Versorgung dieser Bezirke von vornherein zu einer stärkeren Sekretion prädisponiert, um so mehr,
da die eigentliche Funktion der Brutflecken, Wärme für das auszubrütende Ei zu produzieren, in
Wegfall geraten war. So läßt es sich begreifen, daß die Drüsen dieser Bezirke, indem ihre Absonderung
dem im Beutel getragenen Jungen zur Nahrung dienen konnte, unter der erhöhten Beanspruchung
allmählich zu den Mammardrüsen sich ausbildeten und damit den Funktionswechsel
herbeiführten, der die Brutflecken zu den Drüsenfeldem umwandelte. Nur auf diese Weise erklärt
sich die frühzeitige Differenzierung der Mammardrüsen gegenüber den Schweißdrüsen der übrigen
Haut, wie sie uns die Ontogenie kennen lehrt, v. Eggeling teilte 1907 noch mit, daß die Unterschiede
zwischen den Mammardrüsen und den Schweißdrüsen bei Echidna darauf beruhen, daß sich die
ersteren viel stärker verzweigen und einen weit größeren Umfang gewinnen, als die letzteren. Da
nach den Angaben von Bresslau die Entwickelung der Milchdrüsen der Marsupialier in etwas anderer
Weise abläuft, als die Entwickelung der Mammardrüsen der Monotremen, ist nach Eggeling anzunehmen,
daß letztere nicht die direkten Vorläufer der Beuteltier-Milchdrüsen sind, sondern daß beide
differgente Produkte derselben indifferenten tubulösen Hautdrüsenart darstellen. Bresslau veröffentlichte
weiter 1912 eine umfangreiche Abhandlung über die Entwickelung des Mammarapparates der
Monotremen und einiger Placentalier, in der das erwachsene Echidnaweibchen und Marsupialier, In-
sectivoren, Nagetiere, Camivoren und Wiederkäuer behandelt wurden. Ursprünglich sind nach ihm
„Brutorgane“ bei beiden Geschlechtern vorhanden gewesen, damit war die Grundlage zur Entstehung
des Mammarapparates bei beiden Geschlechtern gegeben, die Beschränkung des Säugegeschäftes auf
das Weibchen mußte schließlich ein Budimentärwerden der männlichen Mamma nach sich ziehen.
Bei den Männchen der Monotremen macht sich dieser Bückbildungsprozeß morphologisch noch nicht
bemerkbar, bei den Männchen der Ditremen dagegen findet sich der Mammarapparat nur noch in
rudimentärer Gestalt. Da die Marsupialier und Placentalier wahrscheinlich von gemeinsamen Vorfahren
abstammen, zeigen ihre Männchen ursprünglich das gleiche Verhältnis, in dem sie übereinstimmend
mit Mammaranlagen und Zitzenrudimenten ausgestattet sind. Weiterhin ist aber bei der
divergenten Entwickelung beider Ordnungen auch die Ausbildung des Mammarapparates der Männchen
hier und dort ihre besonderen Wege gegangen. So ist es bei den Männchen der höheren Marsupialier-
arten durch Fortdauer der regressiven Metamorphose allmählich zu sozusagen vollständigem Verschwinden
der Mammarorgane gekommen. Bei den Placentaliermännchen dagegen hat diese hochgradige Bückbil-
dung nicht stattgefunden; ihr Mammarapparat stellt daher überall ein rudimentäres Abbild der weiblichen
Organe dar, ein Verhältnis, das unter den Marsupialiem nur bei den Didelphyiden zu beobachten ist.
In dieser Arbeit teilt Bresslau weiter eine sehr wichtige Beobachtung mit: Bei allen Mar-
su p ia liern wachsen von den Mammaranlagen primäre Sp rossen aus, d ie zu Mammar-
haaren werden und aus deren Bälgen als sek undäre Sprossen immer an der dem
Zentrum der Mammaranlage zug ew an d ten S e ite die Milchdrüse und als p a a r ig e t e r tiä
r e Sprossen die Talgdrüsen hervorgehen. Die Seite der Haarbälge, aus der diese sekundären
und tertiären Sprossen hervorwachsen, ist nach Pinkus bekanntlich die „hintere“. Wenn also
bei der Mammaranlage diese Sprossen immer aus der dem Zentrum zugekehrten Seite hervorwachsen,
so müssen die Ha a rbä lg e der M ilchdrüsenanlagen s te ts ihre h in te r e S e ite dem Z entrum
zu wen den, eine sehr merkwürdige Anordnung derselben, die an einen Haarwirbel erinnern würde.
Jedenfalls scheint mir diese Anordnung dafür zu sprechen, daß vor der ersten A nla g e der
Mamma hier in dem H a a rk le id e der be tr e ffen d en S äu g etier v o r fa h r en e in e ganz b e sondere
S t e lle v orhand en gewesen sein muß, über deren B ed eu tu n g sich ja a lle r dings
v o r lä u fig k e in e Verm utun gen auf s te llen lassen. Vielleicht hat aber diese eigentümliche
Anordnung der Haare auch in Verbindung gestanden mit den von Bresslau angenommenen
„Brutflecken“. Diese Beobachtung von Bresslau ist in neuester Zeit bestätigt worden durch Hilda
Lustig (1915), welche bei ihren Untersuchungen über die Entwickelung der Milchdrüse beim Menschen
ebenfalls mitteilte, daß die Haarkeime, projiziert auf den Mittelpunkt der Primäranlage bei den
Embryonen immer peripher von den Milchgängen liegen und somit ein ähnliches Verhalten zeigen,
wie es Bresslau bei den Marsupialiem nachgewiesen hat. Es geht hieraus weiter hervor, daß die se
Anordnung der Haare und Drüsen jed en fa lls e iiie aus ura lte r Zeit e rerbte und dementsp
r e ch en d p r in z ip ie ll w ich tig e anzüsehen ist.
Bresslau kommt zu dem Schlüsse, daß Mammardrüsen und Milchdrüsen divergente Entwickelungsformen
einer indifferenten, tubulösen Hautdrüsenart darstellen, die zugleich den Ausgangspunkt
für die Entstehung der Schweißdrüsen bildete. Die Unterschiede der Mammardrüsen und Milchdrüsen
sind nach ihm vielleicht därin begründet, daß bei Monotremen zwei Komplexe von je über
100 Mammardrüsenschläuchen die Ernährung von höchstens zwei Jungen besorgen, während bei
Marsupialiem nur selten mehr als 15 Milchdrüsenschläuche auf eine Zitze entfallen. Der „Milchstreifen“
mit der sich aus ihm differenzierenden „Milchlinie“ der Placentalier bildet das Homologon
der Primäranlagen der Marsupialier.
Brouha hat dann 1905 in zwei Arbeiten (1905 b, c) eingehende Untersuchungen mitgeteilt über
die histologischen Vorgänge bei der Milchsekretion. Er schließt sich nach seinen Beobachtungen
am meisten der Theorie von Michaelis (1898) an, der annahm, daß die Milchsekretion sich zusammensetzt
aus teilweise nekrobiotischen Erscheinungen und teilweise reinen Sekretionserscheinungen. Es
war dies also eine gemischte Sekretionstheorie. Brouha beschreibt den Vorgang bei der Milchsekretion
in allem wesentlichen genau so, wie ich ihn oben an den Abbildungen der a-Drüsen in großen Zügen
vorgeführt habe: das innere, kuppelförmig vorspringende Ende der Milchzellen, das Fettkörnchen
und mitunter auch einen Kern enthält, schnürt sich ab und fällt in das Lumen der Alveole: Die
, Dekapitationserscheinung“ von Heidenhain und seinen Schülern. Dieses Stadium, das Brouha als
das „nekrobiotische“ bezeichnet, besteht also in der Ausstoßung einer geringen Masse von Cytoplasma
welches sich im Lumen auflöst, wodurch die Fettkömchen und Kerne frei werden. Hiernach haben
die Drüsenzellen wieder mehr eine kubische Gestalt angenommen und secernieren Fettröpfchen von
sehr ungleicher Größe, die sich allmählich der freien Oberfläche genähert haben und durch einfache
Cytoplasmakontraktionen in das Lumen entleert werden. Gleichzeitig sondern die Zellen Flüssigkeit
in das Lumen ab, hierdurch wird der Acinus wieder mehr und mehr ausgedehnt, und die Drüsenzellen
platten sich mehr und mehr ab. Während dieser ganzen Zeit secernieren die Drüsenzellen
weiter ununterbrochen Fettröpfchen, von ihren Zellkörpern selbst wird aber nichts mehr abgestoßen.
Dieses Stadium, das den größten Teil des Sekretionscyklus der Milchzellen einnimmt, ist nach Brouha
das Stadium der „reinen Sekretion“ oder das „merokrine Stadium“. Die Kerne, die während der
Laktation in verschiedener Weise degenerieren, werden durch Amitose neu gebildet. Dieser Vorgang
ist nicht ein „Degenerationsvorgang“ im eigentlichen Sinne des Wortes: man muß ihn ansehen als
das Hauptkennzeichen der Teilnahme des Kernes an dem Sekretionsprozesse. Der amitotischen Kernteilung
folgt niemals eine Teilung des Zellkörpers, und die Zellen, deren Kerne diese Teilung durchgemacht
haben, sterben nicht ab. Diese hier mitgeteilten Beobachtungen von Brouha an der Milchdrüse
lassen einmal deutlich erkennen, daß die Milchdrüse auch in bezug auf ihren Sekretionsvorgang
sich prinzipiell vollkommen wie eine a-Drüse verhält, zweitens aber lassen sie manche Teile des Vor-
9 Zoologien. Heft 72.