammenhang m it dem Auftreten
und des. Entwicklung der pflanzenfressenden Säugetiere, vor allem der Ungulata und Rodentia,
welche zu allen Zeiten die hauptsächlichsten Nahrungstiere für die Carnivora darstellten. Andere
Wirbeltiere oder gar Wirbellose spielen bei ihrer Ernährung nur eine untergeordnete Rolle. Erst
das Vorhandensein dieser Pflanzenfresser, welche zum Teil wahrscheinlich selbst aus den ursprünglichsten
Formen der Greodonta hervorgegangen waren, bot den Raubtieren die Möglichkeit zu der
großartigen Weiterentwicklung, die bei ihnen stattfand. Es war eine neue und überaus ergiebige
Nahrungsquelle, welche in den Pflanzenfressern entstanden und bald überall anzutreffen war. Ih r
wandten sich die Creodonta frühzeitig zu und paßten sich ih r durchaus an, sind auch, wie heute noch
die Fissipedia, fast völlig von ihr abhängig. Das war eben dem Umstand zuzuschreiben, daß die
Pflanzenfresser warmblütige Tiere sind, deren Tötung so rasch erfolgen kann, daß selbst ein kleines
Raubtier ein sehr viel größeres und sogar viel k räftigeres Beutetier verhältnismäßig leicht zur Strecke
bringen kann, vorausgesetzt, daß es gewandt genug ist, beim Angriff sofort eine der empfindlichsten
Stellen seines Opfers mit seinen Dolchen zu treffen. F ü r einen behenden Räuber is t aber selbst
bei einem mißglückten Angriff nicht allzuviel Gefahr vorhanden, da die Pflanzenfresser bei ihrem
Größerwerden allmählich ihre ursprüngliche Hauptwaffe, die v erlängerten Eckzähne, oft verkümmern
ließen und auch, beim Vorhandensein guter Waffen eher geneigt sind, sich durch die Flucht als durch
Gegenwehr vor ihren Feinden zu retten.
Bei den ursprünglichsten Pflanzenfressern im älteren Tertiär hä tten es die Raubtiere allerdings
kaum noch wagen können, ein gleich großes oder gar größeres Tier anzugreifen, da damals
auch die Pflanzenfresser noch ebenso gute Waffen an ihren Eckzähnen hatten, wie die Raubtiere
selbst. Die Räuber mußten größer sein als ihre Opfer. Während des ganzen Paleocän und noch
während des unteren Eocän gehören daher die Raubtiere zu den größten Säugetieren ihrer Zeit. Sie
sind durchschnittlich ebenso groß wie die neben ihnen lebenden Pflanzenfresser, aus denen sie ihre
Beute zu wählen h a tten . Der größte Creodonte des älteren Paleocän (Puerco). in Nordamerika,
Triisodon quivirensis (von Schakalgröße) ist etwa ebenso groß wie Periptychus rhabdodon, das größte
und häufigste Huftier dieser Zeit; ebenso kommt der größte Creodonte des oberen Paleocän (Torrejon),
Dissacus saurognathus (von Wildschweingröße) an Körpergröße dem größten Huftier seiner Zeit,
Pantolanibda cavirictus, etwa gleich, und im unteren Eocän (Wasatch) ist die gewaltige Pachyaena
gigantea (von Eisbärengröße) dem Coryphodon anax, einem der größten Huftiere seiner Zeit, fast
ebenbürtig an Größe. Bei der noch größeren Pachyaena boulei aus dem Pariser Grobkalk erreicht
der Unterkiefer eine Länge von 0,470 Meter. Wenn man nun auch im späteren Eocän und in allen
darauf folgenden geologischen Epochen noch eine ganze Reihe gewaltiger Raubtiere antrifft, so ist
doch bei ihnen eine weitere Größenzunahme n icht m ehr zu bemerken. Die R aubtiere h a tte n bereits
im unteren oder mittleren Eocän die Größe eines sehr starken Eisbären erreicht, die nicht mehr
überschritten wurde.1)
Im Gegensatz dazu erreichten die Huftiere, die hervorragendsten Gestalten unter den Pflanzenfressern,
denen wohl auch hauptsächlich die Nachstellungen der größeren Raubtiere galten, im Verlauf
der geologischen Zeiten zusehends immer größere Dimensionen. Schon vom mittleren Eocän
(Bridger) ab übertrafen die Huftiere (bis Rhinocerosgröße) im Durchschnitt an Größe die Raubtiere
beträchtlich. Dies Verhältnis steigerte sich im Oligocän (Huftiere bis Elefantengröße) und vielleicht
noch im Miocän, blieb aber von da bis zur Gegenwart etwa gleich.
Wie die erste Ausbildung der Creodonta m it dem ersten Auftreten von Pflanzenfressern, ihrer
Beutetiere, ungefähr zusammenfiel und vermutlich dadurch bedingt war, so mußten sie und die
aus ihnen entsprossenen Fissipedia sich auch in ihrer Weiterentwicklung durchaus an die ihrer Beutetiere
anpassen. In Bezug auf Größe konnten sie, wie wir sahen, mit ihnen nicht lange Schritt halten,
in Bezug auf Schnelligkeit gelang es nur wenigen von ihnen, in Bezug auf L ist und Gewandtheit sowie
in der Ausbildung von Angriffswaffen mußten sie sie aber überbieten. Sie erreichten es im allgemeinen,
daß sie Pflanzenfresser, welche so groß waren wie sie selbst, ja selbst solche, die ganz bedeutend
größer waren, verhältnismäßig leicht bewältigten. Wenn wir heute auch oft beobachten
können, daß große Raubtiere mit Vorliebe kleinen, selbst sehr kleinen Beutetieren, die reichlich vorhanden
sind, nachstellen, wie es ihre Vorfahren, die ältesten Creodonta, wohl ausschließlich getan
haben, so besteht daneben die Tatsache, daß sie meist gegebenen Falls auch sehr große Beutetiere
leicht bewältigen, eine Fähigkeit, welche ihren Vorfahren nicht gegeben war.
Die Fähigkeit, mit den langen Eckzähnen die Beute nicht nur festzuhalten, sondern rasch zu
töten, muß wohl schon im Paleocän von den Creodonta erworben sein. Und als Huftiere von riesen-
I Die rein carnivoren Raubtiere mit wöhlausgebildeten Reißzähnen haben wohl nie die Größe eines starken Löwen oder
Tigers tiberschritten.